Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Streitwertfestsetzung - Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (NV)
Hat die beklagte Behörde die von ihr eingelegte Revision zurückgenommen und war der Kläger im Revisionsverfahren nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten, so fehlt einem Antrag der Behörde auf Festsetzung des Streitwerts das Rechtsschutzbedürfnis.
Normenkette
GKG § 25 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist als Betriebsprüfer im Angestelltenverhältnis bei der Finanzverwaltung in Berlin tätig. Seinen Antrag auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1984 lehnte der Zulassungsausschuß für Steuerberater bei dem Senator für Finanzen (Beklagter) ab, weil der Kläger seine Entlassung aus dem Dienstverhältnis der Finanzverwaltung nicht beantragt hatte (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -). Mit der von ihm erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst, den Beklagten zu verpflichten, ihn zur Steuerberaterprüfung 1984 zuzulassen. Nachdem die schriftliche Prüfung ohne ihn durchgeführt worden war, beantragte er festzustellen, daß die Entscheidung des Zulassungsausschusses, mit dem ihm die Teilnahme an der Steuerberaterprüfung 1984 versagt worden war, rechtswidrig sei. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab dem Feststellungsbegehren statt; es setzte den Streitwert auf 6 000 DM fest.
Der Beklagte legte gegen das Urteil des FG Revision ein. Er beantragte, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen und den Streitwert auf 12 000 DM festzusetzen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden hatte, daß es mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sei, wenn bereits die Zulassung von Angehörigen der Finanzverwaltung zur Steuerberaterprüfung davon abhängig gemacht werde, daß der Bewerber vorher seine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst beantragt habe (Beschluß vom 12. März 1985 1 BvL 25/83, 45/83 und 52/83), nahm der Beklagte seine Revision zurück und beantragte Streitwertfestsetzung.
Entscheidungsgründe
1. Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung des § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt, da der Beklagte die Revision gemäß § 125 FGO zurückgenommen hat. Die Kostenfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 136 Abs. 2 FGO). Sie braucht nicht ausdrücklich festgestellt zu werden, weil ein Antrag auf Kostenerstattung nicht vorliegt (§ 144 FGO). Für den obsiegenden Kläger kommt auch eine Kostenerstattung nicht in Betracht, weil er im Revisionsverfahren nicht vertreten war.
2. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung durch das Gericht ist unzulässig.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) wird der Wert des Streitgegenstandes, soweit er nicht bereits als Verfahrensstreitwert nach § 24 GKG festgesetzt worden ist, durch Beschluß des Prozeßgerichts festgesetzt, wenn dies eine Partei, ein Beteiligter oder die Staatskasse beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. Voraussetzung für die Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht auf Antrag eines Beteiligten ist aber, daß ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die begehrte gerichtliche Entscheidung besteht (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Dezember 1974 I B 46/74, BFHE 115, 1, BStBl II 1975, 385; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., Vor § 135 FGO Tz. 100; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3 Tz. 10 735). Dieses kann zwar grundsätzlich nicht schon deshalb verneint werden, weil auch der Kostenbeamte beim Kostenansatz (§ 4 GKG) den Streitwert festsetzen könnte oder er ihn bereits festgesetzt hat (Beschluß des erkennenden Senats vom 25. Juli 1978 VII R 69/76. BFHE 125, 353, BStBl II 1978, 599, m. w. N.). Im Streitfall fehlt indessen ein Bedürfnis für die Streitfestsetzung ganz.
Der Wert des Streitgegenstandes ist - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Verfahrensfragen - kostenrechtlich von Bedeutung als Bemessungsgrundlage für die Gerichtskosten (§ 11 GKG) und als Bemessungsgrundlage für die Gebühren des bevollmächtigten Rechtsanwalts und des bevollmächtigten Steuerberaters sowie für die Gebühren anderer Prozeßbevollmächtigter, die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leisten und zugezogen sind (§§ 9 bis 11 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, § 139 FGO). Nach § 136 Abs. 2 FGO hat im Streitfall der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, da er die Revision zurückgenommen hat. Es sind aber keine Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen, § 1 Abs. 1 GKG) festzusetzen, weil die Finanzbehörden des Bundes und der Länder, soweit sie kostenpflichtig werden, in den Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit von der Zahlung der Kosten befreit sind (§ 2 Abs. 1 GKG). Zwar muß die kostenpflichtige Finanzbehörde dem obsiegenden Beteiligten die notwendigen Auslagen erstatten (§ 139 Abs. 1 und 3 FGO). Erstattungsfähige Gebühren eines Prozeßbevollmächtigten, die sich nach der Höhe des Streitwerts bemessen würden, fallen jedoch nicht an, weil der Kläger im vorliegenden Revisionsverfahren nicht vertreten war. Es ist demnach nicht ersichtlich, welches Interesse der Beklagte an der Streitwertfestsetzung durch das Gericht für das vorliegende Verfahren haben könnte. Das allgemeine Interesse der Finanzbehörde an einer Bemessung des Streitwerts in bestimmter Höhe für die Verfahren wegen Zulassung zur Steuerberaterprüfung kann das Rechtsschutzbedürfnis für den Streitfall nicht begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 414051 |
BFH/NV 1985, 109 |