Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung eines Organträgers an der Organgesellschaft von Beginn ihres Wirtschaftsjahres an
Leitsatz (NV)
1. Entspricht nach dem Gesellschaftsvertrag der Organgesellschaft das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, so bedarf die Bildung zweier Rumpfwirtschaftsjahre einer Änderung des Gesellschaftsvertrages in der nach § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG vorgeschriebenen Form.
2. Wegen § 54 Abs. 3 GmbHG wird die Änderung erst mit der Eintragung im Handelsregister wirksam.
3. Der Eintragung kann keine Rückwirkung beigelegt werden.
Normenkette
KStG § 7 Abs. 4, §§ 14, 17; HGB § 39 Abs. 2; GmbHG § 13 Abs. 3, § 53 Abs. 1-2, § 54 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die X-GmbH erwarb am 3. Mai 1993 mit Wirkung vom 1. Juni 1993 von der X-KG deren gesamtes zur Herstellung von ... -Produkten benötigtes Anlage- und Umlaufvermögen einschließlich des alleinigen Geschäftsanteils an der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), einer GmbH. Zugleich wurde vereinbart, den zwischen der X-KG als Organträgerin und der Antragstellerin als Organgesellschaft bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit Ablauf des 31. Mai 1993 aufzuheben und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 1993 sowie vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 1993 jeweils ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden. Die entsprechenden Gesellschafterbeschlüsse wurden am 28. Mai 1993 gefaßt, notariell beglaubigt und zum Handelsregister angemeldet. Die Eintragung in dieses erfolgte am 6. oder 19. April 1994.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) erkannte die von der Antragstellerin erklärten gewerbesteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisse zunächst zu der X-KG und anschließend zu der X-GmbH nicht an, weil die Beschlüsse vom 28. Mai 1993 erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister handelsrechtlich wirksam geworden seien. Damit fehle es in beiden Fällen an der gemäß § 14 Nr. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) erforderlichen ununterbrochenen Organschaftsbeteiligung.Ü
ber den daraufhin eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden. Der zugleich gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuerbescheides 1993 blieb beim FA erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab dem anschließend gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bei ihm gestellten Antrag hingegen gegen Anordnung einer Sicherheitsleistung statt. Es hielt die Rechtmäßigkeit des Bescheides für ernstlich zweifelhaft. Die Voraussetzungen einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaft lägen im Grundsatz sämtlich vor. Zwar setzte die Wirksamkeit der Beschlüsse über die Änderung des Wirtschaftsjahres und der Bildung von zwei Rumpfwirtschaftsjahren die Handelsregistereintragung voraus. Im Handelsrecht sei indes kontrovers, ob dieser Eintragung Rückwirkung beigemessen werden könne. Teilweise würde dies verneint, so auch vom Bundesfinanzhof -- BFH -- (Urteil vom 13. September 1989 I R 105/86, BFH/NV 1990, 326). Grund hierfür sei die Gefahr, daß rückwirkende Änderungen die Interessen Dritter beeinträchtigen könnten. Eine derartige Beeinträchtigung lasse sich bei einer GmbH aber ohnehin nicht verhindern. Denn es sei durchaus möglich und zulässig, in der ersten Jahreshälfte Überschüsse auszuschütten, ohne daß dies durch den späteren Jahresabschluß gerechtfertigt sei. Auch bei einem einheitlichen Geschäftsjahr könne der Bestand des Stammkapitals durch Vorabausschüttungen gefährdet werden. Infolgedessen sei jener Auffassung zu folgen, die die Rückwirkung der Handelsregistereintragung befürworteten, zumal das Zivilrecht rückwirkende Rechtsänderungen -- wie z. B. §§ 142 und 184 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zeigten -- durchaus zulasse. Die dadurch bedingten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides würden auch nicht beseitigt, weil die Antragstellerin über die Umstellung ihres Wirtschaftsjahres mit dem FA kein Einvernehmen erzielt habe (§ 7 Abs. 4 Satz 3 KStG 1977). Ein entsprechender Antrag auf Zustimmung des FA sei konkludent in der Körperschaftsteuererklärung enthalten, die die Antragstellerin am 21. Oktober 1993 beim FA abgegeben habe. In dieser Erklärung sei ausdrücklich auf das Rumpfwirtschaftsjahr hingewiesen worden. Zur Erteilung der Zustimmung sei das FA gemäß Abschn. 53 Abs. 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) verpflichtet. Es sei von daher unbillig, die Aussetzung der Vollziehung aus diesem Grunde der fehlenden Zustimmung abzulehnen.
