Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags im VZ 1986
Leitsatz (redaktionell)
Der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 EStG ist in der für das Jahr 1986 geltenden Fassung mit dem GG vereinbar.
Normenkette
EStG § 32a Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 14.07.1988; Aktenzeichen 5 K 424/88) |
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist verheiratet. Er wurde für das Streitjahr 1986 zusammen mit seiner Ehefrau, einer Studentin, zur Einkommensteuer veranlagt. Als Rechtsreferendar bezog er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus einer freiberuflichen Nebentätigkeit für die Anwaltskanzlei seiner Prozeßbevollmächtigten.
Mit Einkommensteuerbescheid 1986 vom 19.November 1987 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) für die Eheleute ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 23 945 DM und setzte die Einkommensteuer nach der Splittingtabelle mit 3 254 DM fest.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger den Ansatz eines höheren Grundfreibetrags begehrte, hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 581 veröffentlichten Entscheidung aus, die Regelung des § 32a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1986 verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Wenn dem Kläger auch zuzugeben sei, daß ein Grundfreibetrag von 4 536 DM (monatlich 378 DM) zur Deckung des Existenzminimums nicht ausreiche und diese Ermäßigung deshalb für sich genommen realitätsfremd niedrig sei, so folge daraus jedoch noch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Als eine Berechnungsstufe zur Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer könne der Grundfreibetrag nicht isoliert gesehen werden. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sei daher nicht anzunehmen, solange ein Steuerpflichtiger zur Erfüllung der Steuerschuld nicht das realistische Existenzminimum antasten müsse. Dem Kläger verbliebe aber nach Abzug der Einkommensteuer noch ein Betrag von etwa 20 000 DM, der ihm und seiner Ehefrau ein im Vergleich zu den sozialhilferechtlichen Regelsätzen realistisches Existenzminimum belasse. Daraus folge zugleich, daß der Einkommensteuertarif auch nicht gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG verstoße.
Dagegen richtet sich die Revision, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts und trägt unter Verweisung auf das Schrifttum vor: Der im Streitjahr geltende Grundfreibetrag sei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts realitätsfremd niedrig. Darin liege ein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, so daß der Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei. Wenn der Staat den Steuerpflichtigen durch Besteuerung des Existenzminimums zum Sozialfall mache, um ihm anschließend zur Sicherung dieses Mindestbedarfs wieder staatliche Leistungen zukommen zu lassen, seien auch das Grundrecht auf Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verletzt. Die Vorentscheidung verkenne, daß das Existenzminimum jedem Steuerpflichtigen, auch dem Reichen, einzuräumen sei. Die Verfassungswidrigkeit sei daher auch im Streitfall gegeben, wo ihm, dem Kläger, nach Abzug der Steuerschuld das Existenzminimum noch verblieben sei.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1986 mit der Maßgabe abzuändern, daß ein Grundfreibetrag von 18 000 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß dem Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr nur der zweifache in § 32a Abs. 1 EStG vorgesehene Grundfreibetrag zu gewähren war.
Nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 EStG 1986 beträgt die Einkommensteuer für zu versteuernde Einkommen bis 4 536 DM (Grundfreibetrag): 0 und für zu versteuernde Einkommen von 4 537 DM bis 18 035 DM: 0,22 × -998. Bei zusammenveranlagten Ehegatten wird der Grundfreibetrag in doppelter Höhe berücksichtigt.
Die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Bemessung des Grundfreibetrags greifen nicht durch. Der Senat nimmt insoweit wegen der Begründung Bezug auf die Ausführungen in seiner Entscheidung III R 14-16/90 vom 8.Juni 1990 (BFHE 161, 109).
Fundstellen