Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilsvereinigung bei Gesellschaftern mit demselben Alleingesellschafter
Leitsatz (NV)
1. Ein Fehler in der namentlichen Bezeichnung des Inhaltsadressaten eines Steuerbescheids ist unschädlich, solange kein Zweifel an der Identität des Adressaten auftritt.
2. Der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG steht nicht entgegen, dass der alle Anteile an einer Gesellschaft Übertragende zugleich Alleingesellschafter der die Anteile erwerbenden Gesellschaft ist.
3. Die Anzeigepflicht nach § 18 Abs. 5 GrEStG wird nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts erfüllt.
Normenkette
AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2; GrEStG 1983 § 1 Abs. 3; GrEStG § 1 Abs. 6; GrEStG 1983 § 18 Abs. 1, 2 S. 2, Abs. 5, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, die bis August 1995 unter der Bezeichnung A-AG und danach (bis 2000) unter der Bezeichnung B-AG firmierte, ist seit 1994 Gesamtrechtsnachfolgerin der RE-GmbH. Diese hat am 20. Dezember 1991 von der Klägerin, die alleinige Anteilseignerin der RE-GmbH war, im Wege einer Sacheinlage alle Anteile an der R-GmbH, der RS-GmbH, der RP-GmbH sowie den einzigen Kommanditanteil an der HP-KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die RP-GmbH war, erworben. Zum Vermögen dieser Gesellschaften gehörten jeweils Grundstücke.
Der beurkundende Notar reichte den Vertrag vom 20. Dezember 1991 lediglich bei der Kapitalverkehrsteuerstelle des Finanzamts F ein. Erst im November 1994 erhielt die Grunderwerbsteuerstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) durch eine Kontrollmitteilung Kenntnis von diesem Vertrag.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 1997 setzte das FA für die Übertragung aller Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung --GrEStG-- a.F.) an der R-GmbH auf die RE-GmbH Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM fest. Der Bescheid war an die A-AG adressiert. Durch zwei weitere Bescheide vom 9. Dezember 1998 setzte das FA wegen Übertragung aller Anteile an der grundbesitzenden HP-KG auf die RE-GmbH Grunderwerbsteuer in Höhe von 19 600 DM fest und stellte für den Erwerb aller Anteile an der RS-GmbH durch die RE-GmbH die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest. Beide Bescheide wurden an die B-AG gerichtet.
Die Einsprüche sowie die Klage, mit der die Klägerin Eintritt der Festsetzungsverjährung sowie rechtsfehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG wegen eines hier gegebenen Übergangs von einer unmittelbaren zur mittelbaren Anteilsvereinigung rügte und zumindest die Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG begehrte, hatten keinen Erfolg. Dasselbe gilt für den auf den Bescheid vom 22. Dezember 1997 beschränkten Einwand einer mangelhaften Bekanntgabe. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 573 veröffentlichten Urteil aus, der Bescheid vom 22. Dezember 1997 sei hinsichtlich des Inhaltsadressaten trotz unzutreffender Bezeichnung der Klägerin hinreichend bestimmt und ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG sei wegen der erstmaligen Vereinigung der Anteile an der R-GmbH, RS-GmbH, RP-GmbH und HP-KG in der Hand der RE-GmbH und des damit verbundenen Übergangs der Sachherrschaft über die Grundstücke dieser Rechtsträger erfüllt; die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 GrEStG lägen nicht vor. Da der Vertrag vom 20. Dezember 1991 nicht gemäß §§ 18, 19 GrEStG angezeigt worden sei, sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 1 Abs. 3 und Abs. 6 GrEStG sowie der §§ 119 Abs. 1, 125 Abs. 1 und 169 f. der Abgabenordnung (AO 1977).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Grunderwerbsteuerbescheide vom 22. Dezember 1997 und 9. Dezember 1998 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 9. Dezember 1998 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 7. April 2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Grunderwerbsteuerbescheide bestätigt.
