Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf des Auftrags, die Geschäfte eines Schulleiters wahrzunehmen
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
"Unwirksamkeit einer vorläufigen Übertragung höherwertiger Aufgaben nach mehr als vier Jahren; Fortführung von BAG 16. September 1998 - 5 AZR 183/97 - AP BAT-O § 24 Nr 2."
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 4. August 1998 - 4 Sa
134/97 - aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und
Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des beklagten Landes, die Klägerin als Leiterin der Sonderschule W zu beschäftigen.
Die Klägerin erwarb im Jahr 1973 die "Befähigung zur Arbeit als Freundschaftspionierleiter und die Lehrbefähigung in zwei Fächern (Deutsch und Sport) für die unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule der Deutschen Demokratischen Republik". Schon seit März 1972 war sie als Erzieherin und Lehrerin in dem Heim für schwer erziehbare Kinder "Wa " in L und der diesem Heim angeschlossenen Schule eingesetzt. Im Jahr 1987 wurde sie zur Leiterin dieser Einrichtung ernannt. Im Arbeitsvertrag zwischen ihr und dem Rat des Bezirks Magdeburg vom 28. Februar 1990 hieß es, sie sei tätig als "Heimleiterin im Spezialkinderheim ?Wa § L ".
Nach der Wiedervereinigung wurden Heim und Schule getrennt. Die Schule ging über in die Trägerschaft des Landkreises. Mit Schreiben vom 12. August 1991 teilte die Klägerin dem für das Heim zuständigen Ministerium für Arbeit und Soziales des beklagten Landes unter dem Betreff "Entlassung als Heimleiterin" mit, sie wolle die Funktion als Schulleiterin an der Sonderschule für verhaltensgestörte Kinder mit Ausgleichsklassen im Landeskinderheim ?Wa § L antreten. Damit erlösche ihr Arbeitsverhältnis als Heimleiterin mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und gehe auf das Ministerium für Bildung, Erwachsenenbildung und Kultur über. Das Arbeitsministerium erklärte, es nehme die Mitteilung der Klägerin "zur Kenntnis" und bestätigte den "Übergang des Arbeitsverhältnisses" auf das Bildungsministerium.
Am 22. August 1991 richtete die Bezirksregierung Magdeburg an die Klägerin ein Schreiben mit folgendem Wortlaut: "Hiermit beauftrage ich Sie mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Schulleiters an der Sonderschule für verhaltensgestörte Kinder mit Ausgleichsklassen mit Wirkung vom 01.08.1991".
Am 12. Dezember 1991 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag. Nach dessen § 1 wird die Klägerin "als vollbeschäftigte Angestellte auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt". Gemäß § 2 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) und den diesen ergänzenden Tarifwerken. Nach § 4 gilt für die Eingruppierung Abschn. E der einschlägigen Richtlinien der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder. Die Klägerin bezog ein Gehalt nach Vergütungsgruppe IV b BAT-O zuzüglich einer Funktionszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zu der für die Schulleiterstelle maßgebenden Vergütungsgruppe I b BAT-O.
Am 27. April 1993 wurden der Unterricht der Klägerin, ihre Leitung einer Dienstbesprechung und ihre Beaufsichtigung der Unterrichtsstunde einer Kollegin vom zuständigen Schulrat dienstlich überhört. Über seinen Besuch erstellte der Schulrat am 2. Februar 1994 eine dienstliche Beurteilung. Zum Anlaß der Beurteilung hieß es darin: "Eignung und Befähigung als Schulleiter". Die Beurteilung führte zu der Schlußfeststellung, die Klägerin sei "geeignet" und "für die von ihr angestrebte Stelle eines Schulleiters ... befähigt".
Gegen Ende des Schuljahres 1993/94 entschied sich der Schulträger, nachdem dies seit Jahren überlegt worden war, die Schule um die Klassen 5 bis 9 zu erweitern.
Am 22. September 1995 erfolgte im Ministerialblatt des beklagten Landes die Ausschreibung der Stelle einer Schulleiterin an der Sonderschule W . Die Klägerin bewarb sich, erhielt aber keine positive Antwort. Am 21. März 1996 wurde die Stelle erneut ausgeschrieben. Die Klägerin bewarb sich abermals. Das beklagte Land kam im Laufe des Bewerbungsverfahrens zu dem Ergebnis, daß die Klägerin die Stellenanforderungen mangels einer sonderpädagogischen Ausbildung nicht erfülle. Mit Schreiben vom 4. Juni 1996 widerrief es gegenüber der Klägerin deren "kommissarische Beauftragung für die Schulleiterfunktion mit Ablauf des 31.07.1996". Die Funktionszulage der Klägerin ist ab dem 1. August 1996 entfallen.
