Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Professorenvertreter. bürgerliche Rechtsstreitigkeit. sic-non-Fall. Feststellung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses. Weiterbeschäftigung. Arbeitnehmerstatus. Prozeßrecht

 

Orientierungssatz

Für die Klage auf Feststellung des unbefristeten Fortbestands eines Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung auf dieser Grundlage sind die Gerichte für Arbeitssachen auch dann ausschließlich zuständig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a und b ArbGG), wenn der Beklagte schlüssig einwendet, es liege ausschließlich ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vor.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nrn. 3a, 3b; GVG §§ 13, 17a; ZPO § 575

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 05.09.2003; Aktenzeichen 15 Ta 376/03)

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 04.07.2003; Aktenzeichen 1 Ca 3416/03)

 

Tenor

 

Gründe

  • Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

    Die Beklagte beauftragte den Kläger durch Schreiben vom 12. August 2002 mit der Vertretung des Amtes eines Universitätsprofessors für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. März 2003, längstens jedoch bis zur Besetzung der Stelle.

    Der Kläger macht geltend, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Er habe das schriftliche Vertragsangebot formlos angenommen und alle Rechte und Pflichten eines ordentlichen Professors im Universitätsbetrieb wahrgenommen. Auf Nachfrage bei der Universitätsverwaltung habe die Sachbearbeiterin sinngemäß erklärt, das Schreiben vom 12. August 2002 sei wie ein Arbeitsvertrag anzusehen. Die Beklagte habe mit weiteren Schreiben den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht. Mangels einer Schriftform des befristeten Arbeitsvertrags sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

    Der Kläger hat die Anträge angekündigt,

    • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31. März 2003 hinaus unbefristet fortbestehe,
    • die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31. März 2003 hinaus weiterzubeschäftigen.

    Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt und die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Lehrstuhlvertretung stelle ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art dar. Die Arbeitsgerichte müßten über den öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Charakter der Rechtsbeziehung entscheiden, um ihre Zuständigkeit feststellen zu können.

    Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

  • Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG in Verb. mit § 575 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG ausschließlich zuständig. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.

    1. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 ArbGG setzt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit nach § 13 GVG voraus. Eine solche liegt vor, wenn die Parteien über Rechtsverhältnisse oder Rechtsfolgen streiten, die dem Privatrecht angehören. Maßgebend ist der Streitgegenstand, dh. die rechtliche Natur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt. Die Gerichte haben zu entscheiden, ob und ggf. welche Anspruchstatbestände auf Grund des ermittelten Sachverhalts erfüllt sind. Die Auswahl der anzuwendenden Anspruchsgrundlage ist nicht Sache der Parteien (BAG 30. August 2000 – 5 AZB 12/00 – AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 51, zu II 1 der Gründe mwN).

    2. Streitgegenstand ist vorliegend die Feststellung, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe. Der Kläger begehrt nicht den Fortbestand des Rechtsverhältnisses unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung als Arbeitsverhältnis. Vielmehr will er den unbefristeten Fortbestand gerade des Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen; er verlangt untrennbar verbunden mit dem Bestandsschutz die Feststellung des Bestands eines Arbeitsverhältnisses. Hierfür sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG zuständig.

    Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung über den 31. März 2003 hinaus beantragt, stützt er sich ersichtlich auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Er macht die Weiterbeschäftigung als Arbeitnehmer, nicht Weiterbeschäftigung unabhängig von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Das wird besonders deutlich aus dem Charakter als uneigentlicher Hilfsantrag, der mit dem Hauptantrag gleichsam steht und fällt (vgl. BAG 17. Januar 2001 – 5 AZB 18/00 – AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 10 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 53, zu II 2c der Gründe mwN).

    3. Der Einwand der Beklagten zur Rechtsnatur der Lehrstuhlvertretung ist demnach unerheblich. Der Kläger leitet nicht Ansprüche aus der Bestellung als Professorenvertreter, sondern allein aus einem angeblich zustande gekommenen Arbeitsverhältnis ab. Die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen fallen mit den wesentlichen anspruchsbegründenden Tatsachen zusammen. Angesichts dieser Doppelrelevanz sind allein die Gerichte für Arbeitssachen zur Entscheidung berufen. Sie haben keineswegs öffentlich-rechtliches Dienstrecht zu beurteilen. Wenn die Beklagte mit dem Kläger kein Arbeitsverhältnis eingegangen ist, macht es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keinen Sinn, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zu verweisen. Vielmehr ist die Klage dann als unbegründet abzuweisen.

  • Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsbeschwerde zu tragen.
  • Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.
 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck

 

Fundstellen

Haufe-Index 1083245

JR 2004, 484

ZTR 2004, 208

EzA-SD 2003, 14

EzA

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