1. Die Bezeichnung der Klägerin als A-AG im Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. Dezember 1997 führt nicht zu dessen Unwirksamkeit. Die Angabe des Inhaltsadressaten ist gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts; die Identität des Inhaltsadressaten muss sich anhand des Verwaltungsakts zweifelfrei und sicher bestimmen lassen und aus dem Verwaltungsakt selbst hervorgehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174, m.w.N.). Es reicht dabei aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409). Solange kein Zweifel an der Identität des Adressaten auftritt, ist ein Fehler in seiner namentlichen Bezeichnung unschädlich (BFH-Beschlüsse vom 29. Juni 1988 IV B 70/88, BFH/NV 1989, 613; vom 25. November 1999 VII S 19/99, BFH/NV 2000, 551). Danach steht der Rechtswirksamkeit des Bescheids vom 22. Dezember 1997 die fehlerhafte Firmenbezeichnung der Klägerin nicht entgegen. Dem Bescheid ist bei der gebotenen verständigen Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände objektiv eindeutig zu entnehmen, dass Inhaltsadressat die Klägerin ist. Da die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt auch tatsächlich als A-AG firmiert hatte, war eine Verwechslung des Inhaltsadressaten aufgrund der unzutreffenden Firmenbezeichnung ausgeschlossen.
2. Der Vertrag vom 20. Dezember 1991 unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. der Grunderwerbsteuer. Nach dieser Vorschrift werden Rechtsgeschäfte besteuert, die den Anspruch auf Übertragung aller Anteile einer Gesellschaft begründen, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Die RE-GmbH erhielt aufgrund des Vertrags vom 20. Dezember 1991 einen Anspruch auf Übertragung aller Anteile der R-GmbH, RS-GmbH, RP-GmbH und HP-KG, zu deren Vermögen jeweils inländische Grundstücke gehörten. Gegenstand der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist nicht der Erwerb der Anteile als solcher, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke (BFH-Urteil vom 12. Januar 1994 II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408). Die Vorschriften des § 1 Abs. 3 GrEStG behandeln denjenigen, der infolge des Erfüllungsgeschäfts Alleingesellschafter einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft werden würde, so, als gehörten ihm die Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, m.w.N.).
a) Der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG steht nicht entgegen, dass die Klägerin bereits vor Abschluss des Vertrags vom 20. Dezember 1991 Inhaberin aller Anteile sowohl an der RE-GmbH als auch an der R-GmbH, RS-GmbH, RP-GmbH und HP-KG war. Die Stellung der Klägerin als Alleingesellschafterin dieser Gesellschaften lässt deren jeweilige zivilrechtliche Selbständigkeit unangetastet. Rechtsvorgänge zwischen diesen selbständigen Rechtsträgern sind notwendigerweise mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden und erfüllen damit die Voraussetzungen der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Die Tatsache, dass der alle Anteile an einer Gesellschaft übertragende Rechtsträger zugleich Alleingesellschafter der die Anteile erwerbenden Gesellschaft ist, steht einer Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen (BFH-Urteil vom 31. März 2004 II R 54/01, BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658, m.w.N.). Es gilt insoweit nichts anderes als im Fall einer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerbaren Übertragung des Eigentums an Grundstücken zwischen der Klägerin und der RE-GmbH bzw. zwischen der RE-GmbH und der R-GmbH, RS-GmbH, RP-GmbH und HP-KG. Der Umstand, dass sich die unmittelbare Beteiligung der Klägerin an der R-GmbH, RS-GmbH, RP-GmbH und HP-KG infolge der Anteilsübertragung auf die RE-GmbH in eine mittelbare Beteiligung gewandelt hat, ist für die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ohne Bedeutung.
b) Zutreffend hat das FG die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht aufgrund der Entscheidungen des BFH (Urteile in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, und in BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408) verneint. Diese Urteile betrafen Fälle, in denen eine Obergesellschaft die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz teils selbst (unmittelbar), teils (mittelbar) über eine andere Gesellschaft hält, an der sie zu 100 v.H. beteiligt ist. In diesem Fall löst die Veränderung der zivilrechtlichen Rechtszuständigkeit dadurch, dass die der Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich bereits zugerechneten Anteile auf sie übertragen werden, sich also unmittelbar in ihrer Hand vereinigen, bei im Übrigen unveränderten Beteiligungsverhältnissen keine Grunderwerbsteuer aus. Dies gilt jedoch nicht, wenn --wie im Streitfall-- einer (Unter-)Gesellschaft ihr bisher weder mittelbar noch unmittelbar zugeordnete Anteile an anderen grundbesitzenden Gesellschaften erstmalig zugeordnet werden (BFH-Urteil vom 15. Januar 2003 II R 50/00, BFHE 200, 430, BStBl II 2003, 320).
