Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung von Grundstücken einer Personengesellschaft auf ihre Gesellschafter
Leitsatz (NV)
Überträgt eine Personengesellschaft Grundstücke auf ihre Gesellschafter lediglich gegen Übernahme der auf den Grundstücken grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverbindlichkeiten, so liegt -- außer der Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten -- regelmäßig eine weitere Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne auch dann nicht vor, wenn der Wert der Grundstücke (gegebenenfalls deutlich) höher ist als die übernommenen Darlehensverbindlichkeiten.
Normenkette
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Rechtsverkehr als A- GbR auftritt. An der Gesellschaft sind drei Schwestern des Klägers als Gesellschafter beteiligt. Alle vier Gesellschafter sind im gleichen Umfang am Vermögen der Gesellschaft beteiligt (je 25 v. H.). Die GbR besaß zehn Grundstücke.
Der Kläger und seine drei Schwestern waren darüber hinaus Gesellschafter einer weiteren Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Rechtsverkehr als B-GbR auftrat. An dieser Gesellschaft waren der Kläger zu 26,191 v. H. und seine drei Schwestern zu je 24,603 v. H. beteiligt. Diese Gesellschaft war Eigentümerin eines Grundstücks. Alle diese Grundstücke stammten aus dem Nachlaß des Vaters der Gesellschafter und ihres Großvaters.
Am ... 1991 schlossen der Kläger und seine Mitgesellschafterinnen einen notariell beurkundeten Vertrag, den sie als "Auseinandersetzungsvertrag" bezeichneten. Einleitend wurde in diesem Vertrag erklärt:
"Wir sind übereingekommen, zum Zwecke der weiteren Erbauseinandersetzung die BGB-Gesellschaften zu vereinigen und aus dem Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts einzelne Grundstücke an die einzelnen Gesellschafter in Anrechnung auf ihre Gesellschaftsbeteiligung zu Alleineigentum zu übertragen."
In dem Vertrag wurde zunächst das Grundstück der B-GbR auf die A-GbR übertragen. Sodann wurden einzelne Grundstücke aus der A-GbR auf die vier Gesellschafter übertragen. Einzelne dieser Grundstücke waren mit Grundpfandrechten belastet. In Höhe der Valutierung wurden die zugrundeliegenden Darlehensverbindlichkeiten von den erwerbenden Gesellschaftern übernommen. Dabei erhielt der Kläger zwei Grundstücke. Eines dieser Grundstücke war zum Übertragungszeitpunkt mit Grundschulden belastet, die in Höhe von ... DM valutiert waren. Die zugrundeliegende Darlehensschuld wurde vom Kläger als Alleinschuldner in dem Vertrag übernommen. In dem Vertrag wurde sodann erklärt:
"Die Vertragsschließenden gehen davon aus, daß die den einzelnen Gesellschaftern übertragenen Grundstücke bzw. Wohnungen unter Berücksichtigung der übernommenen Belastungen gleichwertig sind. Demgemäß ist ein Ausgleich zwischen den Vertragsschließenden nicht zu erbringen."
Der Gesamtvermögenswert der Grundstüke der GbR betrug ursprünglich ... DM. Der Wert der auf die Gesellschafter übertragenen Grundstücke betrug ... DM (entspricht ca. 40 % des Gesamtwerts).
Durch Bescheid vom 22. Juli 1991 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Die nach Auffassung des FA auf den Kläger entfallende Gegenleistung ermittelte das FA dabei wie folgt:
Verkehrswert der verteilten
Grundstücke ... DM
abzüglich Belastungen ./. ... DM
verbleiben ... DM
klägerischer Anteil (25 v. H.) ... DM
zuzüglich übernommener Belastung ... DM
gesamte Gegenleistung des Klägers ... DM
Daraus errechnete das FA eine Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM, wovon es 25 v. H. nach § 6 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) unerhoben ließ.