Seine Beschwerde begründet das FA in erster Linie mit dem BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 326.
Das FA beantragt, den FG-Beschluß aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist nicht bereits deshalb begründet, weil es der Antragstellerin an dem für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erforderlichen Rechtschutzbedürfnis fehlt. Zwar hat sie die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuerbescheides und nicht des Gewerbesteuermeßbescheides 1993 beantragt. Der Gewerbesteuerbescheid stellt sich aber als Folgebescheid zu dem Gewerbesteuermeßbescheid als Grundlagenbescheid dar. Die Vollziehungsaussetzung des Folgebescheides nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 4 FGO setzt deshalb regelmäßig und so auch im Streitfall die Vollziehungsaussetzung des Grundlagenbescheides voraus. Da über das entsprechende Rechtsschutzziel der Antragstellerin jedoch kein Zweifel bestehen kann, war ihr Antrag in einen solchen auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheides umzudeuten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 1968 IV B 40/68, BFHE 93, 543, BStBl II 1969, 40, und vom 30. April 1987 VIII S 2/87, BFH/NV 1987, 796).
2. Die Beschwerde ist in der Sache begründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll -- u. a. und soweit hier einschlägig -- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Daran fehlt es im Streitfall.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung dieses Bescheides anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, hat sie indes nicht zutreffend angewandt. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß der angefochtene Gewerbesteuermeßbescheid 1993 rechtmäßig ist.
a) Nach § 14 Satz 1 KStG 1977 ist das Einkommen einer Organgesellschaft -- vorbehaltlich des im Streitfall nicht einschlägigen § 16 KStG 1977 -- unter im einzelnen näher genannten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen. Nach § 17 Satz 1 KStG 1977 gilt diese Rechtsfolge auch dann, wenn als Organgesellschaft keine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, sondern eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland auftritt. Voraussetzung ist allerdings jeweils u. a., daß der Organträger an der Organgesellschaft von Beginn ihres Wirtschaftsjahres an ununterbrochen in einem solchen Maß beteiligt war, daß ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zustand (§ 14 Satz 1 Nr. 1 KStG 1977).
b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nach Lage der Dinge nicht erfüllt. Es fehlt an der erforderlichen ununterbrochenen Eingliederung der Antragstellerin als Organgesellschaft in das Unternehmen der X-KG einerseits und der X-GmbH andererseits. § 14 Satz 1 Nr. 1 KStG 1977 knüpft an den Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an. Nach § 7 Abs. 4 KStG 1977 bestimmt sich bei Steuerpflichtigen, die -- wie die Antragstellerin -- verpflichtet sind, Bücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu führen, das Wirtschaftsjahr nach dem Zeitraum, für den regelmäßig Abschlüsse zu machen sind. Da die Antragstellerin gemäß § 13 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) als Handelsgesellschaft i. S. des Handelsgesetzbuchs galt, bestimmte sich die Bildung ihres Geschäftsjahres nach § 39 Abs. 2 HGB. Dabei ist allerdings zu beachten, daß das Geschäftsjahr der Antragstellerin von Anfang an in deren Satzung zeitlich festgelegt war. Bei dieser Sachlage bedurfte die Änderung des Geschäftsjahres der in § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG vorgeschriebenen Form (vgl. Scholz/Priester, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 53 Rz. 190 f.). Wegen § 54 Abs. 3 GmbHG konnte die Änderung grundsätzlich erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister wirksam werden, im Streitfall also erst am 6. oder 19. April 1994. Damit blieb es bei dem Kalenderjahr als dem Geschäftsjahr der Antragstellerin. Sie war deshalb ab dem Beginn dieses Wirtschaftsjahres 1993 weder in das Unternehmen der X-KG noch der X-GmbH i. S. v. § 14 Satz 1 Nr. 1 KStG 1977 ununterbrochen eingegliedert.