Am 1. Juli 1996 erhob die Klägerin die vorliegende Klage. Sie hat die Auffassung vertreten, bei Zugang des Widerrufsschreibens im Juni 1996 habe sie in Wirklichkeit die Stelle einer Schulleiterin bereits endgültig innegehabt. Dies folge zum einen daraus, daß sie schon vor der Wiedervereinigung Heim- und damit auch Schulleiterin gewesen und ihr Arbeitsverhältnis mit diesem Inhalt auf das beklagte Land übergegangen sei. Dies folge zum anderen daraus, daß ihr die Schulleiterstelle mit Wirkung vom 1. August 1991 nicht nur vorläufig, sondern endgültig übertragen worden sei; aus dem betreffenden Schreiben der Bezirksregierung Magdeburg gehe eine Vorläufigkeit der Beauftragung nicht hervor. Wolle man dem nicht folgen, so sei sie jedenfalls dadurch endgültig Stelleninhaberin geworden, daß die nur vorläufige Übertragung der Schulleiterfunktion vom beklagten Land unzulässig lange aufrechterhalten worden sei.
Die Klägerin hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, sie
zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Leiterin der Sonderschule
mit Ausgleichsklassen in W zu beschäftigen:
hilfdas beklagte Land zu verurteilen, sie mit Aufgaben zu
beschäftigen, die nach ihrer Wertigkeit der Vergütungsgruppe I b
BAT-O entsprechen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Vorläufigkeit der Übertragung der Schulleiterfunktion sei bis zu deren Widerruf sachlich gerechtfertigt gewesen. Der Widerruf selbst entspreche billigem Ermessen. Die Klägerin sei mangels entsprechender Ausbildung nicht in der Lage, sonderpädagogische Gutachten über die Entwicklung einzelner Schüler zu verfassen. Außerdem habe sie erhebliche Probleme bei der Koordinierung des Schulalltags. Der Einsatz einer pädagogischen Mitarbeiterin als Unterrichtsvertretung im Schuljahr 1995/96 stelle zudem einen Verstoß gegen die Dienstvorschriften dar. Aufgrund ihrer mangelnden pädagogischen und sonderpädagogischen Ausbildung sei die Klägerin nicht in der Lage, eine Sonderschule mit Ausgleichsklassen der Klassenstufen 1 bis 9 zu leiten.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Mit der von diesem gegebenen Begründung läßt sich das Klagebegehren nicht ablehnen. Nach der dienstlichen Beurteilung der Klägerin und dem Entschluß des Landkreises, die Sonderschule W auf neun Jahrgangsstufen zu erweitern, war der sachliche Grund für eine nur vorläufige Bestellung der Klägerin zur Schulleiterin entfallen. Das beklagte Land hat nicht bis zum September 1995 zuwarten dürfen, um das Verfahren zur endgültigen Stellenbesetzung in die Wege zu leiten.
Da nicht feststeht, ob die Schulleiterstelle mittlerweile endgültig besetzt ist und ob die Mitbestimmungsrechte des Personalrats gewahrt sind, kann der Senat über den Beschäftigungsanspruch der Klägerin nicht abschließend entscheiden.
A. Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage zulässig. Der Hilfsantrag ist dagegen unzulässig. Er ist zu unbestimmt. Da die Klägerin auch mit ihm einen Beschäftigungsanspruch geltend macht, muß sie angeben, auf welchem - zumindest allgemein beschriebenen - Arbeitsplatz und mit welchen Aufgaben nach Vergütungsgruppe I b BAT-O sie beschäftigt werden will. Die Antwort auf die Frage, ob sie antragsgemäß beschäftigt wird, kann nicht erst dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden.
B. Ob der Hauptantrag begründet ist, vermag der Senat anhand der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden. Zwar ist die Klägerin auf deren Grundlage als endgültig bestellte Leiterin einer Sonderschule mit Vergütungsgruppe I b BAT-O anzusehen. Ob sie deshalb aber beanspruchen kann, auch tatsächlich als Leiterin der Sonderschule W beschäftigt zu werden, bedarf weiterer Feststellungen.
I. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin im Bewerbungsverfahren schon deshalb nicht berücksichtigt zu werden brauchte, weil sie keine sonderpädagogische Ausbildung besitzt. Ansprüche der Klägerin als Mitbewerberin im Bewerbungsverfahren sind nicht Streitgegenstand. Die Klägerin leitet die Klageansprüche ausschließlich aus den der vorläufigen Stellenübertragung zugrunde liegenden Vorgängen und nicht aus einer Rechtsposition als Stellenbewerberin ab.
II. Die Klägerin ist nicht schon deshalb Leiterin der Sonderschule W , weil sie seit 1987 Leiterin des Kinderheims "Wa " mit der ihm angeschlossenen Schule war. Diese Einrichtung wurde nach dem 3. Oktober 1990 aufgelöst. Heim und Schule wurden getrennt. Die bisherige Einrichtung "Kinderheim Wa " hat damit ihre Identität verloren. Die Stelle einer Leiterin dieser Einrichtung ist untergegangen. Die Klägerin ist weder automatisch Leiterin des von der Schule nunmehr getrennten Kinderheims noch Leiterin der nunmehr eigenständigen Schule oder gar Leiterin beider Einrichtungen geworden. Vielmehr waren die Leitungsfunktionen für die beiden eigenständigen Teileinrichtungen neu zu vergeben.
Die Klägerin besitzt auch ihren bisherigen arbeitsvertraglichen Status als Leiterin nicht mehr. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Vertrag vom 28. Februar 1990 sei "gegenstandslos" geworden und offenbar gemeint, damit sei zugleich der bisherige vertragliche Status der Klägerin als Leiterin der Einrichtung beendet. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Untergang der Leitungsstelle hat die arbeitsvertragliche Stellung der Klägerin als Leiterin der bisherigen Einrichtung nicht automatisch beseitigt. Die Änderung von Schultypen und die Auflösung bestehender Einrichtungen entfalten arbeitsvertraglich keine unmittelbare Wirkung. Dazu bedarf es der Umsetzung mit den Mitteln des Arbeitsrechts (BAG 25. Februar 1998 - 7 AZR 523/96 - juris, unter B I 2 der Gründe). Im Ergebnis ist dem Landesarbeitsgericht dennoch zuzustimmen. Die Parteien haben die von der Trennung von Heim und Schule zunächst unberührt gebliebene arbeitsvertragliche Position der Klägerin anschließend einvernehmlich aufgehoben. Mit Schreiben vom 12. August 1991 erklärte die Klägerin gegenüber dem Arbeitsministerium, sie wolle die Funktion als Schulleiterin an der Sonderschule im Landeskinderheim "Wa " antreten. Damit erlösche ihr Arbeitsverhältnis als Heimleiterin mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und gehe auf das Bildungsministerium über. Die Klägerin verfaßte ihr Schreiben unter dem Betreff "Entlassung als Heimleiterin". Sie hat auf diese Weise den Verzicht auf ihre vertragliche Position als Leiterin der bisherigen Einrichtung angeboten. Das beklagte Land hat ihr Angebot angenommen: Durch sein Arbeitsministerium hat es erklärt, es nehme diese Mitteilung der Klägerin zur Kenntnis und bestätige den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Geblieben ist es beim ursprünglichen Arbeitsverhältnis als Lehrerin und Erzieherin, welches die Parteien ersichtlich nicht auflösen wollten.
III. Auf diese Weise ist nicht zugleich die Stellung der Klägerin als Leiterin der nunmehr eigenständigen Schule vertraglich begründet worden. Ein entsprechendes Angebot hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 12. August 1991 nicht erklärt. Sie teilte dem Arbeitsministerium nur mit, sie wolle die Funktion der Schulleiterin antreten und ging ersichtlich davon aus, daß die Besetzung der Stelle nicht in dessen Zuständigkeit falle. Auch das Arbeitsministerium hat insoweit keine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben.
IV. Entgegen ihrer Ansicht ist die Klägerin auch durch das Schreiben der Bezirksregierung Magdeburg vom 22. August 1991 nicht endgültig, sondern nur vorläufig mit der Schulleitung betraut worden. Dies hat das Arbeitsgericht, dem sich das Landesarbeitsgericht angeschlossen hat, zutreffend angenommen. Es hat ausgeführt, die von der Bezirksregierung gebrauchte sprachliche Wendung "mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragen" bringe im öffentlichen Dienst typischerweise die Absicht zum Ausdruck, nicht schon die betreffende Stelle selbst, sondern nur die mit der Stelle verbundenen Aufgaben übertragen zu wollen.
