Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Sozialplanabfindung. tarifliche Unkündbarkeit. Nichteinhaltung. fiktive Kündigungsfrist. Betriebsänderung. fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund. teleologische Reduktion
Orientierungssatz
1. Sieht eine Betriebsvereinbarung iVm dem Sozialplan eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit des tariflich unkündbaren Arbeitnehmers nur bei Zahlung einer Abfindung vor, ist zunächst nach § 117 Abs 1 S 4 AFG bzw § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 von einer Kündigungsfrist von 12 Monaten auszugehen.
2. Diese Kündigungsfrist ist im Wege der teleologischen Reduktion auf die Dauer der für den Arbeitgeber maßgeblichen ordentlichen Kündigungsfrist zu vermindern, wenn zugleich die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund (§ 117 Abs 2 S 3 Nr 2 Alt 2 AFG bzw § 143a Abs 1 S 3 Nr 2 Alt 2 SGB 3) vorgelegen haben (vgl BSG vom 29.1.2001 - B 7 AL 62/99 R = BSGE 87, 250 = SozR 3-4100 § 117 AFG Nr 22).
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.04.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 01.10.1998 bis 24.11.1998 ruht.
Der 1938 geborene Kläger war vom 27.06.1979 bis 30.09.1998 als Montierer bei der Fa. A. Hausgeräte GmbH (im Folgenden: Fa. A.) beschäftigt. Die Kündigungsfrist betrug sechs Monate zum Schluss eines Kalendermonats (§ 8 Ziffer 2 II des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bayer. Metall- und Elektroindustrie vom 01.12.1973 i.d.F. vom 01.11.1997 - im Folgenden: MTV). Er war allerdings aufgrund seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit nur noch aus wichtigem Grund kündbar (§ 8 Ziffer 2 III MTV).
Das Arbeitsverhältnis kündigte die Fa. A. mit Schreiben vom 27.02.1998 aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.09.1998. Die tarifliche Alterssicherung sei durch die Betriebsvereinbarung vom 16.02.1998, die zugleich Interessenausgleich, Sozialplan und Tarifvertrag sei, außer Kraft gesetzt. Der ordnungsgemäß angehörte Betriebsrat habe der Kündigung zugestimmt. Mit Schreiben vom 06.05.1998 teilte die Fa. A. dem Kläger mit, ihm stehe aufgrund des Sozialplanes eine Einmalzahlung als Abfindung zu. Eine gegen diese Kündigung erhobene Klage nahm der Kläger zurück. Im Rahmen des Abwicklungsvertrages vom 30.09.1998 sollte er eine Abfindung in Höhe von 20.700,00 DM brutto sowie ein vorzeitiges Ruhegeld von monatlich 195,46 DM ab 01.10.1998 erhalten.
Zum 01.10.1998 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Dieses wurde ihm ab 25.11.1998 gezahlt (Bescheid vom 31.03.1999). Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.12.1998 erklärte die Beklagte das Ruhen des Anspruches auf Alg vom 01.10.1998 bis 22.11.1998. Wegen des Ausschlusses einer ordentlichen Kündigung sei eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten anzunehmen, so dass durch die Anrechnung der Abfindung gemäß § 117 Abs 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung vom 01.08.1996 (§ 242x Abs 3 AFG iVm § 427 Abs 6 Drittes Buch Sozialgesetzbuch -SGB III-) der Anspruch auf Alg vom 01.10.1998 bis 22.11.1998 ruhe.
Den Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, seine Unkündbarkeit gelte gemäß § 8 Ziffer 2 III MTV nicht bei Zustimmung durch die Tarifvertragsparteien. Mit zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordenem Bescheid vom 25.03.1999 erklärte die Beklagte, die Abfindung betrage unter Berücksichtigung des vom Arbeitgeber gezahlten Ruhegeldes insgesamt 21.670,32 DM, so dass der Anspruch auf Alg bis 24.11.1998 ruhe. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, am Standort N. , an dem er gearbeitet habe, seien 300 Arbeitsplätze abgebaut worden und sein Name sei auf einer Namensliste gemäß § 1 Abs 5 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in der vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 anwendbaren Fassung gestanden. Eine Betriebsänderung stelle einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern dar. Liege ein solcher wichtiger Grund aber vor, so sei die fiktive Kündigungsfrist gemäß § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auf die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist zu begrenzen. Diese sei bei der Kündigung zum 30.09.1998 eingehalten worden.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 30.04.2002 verurteilt, Alg bereits ab 01.10.1998 zu gewähren. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG vor, so dass die fiktive Kündigungsfrist ein Jahr betrage. Diese Frist sei jedoch auf die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist zu reduzieren, wenn - ohne Vorhandensein eines Sozialplanes - eine außerordentliche fristgebund...