c) Der Satzungsänderung und hier namentlich der Änderung des Geschäftsjahres kann im Außenverhältnis keine (Rück-)Wirkung auf die Zeit vor der Eintragung in das Handelsregister beigelegt werden. Dies entspricht allgemeiner Auffassung im Handelsrecht (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 53 Rz. 30; Bartl/Henkes/Schlarb, GmbH-Recht, 3. Aufl., § 54 Rz. 513; Hachenburg/Ulmer, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 53 Rz. 25; Rowedder/Zimmermann, GmbH-Gesetz, § 54 Rz. 32; Scholz/Priester, a. a. O., § 53 Rz. 190 f. und § 54 Rz. 63; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 54 Rz. 8; Meyer-Landrut/Miller/Niehues, GmbH-Gesetz, § 54 Rz. 12; Roth, GmbH-Gesetz, 3. Aufl., § 54 Anm. 4.1; Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckhardt/Kropf, Aktiengesetz, § 181 Rdnr. 76; Wiedemann in Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., § 179 Rdnr. 164). Auch der erkennende Senat (in BFH/NV 1990, 326) und -- ihm folgend -- das steuerrechtliche Schrifttum (vgl. Witt in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz. 26; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz (KStG 1977), § 7 Rz. 37 und § 14 Rz. 93; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 14 Anm. 34; Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 4. Aufl., Rz. 176) sind davon ausgegangen. Grund hierfür ist die eindeutige Regelung in § 54 Abs. 3 GmbHG. Aber auch aus Erwägungen des Gläubigerschutzes wird es als erforderlich angesehen, daß die Änderung des Geschäftsjahres zumindest noch innerhalb des betreffenden Wirtschaftsjahres ein getragen wird, da anderenfalls die Gefahr besteht, daß über die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres die Kapitalerhaltungsvorschriften "überspielt" werden (vgl. Lutter/Hommelhoff, a. a. O.).
Entgegen der Annahme der Vorinstanz ist die Rechtslage und sonach auch die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Streitfall damit nicht ernstlich zweifelhaft. Zwar hat vor allem das Landgericht (LG) Frankfurt in der Vergangenheit eine andere Auffassung vertreten (Beschlüsse vom 9. März 1978 3/11 T 63/77, GmbH- Rundschau -- GmbHR -- 1978, 112, und vom 14. Oktober 1979 3/11 T 20/77, GmbHR 1979, 208). Ausschlaggebend soll danach nicht die abstrakte und mögliche Gefährdung von Gläubigerinteressen sein, sondern deren konkrete Gefährdung. Zumindest genüge es, wenn wenigstens die Anmeldung zur Handelsregistereintragung noch im betreffenden Geschäftsjahr erfolge (so -- einschränkend -- LG Berlin, Beschluß vom 7. Februar 1978 98 T 26/77, Der Deutsche Rechtspfleger -- RPfleger -- 1978, 143; Hachenburg/Ulmer, a. a. O.; Hachenburg/Goerdeler/Müller, a. a. O., § 29 Rz. 18; offengelassen vom Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 30. Januar 1975 11 W 142/74, Rpfleger 1975, 178). Diese Auffassungen sind indes vereinzelt geblieben. Sie mögen in Anbetracht der vielfach nicht kalkulierbaren Eintragungsfristen durchaus praxisgerecht sein. Sie werden dem abstrakten Schutzzweck, der nach § 54 Abs. 3 GmbHG mit der Eintragung in das Handelsregister als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Satzungsänderung verbunden ist, jedoch nicht gerecht (Scholz/Priester, a. a. O., § 53 Rz. 191 und § 54 Rz. 63). Der Senat hält deshalb an seiner bisherigen Rechtsprechung, die auf keine ernsthafte Kritik gestoßen ist, im summarischen Aussetzungsverfahren fest. Insofern tut es nichts zur Sache, daß die Dinge im Streitfall anders als in dem Senatsurteil in BFH/NV 1990, 326 liegen, weil die Antragstellerin im Gegensatz hierzu keine auch inhaltlich rückwirkende Satzungsänderung beschlossen hat und die Beschlußfassung als solche zeitgerecht erging.
d) Auf die Frage danach, ob die gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 KStG 1977 erforderliche Zustimmung zu der Änderung des Wirtschaftsjahres hätte erteilt werden müssen (vgl. Abschn. 53 Abs. 3 Satz 1 KStR) und welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, daß dies im Streitfall bislang augenscheinlich nicht geschehen ist, brauchte nicht mehr eingegangen zu werden.
3. In Anbetracht dessen konnte der Beschluß der Vorinstanz keinen Bestand haben und war aufzuheben. Der Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen, war abzulehnen.
Fundstellen
Haufe-Index 421801 |
BFH/NV 1997, 378 |