In der Revisionsinstanz ist die Auslegung typischer Vertragserklärungen durch die Tatsachengerichte uneingeschränkt nachprüfbar (BAGE 4, 354; BAGE 5, 221 und seitdem ständige Rechtsprechung). Das Schreiben der Bezirksregierung stellt eine in diesem Sinne regelhafte und typische rechtsgeschäftliche Erklärung dar.
Die Auslegung des Arbeitsgerichts ist zutreffend. Jemanden "mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragen" bedeutet gerade nicht, ihm die betreffende Stelle als solche zu übertragen und ihn zum Amtsinhaber zu bestellen. Dies wird in der gewählten Formulierung in einer Weise deutlich, daß daran für einen Erklärungsempfänger ernsthafte Zweifel nicht entstehen können. Die Erklärung ist nicht deshalb mehrdeutig, weil ihr der Zusatz fehlt, die Beauftragung erfolge "kommissarisch". Die Klägerin konnte nicht annehmen, die "Beauftragung mit der Wahrnehmung der Geschäfte" des Schulleiters der Sonderschule W sei gleichbedeutend mit der endgültigen Stellenvergabe. Ihr wie jedem Adressaten einer solchen Formulierung mußte erkennbar sein, daß die eigentliche und endgültige Stellenvergabe anders ausgedrückt worden wäre.
V. Der am 12. Dezember 1991 geschlossene Arbeitsvertrag hat an der Vorläufigkeit der Stellenbesetzung nichts geändert. Mit ihm haben die Parteien ihre Rechtsbeziehung nur auf eine neue vertragliche Grundlage - insbesondere unter Einbezug der Regelung des BAT-O - gestellt, ohne daß die Klägerin daraus etwas für ihr Klagebegehren herleiten könnte.
VI. Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens hat die Klägerin die Position einer Sonderschulleiterin deshalb erworben, weil die entsprechende Tätigkeit als ihr auf Dauer übertragen gilt. Für die Vorläufigkeit der Übertragung bestand im Zeitpunkt der Stellenausschreibung kein sachlicher Grund mehr.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die nur vorübergehende Übertragung der Schulleitergeschäfte sei bis zu ihrem Widerruf im Juni 1996 durchgehend sachlich gerechtfertigt gewesen. Das beklagte Land müsse sich darum nicht so behandeln lassen, als ob der Klägerin die Leitungstätigkeit dauerhaft zugewiesen worden wäre. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, für die Sonderschule in W habe nach der Wiedervereinigung zunächst kein dauerhafter Amtsinhaber zur Verfügung gestanden. Auch seien erst im Oktober 1992 Vorschriften über die Besetzung von Schulleiterstellen erlassen worden, in denen das einzuhaltende Verfahren im einzelnen geregelt worden sei. Ferner habe Unklarheit über die Form der Weiterführung der Sonderschule bestanden. Vor allem aber hätten in Folge der Wiedervereinigung alle Lehrkräfte auf ihre persönliche und fachliche Eignung hin überprüft werden müssen. Diese nicht leicht zu bewältigende Aufgabe habe um so mehr Zeit benötigt, je höher die jeweils zu besetzenden Positionen gewesen seien. Bei der Klägerin sei es erst im April 1993 zu einer Überhörung und im Februar 1994 zu der entsprechenden dienstlichen Beurteilung gekommen. Dem seien zwei Stellenausschreibungen gefolgt, in deren Verlauf sich herausgestellt habe, daß der Klägerin die erforderliche sonderpädagogische Ausbildung fehle. Im übrigen ergebe sich aus § 24 BAT-O kein Beförderungsanspruch im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG. Selbst wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit rechtsmißbräuchlich nur vorübergehend zugewiesen habe, sei er allenfalls zur dauerhaften Zahlung der höheren Vergütung verpflichtet. Zahlungsansprüche habe die Klägerin aber nicht geltend gemacht.
2. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Landesarbeitsgericht hat wesentliche Umstände nicht berücksichtigt.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit iSd. § 24 BAT und § 24 BAT-O aufgestellt hat. Die nur vorübergehende Übertragung ist Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers. Sie steht der befristeten Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gleich. Wie diese bedarf sie deshalb eines sachlichen Grundes und darf als arbeitsvertragliches Gestaltungsmittel nicht funktionswidrig verwendet werden. Sie kommt dann in Betracht, wenn die wahrzunehmende Tätigkeit keine Daueraufgabe darstellt, sondern in absehbarer Zukunft wegfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz für einen vorübergehend abwesenden oder einen besser qualifizierten Arbeitnehmer, der in absehbarer Zeit zur Verfügung steht, freihalten will oder wenn er auf Grund sonstiger berechtigter Interessen den Arbeitsplatz noch nicht endgültig besetzen will, zB weil der Arbeitnehmer noch nicht ausreichend qualifiziert ist oder weil zunächst eine Ausschreibung vorgenommen werden soll. Nur unter diesen Voraussetzungen wird ein verständiger und sozial denkender Arbeitgeber eine Tätigkeit lediglich vorübergehend übertragen. Damit fehlt es an einem sachlichen Grund, wenn die betreffende Stelle frei und auf Dauer zu besetzen ist, der Arbeitnehmer ausreichend befähigt ist und berechtigte Interessen des Arbeitgebers einer sofortigen Übertragung der Tätigkeit auf Dauer nicht entgegenstehen (BAG 16. Januar 1991 - 4 AZR 301/90 - BAGE 67, 59). Gibt es für die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit keinen sachlichen Grund oder fällt dieser später weg, liegt eine rechtsmißbräuchliche Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeit nach § 24 Abs. 1 BAT vor. Dies führt dazu, daß die Tätigkeit als auf Dauer übertragen gilt. Eine bestimmte zeitliche Obergrenze für die vorübergehende Übertragung höherwertiger Aufgaben gibt es dabei nicht (BAG 16. Januar 1991 aaO; BAG 10. Februar 1988 - 4 AZR 585/87 - AP BAT § 24 Nr. 15 mwN).
b) Bei der Prüfung des sachlichen Grundes und des Rechtsmißbrauchs haben die Tatsacheninstanzen einen Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin überprüfbar, ob sie den betreffenden Rechtsbegriff verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen haben (BAG 16. Januar 1991 aaO mwN). Auch einer solchen eingeschränkten Überprüfung hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
aa) Anfänglich war die nur vorübergehende Übertragung der Schulleiterstelle auf die Klägerin allerdings sachlich gerechtfertigt. Es stand nach dem Übergang der Sonderschule W in die Trägerschaft des Landkreises zunächst nicht fest, in welcher Form sie weitergeführt werden sollte, ob als Schule mit vier oder mit neun Jahrgangsstufen. Zudem waren nach der Wiedervereinigung in den neu entstandenen Bundesländern sämtliche Lehrkräfte auf ihre persönliche und fachliche Eignung hin zu überprüfen. Daß dies geraumer Zeit bedurfte, steht außer Frage. Angesichts dessen hat der Senat im Regelungsbereich des § 24 BAT und § 24 BAT-O für den Schuldienst einen Zeitraum von zwei oder drei Schuljahren nicht von vornherein als geeignet angesehen, den sachlichen Grund für eine bloß vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit in Frage zu stellen (BAG 16. September 1998 - 5 AZR 183/97 - AP BAT-O § 24 Nr. 2; BAG 17. Dezember 1997 - 5 AZR 332/96 - BAGE 87, 311; BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51). Für den Streitfall bedeutet dies, daß sich Bedenken gegen die sachliche Berechtigung der vorläufigen Beauftragung der Klägerin bis Mitte 1994 nicht ergeben. Selbst mit Blick auf den erheblichen Zeitraum, den der Schulträger benötigte, um sich im Schuljahr 1993/94 für die endgültige Form der Weiterführung der Schule mit neun Klassen zu entscheiden, und den die Schulverwaltung benötigte, um die Eignung und Befähigung der Klägerin als Schulleiterin im April 1993 zu überprüfen und darüber im Februar 1994 die entsprechende Beurteilung zu verfassen, erweist sich die vorläufige Stellenbesetzung nicht als funktionswidrig.
