Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung von im Einspruchsverfahren verspäteten Vorbringens im finanzgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Das FG kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364 Abs. 1b AO 1977 gesetzten Frist vorgebracht werden zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und dieser über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
2. Eine Zurückweisung ist nicht zulässig, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.
Normenkette
AO 1977 § 364b Abs. 1; FGO § 76 Abs. 3, § 79b Abs. 3 Sätze 1-3
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 12.02.2003; Aktenzeichen 7 K 1809/03) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegt nicht vor, da die aufgeworfenen Rechtsfragen entweder nicht klärungsbedürftig sind oder in einem künftigen Revisionsverfahren nicht geklärt werden können (vgl. zu diesen Erfordernissen: Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 28, 30).
Der Senat kann offen lassen, ob er Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) zugunsten der Berücksichtigung nachgereichter Steuererklärungen im Klageverfahren grundsätzlich als für die Revisionsinstanz verbindlich hinzunehmen hat (so aber Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 1997 I R 47/97, BFHE 185, 21, BStBl II 1998, 269, BFH-Beschluss vom 13. Juli 1998 X B 36/98, BFH/NV 1999, 67; a.A. Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, § 364b Rz. 16). Jedenfalls sind die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) angesprochenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Anwendung von § 364b der Abgabenordnung (AO 1977) und § 76 Abs. 3 i.V.m. § 79b Abs. 3 FGO nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 X B 119/98, BFH/NV 1999, 633). Nach ständiger Rechtsprechung kann das Finanzgericht (FG) gemäß § 76 Abs. 3 i.V.m. § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 AO 1977 gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 76 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 79b Abs. 3 Satz 2 FGO). Eine Zurückweisung und Entscheidung ohne weitere Ermittlung ist nicht zulässig, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln (§ 76 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 79b Abs. 3 Satz 3 FGO, s. im Einzelnen hierzu das Grundsatzurteil des V. Senats des BFH vom 19. März 1998 V R 7/97 (BFHE 185, 134, BStBl II 1998, 399). Nicht entscheidungserheblich ist die von verschiedenen Senaten des BFH unterschiedlich beantwortete Rechtsfrage, wann das FG eine Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens annehmen darf (s. dazu BFH-Urteil des V. Senats in BFHE 185, 134, BStBl II 1998, 399 einerseits, und das BFH-Urteil des I. Senats in BFHE 185, 21, BStBl II 1998, 269, sowie BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 IV R 23/98, BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664 andererseits; zum Streitstand: Brockmeyer in Klein, a.a.O., § 364b Rz. 18). Denn im vorliegenden Fall haben die Kläger und Beschwerdegegner die Steuererklärung jedenfalls kurz nach Ablauf der vom FA nach § 364b AO 1977 gesetzten Frist, d.h. spätestens am 30. Dezember 2002 beim FA eingereicht. Die Klage wurde dagegen erst am 4. April 2003 erhoben. Außerdem haben die Beteiligten gegen die erfolgten Proberechnungen keine Einwendungen mehr erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 1366219 |
BFH/NV 2005, 1225 |