Entscheidungsstichwort (Thema)
Unstatthafte außerordentliche Beschwerde und keine Anhörungsrüge
Leitsatz (NV)
Ein ausdrücklich als “außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit” bezeichneter Schriftsatz eines Rechtsanwalts, der keine Ausführungen enthält, die als Anhörungsrüge verstanden werden könnten, ist als unstatthaft zu verwerfen.
Normenkette
FGO §§ 132, 133a, 86 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) verfolgen mit Anträgen vor dem Finanzgericht (FG) und dem Bundesfinanzhof (BFH) unter Hinweis auf § 86 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Ziel, eine ihnen von der zuständigen Verwaltungsbehörde nicht erteilte Bescheinigung nach § 7h des Einkommensteuergesetzes zu erhalten. Die gegen den ablehnenden Beschluss des FG eingelegte Beschwerde hat der BFH mit Beschluss vom 18. Juli 2006 X B 45/06 teils als unbegründet zurückgewiesen, teils als unzulässig verworfen; zugleich hat er den an ihn gerichteten Antrag abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller nunmehr mit einer "wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit erhobenen außerordentlichen Beschwerde zwecks Abhilfe im Sinne der neu gefassten und neu eingefügten Vorschrift des § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO". Sie führen zur Begründung aus, eine außerordentliche Beschwerde komme "zwar nur noch nach Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO in Betracht, um geltend zu machen, dass eine mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht anfechtbare Entscheidung … auf einer bewussten und (oder) objektiv greifbar gesetzeswidrigen Anwendung von Prozessrecht beruht". Als greifbar gesetzeswidrig in diesem Sinne betrachten sie "eine Entscheidung, die jeglicher Grundlage entbehrt", was dann gegeben sei, "wenn die Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, welche durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte und deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint". Die bewusst und objektiv greifbare gesetzeswidrige Anwendung des Prozessrechts durch den angerufenen Senat sehen sie "in dem Unterlassen der verfassungsrechtlich zwingend weiteren Subsumtion unter der Vorschrift des § 30 AO".
Entscheidungsgründe
II. Der Schriftsatz der Antragsteller vom 8. August 2006 ist entsprechend seiner ausdrücklichen Bezeichnung als außerordentliche Beschwerde und nicht als Anhörungsrüge i.S. des § 133a FGO zu betrachten. Wie die Ausführungen der Antragsteller zur Begründung ihrer außerordentlichen Beschwerde zeigen, sehen sie den angefochtenen Beschluss des angerufenen Senats deshalb als greifbar gesetzeswidrig an, weil der Senat seine ablehnende Entscheidung getroffen hat, ohne auf § 30 der Abgabenordnung (AO 1977) einzugehen. Dagegen enthält der 23 Seiten umfassende Schriftsatz keine Ausführungen, die als Rüge i.S. des § 133a FGO verstanden werden könnten. Einer dahingehenden Auslegung steht weiter entgegen, dass für die Antragsteller ein zur Vertretung vor dem BFH befugter Prozessbevollmächtigter handelt.
Die außerordentliche Beschwerde ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§ 132 FGO).
Seit Einführung des § 133a FGO durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) zum 1. Januar 2005 ist die außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzeswidrigkeit als außerordentlicher, gesetzlich nicht geregelter Rechtsbehelf nicht mehr statthaft (einhellige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. November 2005 VIII B 181/05, BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188, und vom 22. Juni 2006 IX B 108/06, BFH/NV 2006, 1696; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. Februar 2006 IV ZB 57/04, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2006, 695).
Die Anrufung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 4 FGO kommt entgegen dem Begehren der Antragsteller nicht in Betracht, da es sich nicht um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.
Fundstellen