3. Die Voraussetzungen für eine Anrechnung einer der Klägerin für den Erwerb der Anteile an der R-GmbH, RS-GmbH, RP-GmbH und HP-KG berechneten Steuer nach § 1 Abs. 6 GrEStG liegen nicht vor. Dem Erwerb der RE-GmbH war kein anderer Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG vorausgegangen. § 1 Abs. 6 GrEStG setzt voraus, dass an den aufeinander folgenden Erwerbsvorgängen auf der Erwerberseite dieselbe Person beteiligt ist --Erwerberidentität-- (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126, BStBl II 1971, 278, und in BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658). Daran mangelt es, wenn --wie im Streitfall-- der Anteilsvereinigung in der Hand einer Gesellschaft eine Anteilsvereinigung in der Hand der Alleingesellschafterin dieser Gesellschaft vorausgegangen ist. Zum anderen fehlt es bei der vorliegend gegebenen Aufeinanderfolge von Anteilsvereinigung und Anteilsübertragung an dem Erfordernis des § 1 Abs. 6 GrEStG, dass einem in § 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG 1983 bezeichneten Rechtsvorgang ein in einem anderen dieser Absätze bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist (BFH-Urteil in BFHE 200, 430, BStBl II 2003, 320). Eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG scheidet mangels einer dazu erforderlichen Regelungslücke aus (BFH-Urteile vom 5. November 2002 II R 23/00, BFH/NV 2003, 505, und in BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658). Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, die Anrechnung der einem Dritten berechneten Steuer in die Regelung des § 1 Abs. 6 GrEStG aufzunehmen.
4. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die angegriffenen Bescheide vor Eintritt der Festsetzungs-/Feststellungsverjährung ergangen sind.
Gemäß § 170 Abs. 1 AO 1977 beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 u.a. für Fälle, in denen eine Anzeige zu erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor; die Festsetzungs-/Feststellungsfrist begann erst mit Ablauf des Jahres 1994.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrEStG i.V.m. § 13 Nr. 1 GrEStG waren die RE-GmbH als Anteilserwerberin und die Klägerin als bisherige Inhaberin der Anteile und damit als am Erwerbsvorgang Beteiligte Steuerschuldner und somit beide zur Anzeige des Vertrages vom 20. Dezember 1991 bei der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts (BFH-Urteil vom 21. Juni 1995 II R 11/92, BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802) verpflichtet. Diese Pflicht bestand unabhängig davon, dass derselbe Vorgang auch nach § 18 GrEStG durch den Notar anzuzeigen war (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1996 II R 69/94, BFHE 181, 341, BStBl II 1997, 85, und vom 4. März 1999 II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301). RE-GmbH und Klägerin sind der Anzeigepflicht nicht nachgekommen; denn sie haben selbst keine Anzeige erstattet.
Die Anzeigepflichtverletzung der am Erwerbsvorgang Beteiligten wurde im Streitfall auch nicht durch eine wirksame Anzeige eines anderen zur Anzeige Verpflichteten, hier des beurkundenden Notars mit der Folge ausgeglichen, dass die Festsetzungs-/ Feststellungsfrist nicht gehemmt wurde (vgl. hierzu: BFH-Urteil in BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802). Denn auch der den Vertrag vom 20. Dezember 1991 beurkundende Notar ist seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Anzeige gemäß § 18 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 GrEStG nicht nachgekommen. Gemäß § 18 Abs. 5 GrEStG sind Anzeigen an das für die Besteuerung, in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG a.F. an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten. Die Anzeigepflicht wird nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts erfüllt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 178, 228, BStBl II 1995, 802). Dieser Verpflichtung ist der Notar nicht nachgekommen, weil er den Vertrag lediglich bei der Kapitalverkehrsteuerstelle des Finanzamts F eingereicht hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1369456 |
BFH/NV 2005, 1365 |
HFR 2005, 1103 |