Hiergegen richtete sich die Klage, mit der Herabsetzung der Grunderwerbsteuer begehrt wurde. Der Erwerb der Grundstücke sei zwar nach der Gegenleistung zu berechnen, diese bestehe aber lediglich im Wert der übernommenen Darlehensverbindlichkeit.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Erwerb der Grundstücke durch den Kläger sei nicht nach § 3 Nr. 3 GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen. Im Streitfall sei die Erbauseinandersetzung im Zeitpunkt der Grundstücksübertragungen bereits vollzogen gewesen. Dies sei nicht nur bereits dann der Fall, wenn ein Nachlaßgrundstück auf die Erben zu Alleineigentum oder Bruchteilseigentum übergegangen sei, sondern auch dann, wenn es auf eine zwischen den Miterben schuldrechtlich vereinbarte Gesamthand übertragen werde. Der Kläger habe als Gegenleistung für den Erwerb der Grundstücke nicht nur die auf den Grundstücken ruhenden Belastungen übernommen. Er habe darüber hinaus gegenüber seinen Mitgesellschaftern auf seinen Auseinandersetzungsanspruch aus der Übertragung weiterer Grundstücke an die Mitgesellschafter in Höhe von ... DM verzichtet, um selbst einen Anspruch auf Übertragung der Grundstücke auf ihn zu erhalten. Außerdem habe er bei der Übertragung des Grundbesitzes der B-GbR auf die A- GbR in Höhe von 1,191 v. H. auf in diesem Grundbesitz verkörperten Anteilswert verzichtet. Die vorgenommene Verteilung der Grundstücke sei nur möglich gewesen, weil die Gesellschafter vorweg untereinander darüber einig gewesen seien, daß jeder der Gesellschafter bei Begründung des auf ihn entfallenden Übertragungsanspruchs für die ihm zufallenden Grundstücke als Gegenleistung zugunsten der Mitgesellschafter auf die ihm zustehenden Rechte gemäß §§ 711 und 732f. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verzichteten. Das FA gehe im Ergebnis zu Recht davon aus, daß als Gegenleistung des Klägers für die Übertragung der Grundstücke unter deren gemeinen Wert die Minderung des "inneren Wertes" der Gesellschaftsanteile des Klägers zu sehen sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Geltend gemacht wird die Verletzung materiellen Rechts. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und unter Abänderung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer lediglich unter Berücksichtigung der übernommenen Darlehensschuld festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und unter Änderung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung zur Herabsetzung der Grunderwerbsteuer.
Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß außer der vom Kläger übernommenen Darlehensschuld eine weitere Gegenleistung vorliege.
1. Die durch den notariell beurkundeten Vertrag vom ... 1991 begründete Verpflichtung der Gesellschaft zur Übertragung des Eigentums an zwei Grundstücken auf den Kläger unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer. Die Steuer hierfür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983). Die Gegenleistung i. S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 GrEStG 1983 besteht aus der vom Kläger übernommenen Verpflichtung aus dem Darlehen, die auf einem der von ihm erworbenen Grundstücke grundpfandrechtlich gesichert ist.
Eine weitere Gegenleistung i. S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 GrEStG 1983 hat der Kläger nicht erbracht. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Erwerb des Grundstücks und Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Senatsurteil vom 12. Oktober 1994 II R 4/91, BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69, m. w. N.). Eine Gegenleistung in diesem Sinn hat der grundstückserwerbende Kläger an die grundstücksveräußernde Gesellschaft nicht erbracht. Zwar kann eine Gegenleistung in diesem Sinn auch bei Grundstücksübertragungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gegeben sein (vgl. z. B. Senatsurteil vom 25. Januar 1989 II R 26/86, BFHE 156, 251, BStBl II 1989, 466). Erforderlich dafür ist jedoch, daß im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft neben der ausdrücklich im Vertrag genannten Gegenleistung ein weiterer Leistungsaustausch feststellbar ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn als Entgelt für den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück anderweitige Ansprüche aufgegeben oder durch die Grundstücksübereignung ersatzweise erfüllt werden. Ein solcher Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und der Gesellschaft liegt im Streitfall jedoch nicht vor.
