Entscheidungsstichwort (Thema)
Würdigung eines Zwischenmietverhältnisses
Leitsatz (NV)
Die Zwischenvermietung einer Wohnung, die nicht durch beachtliche (bewiesene) Gründe gerechtfertigt ist, umgeht die im Umsatzsteuerrecht für die Vermietung von Wohnraum getroffene Regelung der Steuerbefreiung der Mietumsätze mit Vorsteuerausschluß und ist der Besteuerung nicht zugrunde zu legen.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12a, §§ 9, 15 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 42
Tatbestand
1. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) - in Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundene Ehegatten - errichteten im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft in . . . , . . .-Straße die Eigentumswohnung (ETW) Nr. . . . Sie vermieteten die im September 1984 bezugsfertige ETW im Mai 1983 an die . . .-GmbH (X-GmbH) für monatlich 1250 DM, diese vermietete die Wohnung für eine Monatsmiete von 1024 DM an einen Endmieter. Die Antragsteller verzichteten auf die Steuerbefreiung für die Mietumsätze an die X-GmbH (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980) sowie auf die Nichterhebung von Umsatzsteuer (§ 19 Abs. 1, 2 UStG). Sie zogen aus Rechnungen über Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der Wohnung berechnete Umsatzsteuer (von . . . DM für 1983 und von . . . DM für 1984) als Vorsteuerbeträge ab. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die bezeichneten Vorsteuerbeträge zunächst und setzte eine negative Umsatzsteuer für 1983 und für 1984 fest.
Durch die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide vom 8. Dezember 1988 änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), nachdem über das Vermögen der X-GmbH das Konkursverfahren eröffnet und bei einer Steuerfahndungsprüfung ermittelt worden war, daß die Initiatoren des Bauherrenmodells überwiegend die wirtschaftlichen Risiken getragen und der X-GmbH von 1980 bis 1984 Stützungszahlungen von . . . DM geleistet hatten. Das FA beurteilte das Zwischenmietverhältnis nunmehr als Mißbrauch von Gestaltungen des Rechts (§ 42 Satz 1 AO 1977) und erkannte es umsatzsteuerrechtlich nicht an.
Über die gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide 1983 und 1984 gerichtete Klage ist noch nicht entschieden worden. Einem vom FA abgelehnten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab das Finanzgericht (FG) durch den angefochtenen Beschluß statt. Zur Begründung führte das FG u. a. aus, es sei rechtlich ernstlich zweifelhaft, ob das FA das Zwischenmietverhältnis als Gestaltungsmißbrauch habe beurteilen dürfen. Zweifelhaft sei insbesondere, ob die Beweislast für den Mißbrauch i. S. von § 42 AO 1977 auf den Steuerpflichtigen verschoben werden dürfe; denn auch die Voraussetzungen für eine tatsächliche Vermutung oder einen Anscheinsbeweis seien nicht gegeben. Die Eingehung einer rechtlichen Bindung gegenüber einem Zwischenvermieter bei Abschluß des Bauherrenvertrages entspreche dem Sicherungsbedürfnis des Eigentümers. Ein Mißbrauch i. S. von § 42 AO 1977 könne im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erst angenommen werden, wenn der Eigentümer eine unangemessene Gestaltung gekannt, gewählt oder ausgenutzt habe.
Mit der Beschwerde rügt das FA Abweichung der Entscheidungen des FG von Entscheidungen des BFH in vergleichbaren Fällen (z. B. von den Beschlüssen vom 18. Juni 1990 V B 21/90, BFH/NV 1991, 422; V B 22/90, BFH/NV 1991, 421).
Die Antragsteller führen u. a. aus, die ständige Rechtsprechung des BFH zur Zwischenvermietung verletze sie - die Antragsteller - in ihrem Grundrecht gemäß Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Änderungen der Steuerfestsetzungen für 1983 und 1984 nach § 164 Abs. 2 AO 1977 verstießen gegen Treu und Glauben und gegen § 176 AO 1977.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1983 und 1984.
a) Entgegen der Auffassung des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) daran, daß die Antragsteller die anläßlich der Errichtung ihrer Eigentumswohnung angefallenen Umsatzsteuerbeträge nicht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Vorsteuerbeträge abziehen können. Ihrem Begehren steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung der Wohnung durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG). Die im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Rechts- und Tatfragen ergibt keine ernstlichen Zweifel, daß die Einschaltung der X-GmbH als Zwischenvermieter rechtsmißbräuchlich (§ 42 Satz 1 AO 1977) war, so daß für die erstmalige Verwendung der Wohnung (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) die Nutzung durch den jeweiligen Endmieter zu beurteilen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats, an der er nach Überprüfung festhält, ist der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i. S. von § 42 Satz 1 AO 1977 erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters, d. h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das UStG geht bei der Besteuerung von Wohnraum davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756).
