Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung trotz Berufung auf die Stellung als "Strohmann"
Leitsatz (NV)
1. Ein GmbH-Geschäftsführer verletzt zumindest grob fahrlässig die ihm auferlegten Pflichten, wenn er in Kenntnis des steuerunehrlichen Verhaltens eines anderen die Führung der Geschäfte durch diesen duldet.
2. Da sich die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer ergibt, kann er sich zur Entschuldigung nicht darauf berufen, als Strohmann mißbraucht worden zu sein und aufgrund eines Treuhandvertrages keinerlei Handlungsmöglichkeiten gehabt zu haben.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, §§ 69, 191 Abs. 1; FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114; EStG § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der nicht mehr bestehenden X-GmbH (GmbH). Am Tag der Gründung der GmbH hat der Antragsteller mit dem Kaufmann K einen notariell beurkundeten Treuhandvertrag geschlossen, in dem festgelegt wurde, daß der Antragsteller bei der Gründung und bei dem Halten des Geschäftsanteils nach außen in eigenem Namen, im Innenverhältnis aber als Treuhänder des Kaufmanns K auf dessen Gefahr und für dessen Rechnung handeln sollte. Des weiteren wurde der Antragsteller verpflichtet, die ihm als Gesellschafter nach außen zustehenden Rechte, insbesondere das Stimmrecht aus der Beteiligung, nur gemäß der Weisung des Kaufmanns K auszuüben. Auf der Grundlage der Ergebnisse einer Steuerfahndungsprüfung, bei der festgestellt wurde, daß die GmbH Schwarzarbeiter beschäftigte, nahm der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) den Antragsteller für nicht abgeführte Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie Säumniszuschlägen mit Haftungsbescheid vom 22. Juni 1990 nach den §§ 34, 69 i. V. m. § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch. Daneben erging auch ein Haftungsbescheid an den Kaufmann K als den tatsächlich Verfügungsberechtigten i. S. von § 35 AO 1977. Gegen beide Haftungsschuldner wurde ein Strafverfahren eingeleitet, das dazu führte, daß der Antragsteller und der Kaufmann K durch Strafurteil des Landgerichts wegen gemeinschaftlicher fortgesetzter Steuerhinterziehung verurteilt wurden. Die Revision gegen das Strafurteil hatte keinen Erfolg.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Antragsteller gegen den Haftungsbescheid Anfechtungsklage und beantragte, ihm für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Zur Begründung seiner Klage und des Antrags auf Gewährung von PKH trägt der Antragsteller vor, er habe ausweislich des Treuhandvertrages keine Geschäftsführerstellung innegehabt. Vielmehr sei er als Strohmann eingesetzt worden. Die typischen kaufmännischen Tätigkeiten, wie die Buchhaltung, Lohnabrechnung und Finanzbuchhaltung, seien ausschließlich vom tatsächlichen Geschäftsführer -- dem Kaufmann K -- ausgeübt worden. Lediglich "auf dem Papier" habe er sich bereit erklärt, die Funktion eines Geschäftsführers zu übernehmen. Selbst wenn er von den steuerlichen Pflichten Kenntnis gehabt hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, die erforderlichen Handlungen vorzunehmen oder Anordnungen zu treffen, um der Steuerpflicht nachzukommen. Aus diesem Grund könne ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden.
Das FG hat den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.
Seine Beschwerde gegen die Versagung der PKH begründet der Antragsteller mit seiner Stellung als Strohmann und den daraus resultierenden mangelnden Haftungsmöglichkeiten. Darüber hinaus trägt er vor, die Feststellung des FG sei falsch, er habe im Zuge des Strafverfahrens gestanden, an der Steuerhinterziehung mitgewirkt zu haben. Von einer Mitwirkung könne mangels ausreichender Handlungsmöglichkeit nicht ausgegangen werden.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, § 114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Das FG hat den Antrag auf Gewährung von PKH zu Recht abgelehnt.
Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für einen Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 2. Juni 1987 VII B 20/87, BFH/NV 1988, 261). Der Senat ist der Auffassung, daß diese Voraussetzungen nicht gegeben sind.
1. Die Schlußfolgerungen des FG, der Antragsteller habe seine Pflichten als Geschäftsführer grob fahrlässig verletzt und infolgedessen den Haftungstatbestand des § 69 i. V. m. § 34 AO 1977 erfüllt, sind bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.
a) Als alleiniger Geschäftsführer war der Antragsteller gemäß § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) i. V. m. § 41 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dazu verpflichtet, die streitbefangene Lohnsteuer und Kirchensteuer bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums (Kalendermonat) an das FA abzuführen. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen. Ausweislich des Strafurteils erfolgte die Auszahlung der Löhne an die von der GmbH beschäftigten Arbeitnehmer in den meisten Fällen durch den Antragsteller selbst, wobei zwischen ihm und dem Kaufmann K einerseits und den Schwarzarbeitern andererseits Einvernehmen herrschte, daß es sich um einen Schwarzlohn handelte und weder die GmbH noch die Arbeitnehmer die Lohnsteuer und Kirchensteuer entrichteten. Gegen diese Feststellungen hat der Antragsteller in der Beschwerdebegründung keine Einwendungen erhoben, sondern bestätigt, daß ihm die Beschäftigung von Schwarzarbeitern bekannt war und er davon ausgegangen ist, daß für diese keine Steuern abgeführt wurden. Der Antragsteller hatte somit von den konkreten Umständen Kenntnis, die seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer begründeten.
Er kann nicht damit gehört werden, sich aufgrund der Treuhandvereinbarung zur persönlichen Erfüllung dieser Pflichten nicht verantwortlich gefühlt zu haben. Zutreffend hat das FG festgestellt, daß der Treuhandvertrag seine Bestellung zum Geschäftsführer und seine Pflichten aus § 35 Abs. 1 GmbHG nicht aufgehoben hat. Insbesondere lag der Bestellung des Antragstellers zum Geschäftsführer kein Scheingeschäft i. S. von § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zugrunde, denn sie erfolgte gerade zu dem Zweck, der GmbH im Rechtsverkehr Handlungsfähigkeit zu verleihen. Daß die Bestellung weitgehend oder in erster Linie zur Täuschung Dritter vorgenommen wurde, reicht für die Annahme eines Scheingeschäftes nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 2. Juli 1987 VII R 104/84, BFH/NV 1988, 6, m. w. N.).
Sollte der Antragsteller ohne nähere Prüfung von einer anderen Rechtslage ausgegangen sein, ist ihm vorzuwerfen, die ihm nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten als Industriekaufmann zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen zu haben, denn es gehört zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, sich mit den handelsrechtlichen und steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung dieser Tätigkeit gestellt werden, vertraut zu machen. Die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften -- auch steuerlicher Art -- muß von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden (vgl. Urteil des Senats vom 12. Juli 1988 VII R 108-109/87, BFH/NV 1988, 764, und Senatsbeschluß vom 7. März 1995 VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941, m. w. N.).
b) Der Antragsteller kann sich zur Entschuldigung auch nicht darauf berufen, er sei als Strohmann mißbraucht worden und habe keinerlei Handlungsmöglichkeiten gehabt.
Wie der Senat mehrfach entschieden hat, ergibt sich die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden kann (vgl. Urteile des Senats vom 7. Mai 1985 VII R 111/78, BFH/NV 1987, 210; vom 11. November 1986 VII R 201/83, BFH/NV 1987, 212, und in BFH/NV 1988, 6, und Beschlüsse des Senats vom 5. März 1985 VII B 69/84, BFH/NV 1987, 422; vom 19. November 1985 VII S 13/85, BFH/NV 1986, 266; vom 25. April 1989 VII S 15/89, BFH/NV 1989, 757, und in BFH/NV 1995, 941). Ein GmbH-Geschäftsführer kann sich nicht damit entlasten, daß er von der Führung der Geschäfte ferngehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Wenn er die Geschäftsführung durch einen anderen duldet, so hat er durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, daß dieser die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, die ihm die Erfüllung seiner Pflichten ermöglichen, so muß er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. Urteile des Senats in BFH/NV 1987, 210, und vom 23. März 1993 VII R 38/92, BFH/NV 1994, 71, und Beschluß des Senats in BFH/NV 1995, 941, m. w. N.). Bis zu seinem Rücktritt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers konnte ihn der Treuhandvertrag nicht von der Verantwortlichkeit für die Erfüllung der ihm als alleinigen Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten freistellen. Eine haftungsbeschränkende Aufteilung der Geschäfte kann nur zwischen mehreren Geschäftsführern erfolgen und nur dann steuerrechtlich Beachtung finden, wenn und solange kein Anlaß besteht, an der exakten Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch den hierfür zuständigen Geschäftsführer zu zweifeln (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 778, und Senatsurteil vom 17. Mai 1988 VII R 90/85, BFH/NV 1989, 4). Diese Voraussetzungen für eine etwaige Haftungsbeschränkung liegen jedoch nicht vor. Der Antragsteller hatte seit Beginn seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sichere Kenntnis davon, daß sich der tatsächlich geschäftsführende Kaufmann K steuerunehrlich verhalten würde und Schwarzarbeiter zu beschäftigen beabsichtigte. In Ansehung dieser Umstände hätte er von der Aufnahme und erst recht von der späteren Fortsetzung seiner Geschäftsführertätigkeit Abstand nehmen müssen. Da der gegen ihn gerichtete Schuldvorwurf bereits in der pflichtwidrigen und zumindest grob fahrlässigen Duldung des steuerunehrlichen Verhaltens des Kaufmannes K begründet ist, kommt es für die Erfüllung des Haftungstatbestandes des § 69 AO 1977 nicht mehr darauf an, ob der Antragsteller an der Steuerhinterziehung vorsätzlich mitgewirkt hat, wie dies im Strafurteil festgestellt worden ist.
2. Eine fehlerhafte Ausübung des Auswahlermessens vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen, da auch der Kaufmann K in seiner Eigenschaft als Verfügungsberechtigter i. S. von § 35 AO 1977 neben dem Antragsteller in Anspruch genommen worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65797 |
BFH/NV 1996, 657 |