Reinhard Bleiber, Hans-Peter Stiemer
Zusammenfassung
Aufgabe des Beschaffungscontrollings ist es, die Effektivität und Effizienz des Funktionsbereichs Einkauf/Beschaffung sicherzustellen bzw. zu verbessern. Dabei sind zwei Ansätze zu unterscheiden: Die Effizienzverbesserung des Einkaufsbereichs an sich, z.B. durch Vereinfachung, Verschlankung oder Automatisierung von Prozessen. Die Senkung der Materialkosten an sich durch Preissenkungen, Rabattsysteme, Lieferantenwechsel etc.
Das Beschaffungscontrolling bietet dazu, über das herkömmliche Controllinginstrumentarium hinaus, spezielle Analyse- und Planungswerkzeuge, um die Wirtschaftlichkeit und Liquidität des Unternehmens langfristig sicherzustellen. Neben den Personalkosten sind die Materialkosten mit einem Anteil von durchschnittlich 50 % an der Gesamtleistung der größte Kostenblock in Produktionsunternehmen, von Handelsbetrieben ganz zu schweigen. Nur in Kostenblöcken dieser Größenordnung steckt genügend Manövriermasse, um eine nennenswerte Senkung der Gesamtkosten zu erzielen.
1 Entstehungsursachen
Das klassische Controlling allein ist mit seinen Hilfsmitteln aus dem Finanz- und Rechnungswesen nicht in der Lage, Antworten auf spezielle Fragestellungen aus dem Materialwirtschaftsbereich zu liefern. Dadurch ergibt sich in vielen Unternehmen die Notwendigkeit, ein auf die materialwirtschaftlichen Belange zugeschnittenes Controllinginstrumentarium zu entwickeln.
Vorreiter waren auch hier Großunternehmen. Aber auch in Klein- und Mittelbetrieben ist der Einsatz der praxisbewährten Instrumente des Beschaffungscontrolling mit vertretbarem Aufwand zu erreichen.
Aufgaben und Funktionen
- Analyse und Weitergabe von relevanten Beschaffungsmarktinfos an den Einkauf (retrograde Kalkulation zur Preisobergrenzenermittlung, Make-or-buy-Analysen),
- Materialstrukturanalysen (ABC-, XYZ-, Wertanalyse),
- Steuerung/Überwachung sämtlicher Aktivitäten der Abteilung Beschaffung/Einkauf (optimale Bestellmengen ...),
- Sicherung der Liquidität durch Streuung der Beschaffungs- und Zahlungstermine,
- Laufende Überprüfung der Beschaffungsorganisation,
- Analyse von beschaffungsbedingten Betriebsunterbrechungen,
- Lieferantenauswahl
- Lieferantenstrukturanalysen,
- Koordination der Fertigungs-, Verkaufs- und Einkaufsziele.
2 Operative Instrumente
Im operativen Bereich lassen sich folgende Werkzeuge des Beschaffungscontrolling anwenden:
- Mehrdimensionales Lieferantenauswahlverfahren (Nutzwertanalyse),
- ABC-Analyse,
- Retrograde Kalkulation,
- Kennzahlen,
- Verfahrenswahlrechnung,
- ABC-Dispo-Verfahren,
- Preisbewertung,
- Preisentwicklungsanalysen.
2.1 Mehrdimensionales Lieferantenauswahlverfahren (Nutzwertanalyse)
Dieses wird zur Planung und Analyse der Lieferantenstruktur eingesetzt, indem man die unterschiedlichen Lieferantenbewertungskriterien (Qualität, Lieferzuverlässigkeit, Kulanz,......) mit Hilfe einer Nutzwertanalyse (Punktebewertungsskala) auf eine objektive Entscheidungsgrundlage stellt. Über die traditionelle Nutzwertanalyse hinaus werden die Lieferanten in ihrer Leistungsfähigkeit bewertet. Mit Hilfe dieses sehr aussagefähigen Verfahrens kann die Lieferantenauswahl optimaler und weitestgehend vorurteilsfrei gesteuert werden.
Beispiel einer Lieferantenanalyse nach dem Nutzwertverfahren
Beurteilungskriterien |
Rangfolge |
Soll |
Lieferant 1 |
Lieferant 2 |
Lieferant 3 |
|
|
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Qualitätserfüllung |
5 |
10 |
50 |
8 |
40 |
7 |
35 |
7 |
35 |
Lieferzeit |
4 |
10 |
40 |
6 |
24 |
7 |
28 |
4 |
16 |
Praxis |
3 |
10 |
30 |
7 |
21 |
5 |
15 |
8 |
24 |
Lieferservice |
2 |
10 |
20 |
9 |
18 |
9 |
18 |
7 |
14 |
Verk.politik |
1 |
10 |
10 |
7 |
7 |
5 |
5 |
9 |
9 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
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|
|
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|
|
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|
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|
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|
|
|
|
|
|
|
|
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|
|
|
|
|
|
Summen |
xxxxxxxx |
xxxxxx |
150 |
xxxxxx |
110 |
xxxxxx |
101 |
xxxxxx |
98 |
Entscheidung: Lieferant 1 → Lieferant 2 → Lieferant 3
Diese Entscheidung beruht allein auf Erfahrungswerten aus den bisherigen Lieferungen. Diese können auch automatisch mit Hilfe moderner ERP-Systeme ermittelt werden. Für eine langfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit muss der Lieferant auch seine Leistungsfähigkeit am Markt beweisen:
- Die Größe des Unternehmens, seine Finanzkraft und seine Stellung am Markt sind ausschlaggebend für die Fähigkeit des Lieferanten, auch auf dramatische Marktentwicklungen zu reagieren und damit das Unternehmen als Kunden mitzunehmen.
- Kompetente Lieferanten sind mehr als nur Händler oder Hersteller allgemein nachgefragter Produkte. Sie entwickeln ihr Angebot weiter, idealerweise mit den Kunden. Davon kann auch das Unternehmen profitieren.
- In der Nahrungsmittelindustrie, der pharmazeutischen Industrie und ähnlichen Branchen wird die Vorlage von Zertifikaten immer wichtiger. Die Unternehmen auditieren ihre Lieferanten. Nur wer die Audits besteht, wird auch als Lieferant akzeptiert.
Lieferantenanalyse nach dem Nutzwertverfahren verbunden mit Analyse der Leistungsfähigkeit
Beurteilungskriterien |
Rangfolge |
Soll |
Lieferant 1 |
Lieferant 2 |
Lieferant 3 |
|
|
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Bewertg. |
Verknüpfg. |
Qualitätserfüllung |
5 |
10 |
50 |
8 |
40 |
7 |
35 |
7 |
35 |
Lieferzeit |
4 |
10 |
40 |
6 |
24 |
7 |
28 |
4 |
16 |
Praxis |
3 |
10 |
30 |
7 |
21 |
5 |
15 |
8 |
24 |
Lieferservice |
2 |
10 |
20 |
9 |
18 |
9 |
18 |
7 |
14 |
Verk.politik |
1 |
10 |
10 |
7 |
7 |
5 |
5 |
9 |
9 |