Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG ist grundsätzlich geklärt
Leitsatz (NV)
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Beurteilung, ob jemand selbständig oder nichtselbständig tätig ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vorzunehmen. Maßgeblich hierfür ist die Würdigung der für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, wie sie sich nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung ergeben.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb ein sog. Erschließungskostenbüro. Für die Streitjahre 1985 und 1986 gab sie Umsatzsteuererklärungen ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) setzte die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß fest.
Mit den Einsprüchen wandte die Klägerin gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen ein, sie übe ihre Tätigkeit nichtselbständig aus. Dazu berief sie sich auf einen "Werkvertrag" vom 1. Oktober 1984 mit der Verbandsgemeinde A und einen weiteren Werkvertrag mit der Gemeinde B. Die Klägerin machte geltend, sie nehme mit ihrem Erschließungskostenbüro für die Verbandsgemeinde A als Hauptauftraggeber hoheitliche Aufgaben wahr, die normalerweise von Angestellten und Beamten einer Kommunalverwaltung selbst bearbeitet würden. Der Auftraggeber bestimme den organisatorischen und wirtschaftlichen Rahmen der Aufgabenabwicklung.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) bejahte die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin. Die zwischen den Beteiligten streitige Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit sei für die Umsatzsteuer nach denselben Grundsätzen vorzunehmen wie für die Einkommensteuer. Maßgeblich sei das Gesamtbild der Verhältnisse. Wegen der in Betracht kommenden Abgrenzungskriterien stützte sich das FG auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82 (BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, 663).
Nach Auffassung des FG sprach für selbständige Tätigkeit der Klägerin insbesondere, daß sie arbeitsteilig tätig war. Sie beschäftigte ihren Sohn im Rahmen eines Arbeitsvertrages. Zusätzlich half der Ehemann der Klägerin noch im Rahmen der Zulässigkeit seiner Berufsunfähigkeitsrente mit.
Daß die Klägerin ein monatliches Festhonorar (3 000 DM) erhielt, war nach Auffassung des FG unschädlich, zumal sie zusätzlich vereinbarungsgemäß ein Erfolgshonorar erhielt. Ferner entnahm das FG dem Vertrag mit der Verbandsgemeinde, daß die Klägerin nicht (nur) ihre Arbeitskraft, sondern einen Arbeitserfolg schuldete und daß nach diesem Vertrag die vereinbarten Honorarsätze jeweils "die gesetzliche Mehrwertsteuer" enthielten. Schließlich führte nach diesem Vertrag eine Verhinderung der Klägerin zur Kürzung bzw. zum Wegfall ihres Honorars.
Auch der Vertrag mit der anderen Gemeinde ergab nach den Feststellungen des FG, daß die Klägerin einen Arbeitserfolg schuldete und daß ihr Honorar projektbezogen war.
Als nicht gegen Selbständigkeit der Klägerin sprechend beurteilte das FG auch den Umstand, daß die Klägerin im wesentlichen für einen Hauptauftraggeber tätig war.
Das FG ließ die Revision nicht zu.
Die Klägerin stützt die Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung und einen Verfahrensmangel (mangelnde Sachaufklärung).
Grundsätzliche Bedeutung habe die Sache, weil das FG bei der Abgrenzung selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit auf das Gesamtbild der Verhältnisse abstelle. Dabei lasse das Urteil insbesondere Abgrenzungen dahingehend vermissen, daß die der Klägerin gestellten Aufgaben ansonsten von eigenem Personal (der Gemeinden) erfüllt würden. Es handele sich auch nicht um die Vergabe von Aufträgen im Rahmen eines Werkvertrages. Die vorliegenden Verträge erklärten ausdrücklich, daß nur Arbeitskraft und nicht Arbeitserfolge geschuldet seien. Außerdem sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit nicht vorliege.
Mangelnde Sachaufklärung macht die Klägerin mit dem Vortrag geltend, das FG hätte den Hinweisen der Klägerseite nach gehen müssen, daß das FA schon bei der Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin davon ausgegangen sei, daß (bei diesem) die gleiche Tätigkeit nicht umsatzsteuerpflichtig gewesen sei. Dies sei spätestens 1980 der Fall gewesen. Ende 1983 habe die Klägerin das früher vom Ehemann betriebene Büro im eigenen Namen weitergeführt. Das Verlangen des FA nach einer Umsatzsteuererklärung ab 1983 sei nur auf das Ver langen einer Gemeinde an die Klägerin zurückzuführen, ihren Betrieb als Gewerbe anzumelden. Davon sei später wieder Abstand genommen worden. 1987 sei das "Gewerbe" wieder abgemeldet worden.
Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache scheidet aus.
Geht man davon aus, daß die Klägerin als grundsätzlich bedeutsame Frage die Abgrenzung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit i. S. von § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) dargelegt hat, so fehlt es an Klärungsbedarf durch ein weiteres Revisionsverfahren zu diesen Fragen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Beurteilung, ob jemand selbständig oder nichtselbständig tätig ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vorzunehmen. Maßgeblich hierfür ist die Würdigung der für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, wie sie sich nach den vertraglichen Verein barungen und deren tatsächlicher Durchführung ergeben (BFH-Urteile vom 14. Oktober 1976 V R 137/73, BFHE 120, 301, BStBl II 1977, 50; in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746; vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776, und zuletzt vom 18. Januar 1995 XI R 71/93, BFHE 177, 154, BStBl II 1995, 559).
Das FG hat sich auf diese Rechtsprechungsgrundsätze gestützt.
Im übrigen ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, daß die Klägerin eine andere Würdigung der festgestellten Gesamtumstände als durch das angefochtene Urteil erreichen will.
2. Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie auf Verfahrensmangel (mangelnde Sachaufklärung) gestützt wird.
Der Vortrag in der Beschwerdebegründung, das FG hätte den Hinweisen der Klägerseite nachgehen müssen, daß das FA schon bei der Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin davon ausgegangen sei, daß Umsatzsteuerpflicht für die gleiche Tätigkeit nicht gegeben sei, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines genauen, schlüssigen Tatsachenvortrags, aus dem sich ergibt, daß ein (bestimmter) Verfahrensmangel vorliegt und daß das angefochtene Urteil auf diesem beruhen kann. Es fehlen schon genaue Angaben dazu, wo im Verfahren Tatsachen vorgetragen wurden, denen das FG hätte nachgehen sollen (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 33 i. V. m. § 120 Anm. 37 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen).
Auch ist nicht ersichtlich, daß das angefochtene Urteil des FG auf dem von der Klägerin vorgetragenen Verfahrensmangel beruhen kann. Im Grunde wendet sich die Klägerin nur dagegen, daß das FA bei gleichem Sachverhalt seine Rechtsauffassung geändert habe. Fehlende Sachaufklärung zu einem Hinderungsgrund (z. B. verbindliche Auskunft) rügt die Klägerin aber nicht.
3. Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne Angabe von Gründen (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen