Entscheidungsstichwort (Thema)
Freies Wohnungsunternehmen
Leitsatz (NV)
Bei der Abwägung, ob ein Unternehmen tatsächlich überwiegend den Zweck eines freien Wohnungsunternehmens verfolgt, sind (ansonsten) begünstigte Zwischenerwerbe unbebauter Grundstücke zumindest unberücksichtigt zu lassen.
Normenkette
GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d; GrEStG Berlin § 8 Abs. 9
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom ... 1975 erwarb die Klägerin das unbebaute Grundstück in A. Der Kaufpreis betrug ... DM. Für diesen Erwerb beantragte die Klägerin Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 des damals geltenden Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Entsprechend diesem Antrag nahm das beklagte Finanzamt (FA) den Erwerb zunächst auch von der Besteuerung aus. Am ... 1977 veräußerte die Klägerin das Grundstück weiter. Dieser Kaufvertrag wurde später aufgehoben. Am ... 1978 wurde das Grundstück von der Klägerin in unbebautem Zustand endgültig weiterveräußert.
Durch Bescheid vom 2. März 1978 erhob das FA die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang der Klägerin nach. Es setzte gegen diese Grunderwerbsteuer sowie ein Aufgeld fest. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und berief sich nunmehr auf die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG. Sie legte ihren Gesellschaftsvertrag, einen Handelsregisterauszug, eine Überschußrechnung für das Jahr 1975 und eine Übersicht der Entwicklung ihres Anlagevermögens im Jahre 1975 vor. Daraus und aus weiteren Schreiben der Klägerin -- die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommen wurden -- ergab sich, daß im Jahre 1975 beim Anlagevermögen der Klägerin Zugänge in Höhe von insgesamt 4 621 797,56 DM erfolgten. Diese gliederten sich wie folgt auf:
Grund und Boden 900 533,00 DM Gebäude 226 069,56 DM Neubauten 359 475,77 DM Anzahlungen 3 135 719,23 DM In der Position Zugang bei Grund und Boden ist mit ... DM der Erwerb des streitbefangenen unbebauten Grundstücks enthalten.
Darüber hinaus erwarb die Klägerin das (benachbarte) unbebaute Grundstück B. Dies führte zum Zugang der Position Anzahlungen in Höhe von ... DM. Dieses Grundstück wurde von der Klägerin in der Folge unbebaut -- nach ihrer Behauptung ohne Gewinn -- weiterveräußert.
Im Jahre ... führte die Klägerin auf vier ihr gehörenden Grundstücken Wohnungsneubauten aus. Hierfür wurden ... DM bei Neubauten aktiviert. Nach den Angaben der Klägerin fielen für diese Vorhaben im Jahre 1976 aktivierte Baukosten in Höhe von ... DM und im Jahre 1977 in Höhe von ... DM an. Die Gebäude wurden in den Jahren 1976 bzw. 1977 fertiggestellt. Nach ihrer Fertigstellung wurden die Wohngebäude zunächst vermietet und später verkauft.
Im Jahre 1975 erzielte die Klägerin Einnahmen in Höhe von insgesamt ... DM. Darin waren enthalten Bankzinsen in Höhe von ... DM. Die restlichen Einnahmen entfielen auf Mieten aus drei Objekten. Aus der Eigentumswohnung"C" wurden ... DM Mieteinnahmen erzielt. Aus dem unbebauten Objekt B wurden ... DM Mieteinnahmen erzielt. Aus dem Objekt D fielen Mieteinnahmen in Höhe von ... DM an. Hier wurde ein ursprünglich auf dem Gebäude enthaltener Altbau, der von der Klägerin später abgerissen wurde, vorübergehend vermietet.
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück und setzte die Steuer einschließlich Aufgeld nunmehr in Höhe von ... DM fest. Das FA war der Auffassung, daß die Klägerin aufgrund ihrer tatsächlichen Tätigkeit kein freies Wohnungsunternehmen sei.
Hiergegen richtete sich die Klage, mit der wie bisher geltend gemacht wurde, daß die Klägerin die Voraussetzungen für die begehrte Steuerbefreiung erfülle.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs habe die Klägerin aufgrund ihrer tatsächlichen Tätigkeit die Voraussetzungen für ein freies Wohnungsunternehmen i. S. von § 8 Abs. 9 GrEStG nicht erfüllt. Bei der Klägerin überwögen die nichtbegünstigten Umsätze. Hierzu rechneten auf jeden Fall die Bankzinsen und die Mieteinnahmen aus den Objekten "C" und B. Auch wenn man die Bestandsveränderungen im Anlagevermögen der Ermittlung der begünstigten Tätigkeiten zugrunde lege, ergebe sich für die Klägerin gleichfalls kein positives Ergebnis. Dies beruhe für das Jahr 1975 allein darauf, daß die Bestandsveränderungen Anzahlungen für das Grundstück B mehr als die Hälfte der Bestandsveränderungen beträfen und diese Tätigkeit keine begünstigte Tätigkeit darstelle. Auch die Veränderungen bei Grund und Boden und Baukosten im Hinblick auf das Objekt A wiesen auf keine begünstigte Tätigkeit hin.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt hat das FG zu Unrecht angenommen, daß der Klägerin die begehrte Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG bereits deswegen zu versagen sei, weil diese nach ihrer tatsächlichen Tätigkeit nicht überwiegend den Zweck eines freien Wohnungsunternehmens verfolge und deswegen nicht als ein freies Wohnungsunternehmen anzusehen sei.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG ist von der Besteuerung auf Antrag ausgenommen der Erwerb eines nicht bebauten Grundstücks durch ein Unternehmen, das als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen oder als Organ der staatlichen Wohnungspolitik anerkannt ist, oder durch ein freies Wohnungsunternehmen zur Weiterveräußerung ohne Gewinn an einen Erwerber, der auf dem Grundstück durch planmäßige Bebauung ein Wohngebäude im Gesetz näher bezeichneter Art errichtet. Nach § 8 Abs. 9 GrEStG sind freie Wohnungsunternehmen "inländische Unternehmen, die im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Zweck überwiegend auf den Bau und die Verwaltung oder Übertragung von Wohnungen oder die wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet ist".
Die Klägerin hat in dem vom FG für maßgeblich gehaltenen Zeitraum zwei unbebaute Grundstücke -- darunter das im Streitfall relevante Grundstück -- erworben und diese in der Folge unbebaut und -- wie die Klägerin behauptet -- unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG weiterübertragen. Der Senat stimmt mit dem FG zunächst darin überein, daß der Erwerb und die Weiterübertragung unbebauter Grundstücke grundsätzlich nicht zu dem in § 8 Abs. 9 GrEStG definierten eigentlichen Zweck eines freien Wohnungsunternehmens gehört. Entgegen der Auffassung des FG können jedoch derartige Zwischenerwerbe bei der Abwägung, ob ein Unternehmen tatsächlich überwiegend dem Zweck eines freien Wohnungsunternehmens dient, nicht schlechthin als "steuerschädliche" Betätigung angesehen werden. Dies ergibt sich -- was das FG verkannt hat -- aus Wortlaut und Zweck der Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG selbst. Diese Vorschrift will gerade -- wenn auch nur unter bestimmten Kautelen -- den Zwischenerwerb unbebauter Grundstücke auch durch freie Wohnungsunternehmen begünstigen. Das Gesetz hält offenbar den Erwerb und die Weiterveräußerung unbebauter Grundstücke nicht nur für eine zulässige Betätigung eines freien Wohnungsunternehmens, es will darüber hinaus gerade die Betätigung eines freien Wohnungsunternehmens durch eine Steuerbefreiung besonders fördern. Die vom FG vertretene Auffassung steht im Widerspruch zu dieser ausdrücklichen Zielsetzung des Gesetzes. Im Ergebnis läuft sie darauf hinaus, daß der Zwischenerwerb eines unbebauten Grundstücks durch ein freies Wohnungsunternehmen nur dann begünstigt wäre, wenn er im Einzelfall vom finanziellen Volumen her für das konkrete Wohnungsunternehmen im maßgeblichen Zeitraum von untergeordneter Bedeutung wäre. Eine solche Einschränkung läßt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen, noch sind auch nur vernünftige Erwägungen ersichtlich, die eine derartige Gestaltung der steuerlichen Förderung rechtfertigen würden. Das Gesetz will durch eine Reihe grunderwerbsteuerrechtlicher Vergünstigungen insgesamt den Wohnungsbau fördern. Im Rahmen dieses Gesamtkonzepts hält es offenbar auch den Zwischenerwerb unbebauter Grundstücke durch gemeinnützige Wohnungsunternehmen, Organe der staatlichen Wohnungspolitik und durch freie Wohnungsunternehmen für begünstigungswürdig. Es ist nicht anzunehmen, daß es diese Begünstigung lediglich für die freien Wohnungsunternehmen ohne ersichtlichen Grund und ohne ausdrückliche Regelung nur mittelbar über die Definition des Begriffs des freien Wohnungsunternehmens wieder zum großen Teil zurücknehmen wollte. Wortlaut und Zweck der Befreiungsvorschrift wird daher nur eine Auslegung gerecht, die Zwischenerwerbe unbebauter Grundstüke für freie Wohnungsunternehmen auch dann grundsätzlich begünstigungsfähig läßt, wenn diese für das Unternehmen vom finanziellen Volumen her von überwiegender Bedeutung sind. Bei der Abwägung, ob ein Unternehmen tatsächlich überwiegend den Zweck eines freien Wohnungsunternehmens verfolgt, sind daher derartige Zwischenerwerbe zumindest unberücksichtigt zu lassen. Den Tätigkeiten des Unternehmens, die nach § 8 Abs. 9 GrEStG dem Zweck eines freien Wohnungsunternehmens entsprechen, sind daher allenfalls die sonstigen Tätigkeiten des Unternehmens gegenüberzustellen. Aufgrund dieser Gegenüberstellung ist zu entscheiden, welcher Bereich überwiegt. Die Zwischenerwerbe unbebauter Grundstücke bleiben bei dieser Gegenüberstellung außer Betracht. Dies gilt allerdings nur für den Fall, daß diese Zwischenerwerbe ansonsten alle Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. d GrEStG (Weiterveräußerung ohne Gewinn an einen Erwerber, der darauf Wohnungen errichtet) erfüllen.
2. Läßt man aber im Streitfall die Zwischenerwerbe der Grundstücke B und A außer Betracht, so wird die (verbleibende) Tätigkeit der Klägerin überwiegend geprägt durch Wohnungsneubauten, die zu dem Zweck eines freien Wohnungsunternehmens gehören. Bei dieser Abwägung hat der Senat mitberücksichtigt, daß die im maßgeblichen Zeitraum begonnenen Wohnungsbauten der Klägerin zu ihrer Fertigstellung noch ein erhebliches Investitionsvolumen erforderten. Erfüllen die genannten Zwischenerwerbe der Klägerin daher ansonsten -- wie die Klägerin behauptet -- die Voraussetzungen der Steuerbefreiung, so ist die Klägerin als freies Wohnungsunternehmen anzusehen. Die entsprechenden Feststellungen dafür sind jedoch im FG-Urteil nicht getroffen.
Bei dieser Betrachtungsweise kommt es auf die vom FG darüber hinaus angestellte Abwägung aufgrund der 1975 erzielten Einnahmen nicht mehr an. Diese fallen vom Volumen her gegenüber den von der Klägerin getätigten Investitionen nicht ins Gewicht. Es kommt daher für das Entscheidungsergebnis nicht darauf an, wie diese Einnahmen verhältnismäßig auf die dem § 8 Abs. 9 GrEStG entsprechenden Zweke, auf die schädlichen Tätigkeiten und ggf. auf begünstigte Zwischenerwerbe aufzuteilen wären.
3. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat sich bisher ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht mit der Frage auseinandergesetzt und auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Steuerbefreiung erfüllt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 419997 |
BFH/NV 1995, 160 |