Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge; Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
1. Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen.
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nicht dazu, sich den Ausführungen eines Beteiligten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anzuschließen.
3. Mit dem Vorbringen, der BFH hätte die Sache dem EuGH vorlegen müssen, wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargelegt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 133a
Tatbestand
I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) wendet sich mit einer Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen den Beschluss vom 13. März 2009 II B 84/08, mit dem der Bundesfinanzhof (BFH) die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. März 2008 5 K 1742/07 als unbegründet zurückgewiesen hat. Er macht die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie "sonstige schwerwiegende formelle und/oder materielle Mängel" geltend. Er meint insbesondere, der BFH habe die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit in Art. 49 und 50 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) fehlerhaft ausgelegt, statt eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art. 234 EGVtr einzuholen.
Entscheidungsgründe
II. Die Anhörungsrüge ist unzulässig und war daher zu verwerfen (§ 133a Abs. 4 Satz 1 FGO).
1. Der Kläger hat die Voraussetzungen, unter denen eine Anhörungsrüge zulässig ist, nicht in der gesetzlich geforderten Weise dargelegt (§ 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 5 FGO).
a) Mit dem außerordentlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge kann gemäß § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO nur vorgebracht werden, das Gericht --im Streitfall der beschließende Senat-- habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verstoßen.
b) Der Kläger hat nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der BFH durch den Beschluss vom 13. März 2009 II B 84/08 seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe.
aa) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt vom Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005 VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614; vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614, und vom 3. März 2006 V S 1/06, BFH/NV 2006, 1314).
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht demgegenüber nicht dazu, sich den Ausführungen eines Beteiligten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht anzuschließen (BFH-Beschlüsse vom 11. November 2005 II B 11/05, BFH/NV 2006, 254; vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35; vom 26. November 2007 VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397, und vom 3. Dezember 2007 II S 11/07, BFH/NV 2008, 529).
bb) Der Begründung der Anhörungsrüge lässt sich ein so verstandener Verstoß gegen das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht entnehmen. Der Kläger macht vielmehr der Sache nach geltend, der BFH habe in der Sache fehlerhaft entschieden und die Revision unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Fragestellung zulassen müssen. Mit diesem Vorbringen kann der Kläger im Rahmen des § 133a FGO nicht gehört werden. Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen (BFH-Beschlüsse in BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; vom 30. September 2005 V S 12, 13/05, BFHE 211, 6, BStBl II 2006, 75, und in BFH/NV 2006, 1314). Mit der Anhörungsrüge kann auch eine Begründungsergänzung nicht herbeigeführt werden (BFH-Beschluss in BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614).
Die mit der Anhörungsrüge vorgetragenen umfangreichen Ausführungen zum Gemeinschaftsrecht konnte der BFH bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb nicht berücksichtigen, weil sie in der Beschwerdebegründung noch nicht enthalten waren.
Mit dem Vorbringen, der BFH hätte die Sache dem EuGH vorlegen müssen, wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht schlüssig dargelegt (BFH-Beschlüsse vom 25. April 2007 VII S 8/07 u.a., BFH/NV 2007, 1347, und vom 19. November 2008 VIII S 29/08, BFH/NV 2009, 403).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004, BGBl I 2004, 3220, Teil 6 Gebühr Nr. 6400).
Fundstellen