Weder die durch die Grundstücksübertragung unter Wert verursachte Schmälerung der Gewinnerwartungen des Klägers noch die dadurch bedingte Hinnahme der Minderung des inneren Werts seiner Gesellschaftsbeteiligung können -- wovon auch das FG ausgeht -- als Leistung des Klägers an die veräußernde Gesellschaft angesehen werden. Ein Gewinnauszahlungsanspruch ist in bezug auf die Grundstücksübertragung mangels Gewinnrealisierung nicht entstanden. Ein Anspruch, auf den der Kläger insoweit hätte verzichten können, lag mithin nicht vor (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1977 II R 115/69, BFHE 124, 237, BStBl II 1978, 201). Auch in der Hinnahme der Minderung des inneren Werts der Gesellschafterstellung durch die Vereinbarung eines unter dem gemeinen Wert liegenden Kaufpreises für das Grundstück kann keine Leistung des Klägers an die Gesellschaft gesehen werden. Die GbR hat dadurch keine Vermögensmehrung erfahren und der Kläger nicht auf Ansprüche gegen die Gesellschaft verzichtet (vgl. auch insoweit Senatsurteil in BFHE 124, 237, BStBl II 1978, 201).
Auch die Gesellschafterstellung des Klägers als solche ist durch den Vertrag vom ... 1991 nicht verändert worden. Er ist weiterhin Gesellschafter mit derselben anteiligen Beteiligung am Vermögen geblieben. Eine Gegenleistung könnte insoweit nur dann vorliegen, wenn der Kläger auf einen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens bzw. auf Verteilung des Gesellschaftsvermögens verzichtet hätte (Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Ein solcher Anspruch eines Gesellschafters nach § 734, § 738 BGB besteht jedoch nur im Rahmen einer Auseinandersetzung nach Auflösung der Gesellschaft (§§ 730 f. BGB). Die GbR im Streitfall ist jedoch nicht aufgelöst. Angesichts der Tatsache, daß der von der GbR zurückbehaltene Grundbesitz einen größeren Wert besitzt als der auf die Gesellschafter übertragene, kann die Übertragung der Grundstücke an den Kläger und seine Mitgesellschafterinnen auch nicht "gleichsam" als Liquidation der Gesellschaft behandelt werden. Es besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß eine Teilliquidation vorliegt (vgl. auch insoweit Senatsurteil in BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186, 187).
Ordnet das Gesetz -- wie hier -- als Bemessungsgrundlage den Wert der Gegenleistung an, so ist diese grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn sie den Wert des Grundstücks -- gegebenenfalls deutlich -- unterschreitet; es kann nicht der Wert des Grundstücks -- gleichsam als Hilfsmaßstab -- als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.
Entgegen der Auffassung des FG hat der Kläger auch keine Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gegenüber seinen Mitgesellschafterinnen erbracht. Dem Kläger standen gegenüber seinen Mitgesellschafterinnen keine geldwerten Ansprüche zu, auf die er insoweit verzichten konnte. Insbesondere hatte er -- entgegen der Auffassung des FG -- keinen Anspruch auf "ordnungsgemäße Herbeiführung eines Auseinandersetzungsbeschlusses", da eine Auseinandersetzung i. S. von § 732 f. BGB von den Gesellschaftern weder geplant noch tatsächlich durchgeführt worden ist. Durch die Ausübung seines Mitgeschäftsführungsrechts nach § 711 Satz 1 BGB hat er auch nicht -- zumal nicht gegen Entgelt -- auf sein Widerspruchsrecht nach Satz 2 der Vorschrift verzichtet.
Auch die Tatsache, daß der Kläger an der B- GbR um 1,191 v. H. vermögensmäßig höher beteiligt war als seine Mitgesellschafterinnen, führt zu keiner Gegenleistung für seinen Grundstückserwerb von der GbR. Die Tatsache der Verringerung seiner Betei ligung an der zweiten Gesellschaft könnte allenfalls grunderwerbsteuerrechtlich relevant sein für -- die im Streitfall nicht zu beurteilenden -- Grundstücksübertragungen zwischen den beiden Gesellschaften.
2. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Gegenleistung für den Grundstückserwerb des Klägers ist allein die übernommene Darlehensverbindlichkeit. In Höhe des Anteils des Klägers an der GbR (25 v. H.) ist die danach zu berechnende Grunderwerbsteuer nach § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 nicht zu erheben. Da Klage und Revision danach in vollem Umfang stattzugeben ist, kommt es auf die Frage nicht mehr an, ob der Erwerb des Klägers nach § 3 Nr. 3 GrEStG 1983 von der Steuer befreit ist.
Fundstellen
Haufe-Index 422149 |
BFH/NV 1997, 613 |
DStRE 1998, 285 |