Dies geschieht durch die Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken. Dabei vermietet der Wohnungsinhaber die Wohnung selbst oder mit Hilfe eines Vertreters (Hausverwalter) an den Wohnungs(end)mieter. Die Vermietungsleistung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), schließt aber den Vorsteuerabzug aus (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolgen vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer-Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen. Der bisherigen Rechtsprechung des Senats, von der abzugehen kein Anlaß besteht, ist zu entnehmen, daß es für die Annahme einer angemessenen Gestaltung nicht ausreicht, die Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter zu vermieten, sofern nicht bewiesen worden ist, daß die Wohnung nicht zumutbar - sei es auch unter Mithilfe eines Hausverwalters - an den (jeweiligen) Wohnungs(end)mieter vermietbar war.
Ob der Eigentümer-Vermieter verständliche Gründe für eine von der gesetzlichen Wertung abweichende, für ihn günstige Gestaltung des Mietverhältnisses durch Zwischenvermietung hatte, ist zunächst vom FA (§§ 85, 88, 89 AO 1977) unter Heranziehung des Steuerpflichtigen (§ 90 AO 1977) aufzuklären. Der Steuerpflichtige hat im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977) Tatsachen substantiiert darzulegen, die ihn zu einer abweichenden Vereinbarung des Rechtsverhältnisses gegenüber der vom Gesetzgeber vorausgesetzten üblichen Gestaltung der Wohnungsvermietung veranlaßt haben. Er muß bei Zweifeln über die Richtigkeit seines Tatsachenvortrags auch Beweismittel dafür angeben (vgl. zur Darlegung von Mietausfallbefürchtungen BFH-Beschluß vom 11. Februar 1991 V B 175/89, BFH/NV 1991, 710). Ergibt sich durch Beweiswürdigung dieser Tatsachen, daß die von dem Steuerpflichtigen angegebenen Gründe nicht vorgelegen haben, kann aufgrund des ohne diese Tatsachen verwirklichten Sachverhalts entschieden werden. Ergibt sich, daß sich Zweifel nicht beseitigen lassen, ob sich die dargelegten Tatsachen ereignet haben, ist nach den Grundsätzen über die Feststellungslast zu entscheiden (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45; zur Feststellungslast vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562). Aufgrund des dann als erwiesen festgestellten Sachverhalts ist zu beurteilen, welche tatsächlichen Umstände den Steuerpflichtigen bewogen haben, die Wohnungsvermietung abweichend durch Zwischenvermietung zu gestalten. Die anschließende rechtliche Beurteilung des auf diese Weise aufgeklärten Sachverhalts entscheidet darüber, ob nach den ermittelten Umständen eine Abweichung von der dem Gesetzesplan zugrundeliegenden üblichen Gestaltung zu beachten ist (vgl. dazu auch Fischer in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 42 AO 1977 Rdnr. 119) oder ob eine Umgehung vorliegt (§ 42 Satz 1 AO 1977).
Eine Zwischenvermietung der Wohnung, die nicht durch beachtliche (bewiesene) Gründe gerechtfertigt ist, umgeht die gesetzliche Regelung (§ 42 Satz 1 AO 1977) und ist der Besteuerung nicht zugrunde zu legen (§ 42 Satz 2 AO 1977). In den dem Senat bisher bekannten Zwischenvermietungsfällen sind die maßgebenden Gründe entweder widerlegt (z. B. Arbeitsersparnis, insbesondere bei der Vermietung nur einer Wohnung), nicht bewiesen (z. B. Erstvermietungsrisiken, wenn keine erfolglosen Vermietungsbemühungen nachgewiesen worden sind) oder die festgestellten Gründe für eine abweichende Gestaltung erweisen sich nicht als so gewichtig, daß eine Abweichung von der üblichen Gestaltung verständlich wird.
Dies gilt auch für den Streitfall, in dem für die Zwischenvermietung einer Wohnung Arbeitsersparnis angegeben worden ist, erfolglose eigene konkrete Vermietungshandlungen nicht bewiesen worden sind und die Zwischenvermietung letztlich nur als ,,die günstige Lösung" (Schreiben des Antragstellers vom 24. Januar 1991) bezeichnet worden ist. Selbst eine Zwischenvermietung zu einem über dem Marktzins liegenden Mietzins ist unbeachtlich, solange nicht nachgewiesen worden ist, daß Vermietungsbemühungen für eine vergleichbare Vermietung an einen Wohnungsendmieter nicht unternommen worden sind.
b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen bestehen auch nicht, soweit die Antragsteller in der Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzungen einen Verstoß gegen Treu und Glauben sehen. Der den ursprünglichen Steuerfestsetzungen beigefügte Vorbehalt der Nachprüfung verhindert grundsätzlich den für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestand (vgl. BFH-Urteile vom 22. Dezember 1987 IX R 149/84, BFH/NV 1988, 497, 498; vom 11. Dezember 1986 IV R 334/84, BFH/NV 1987, 312).
c) Da eine Verletzung von § 176 Abs. 2 AO 1977 durch die angefochtenen Steuerbescheide nicht ersichtlich ist (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 20. März 1990 V B 123/89, BFH/NV 1991, 127, 129), ist die Aussetzung der Vollziehung auch insoweit nicht gerechtfertigt.
Fundstellen