bb) Das gilt jedoch für die anschließende Zeit bis zur Ausschreibung der Schulleiterstelle im Ministerialblatt Ende September 1995 nicht mehr. Zwar ist die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Stelle zum Zweck der Durchführung eines Bewerbungsverfahrens und der endgültigen Entscheidungsfindung der Einstellungsbehörde grundsätzlich durch § 24 BAT-O gedeckt. Das beklagte Land hat aber das Bewerbungsverfahren nicht erst im September 1995 in Gang setzen dürfen. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bereits über vier Jahre kommissarische Schulleiterin. Den zur Entscheidung über eine endgültige Besetzung berufenen Stellen waren seit rund 15 Monaten alle notwendigen Angaben über die Person der Klägerin und die Schule bekannt. Die nur vorläufige Übertragung höherwertiger Tätigkeiten für einen Zeitraum von mehr als vier Jahren ist auch unter den erwähnten Bedingungen in den neuen Bundesländern durch § 24 BAT-O regelmäßig nicht mehr gedeckt (BAG 16. September 1998 aaO). Das beklagte Land hat nichts dafür vorgetragen, was im Streitfall eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnte. Es ist nicht ersichtlich, warum es nicht entweder zu einer sofortigen Entscheidung über die endgültige Stellenbesetzung - positiv oder negativ - oder zumindest zu einer sofortigen Einleitung des Bewerbungsverfahrens in der Lage war. Ohnehin ist unklar, warum ein Bewerbungsverfahren nicht schon eher und parallel zur Beurteilung der Klägerin eingeleitet wurde, um damit die Dauer einer nur kommissarischen Aufgabenübertragung auf das Notwendige zu beschränken; seit Oktober 1992 waren die erforderlichen Vorschriften erlassen.
Damit war auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens die Fortdauer der nur vorübergehenden Übertragung der Schulleiterfunktion auf die Klägerin schon bei Beginn der ersten Ausschreibung nicht mehr sachlich gerechtfertigt. Die vorübergehende Übertragung galt spätestens zu dieser Zeit als durch eine endgültige Übertragung ersetzt. Die Klägerin besaß bei Widerruf ihrer kommissarischen Beauftragung im Juni 1996 materiell-rechtlich die Stellung einer endgültig beauftragten Leiterin einer Sonderschule. Durch bloßen Widerruf vermochte das beklagte Land ihr diese Position nicht mehr zu entziehen.
VII. Die Klägerin hat den Klageantrag nicht auf die Feststellung dieses rechtlichen Status beschränkt, sondern einen Beschäftigungsantrag gestellt. Dieser Antrag ist nur begründet, wenn sie als Leiterin der Sonderschule W auch tatsächlich beschäftigt werden kann.
1. Das ist nur möglich, wenn die Schulleiterstelle nicht bereits endgültig besetzt ist. Zum Einstellungsanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, daß dieser das Vorhandensein einer besetzungsfähigen und haushaltsrechtlich abgesicherten Stelle voraussetzt (BAG 9. November 1994 - 7 AZR 19/94 - BAGE 78, 244). Auch für die arbeitsrechtliche Konkurrentenklage eines Mitbewerbers um die Übertragung eines Beförderungsamts hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, daß sie sich erledige, wenn das Amt endgültig auf einen anderen Bewerber - und sei es unter Verletzung des Grundsatzes der Bestenauslese - übertragen worden sei (BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 668/96 - BAGE 87, 171). Das gleiche gilt im Streitfall. Die Beschäftigung als Leiterin der Sonderschule W scheidet für die Klägerin aus, wenn die Stelle endgültig vergeben ist. Dies wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben.
2. Ist die Schulleiterstelle noch nicht besetzt, hängt die Begründetheit des Beschäftigungsanspruchs ferner davon ab, ob die personalvertretungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Tätigkeitsaufnahme gegeben sind. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA hat der Personalrat bei Angestellten und Arbeitern mitzubestimmen bei der "Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit; Höhergruppierung". Gemäß § 97 PersVG LSA gilt für die Personalräte an öffentlichen Schulen nichts anderes. Die Ausnahme des § 68 PersVG LSA für Stellen, die
bei Angestellten der Besoldungsgruppe ab A 16 für Beamte vergleichbar sind, greift nicht ein. Die angestrebte Stelle ist mit Vergütungsgruppe I b BAT-O vergütet, dies entspricht der Besoldungsgruppe A 14. Auch zur personalvertretungsrechtlichen Situation wird das Landesarbeitsgericht ggf. Feststellungen zu treffen haben. Griebeling
Müller-GKreft Heel
Rolf Steinmann
Fundstellen