Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wenn Wertpapiere an Miterben abweichend von einer ausdrücklichen Teilungsanordnung des Erblassers oder von den - mangels letztwilliger Anordnungen des Erblassers - maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zugewiesen werden, so liegt ein börsenumsatzsteuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft nur insoweit vor, als die Zuweisung nicht erzwungen werden kann, sondern auf gütlicher Einigung der Beteiligten beruht.
Normenkette
KVStG § 18 Abs. 1
Tatbestand
Der Kaufmann X. verstarb am 20. Oktober 1956 ohne Hinterlassung eines Testaments. Gesetzliche Erben sind die Ehefrau des Erblassers zu 1/4 sowie seine Tochter, die Beschwerdeführerin (Bfin.), zu 3/4. Zum Nachlaß gehörten Geschäftsanteile an der A. GmbH in B. Durch notarielle Urkunde vom 31. Januar 1957 hat die aus der Witwe und der Bfin. bestehende Erbengemeinschaft die dieser noch verbliebenen Geschäftsanteile von 575.000 DM im Wege einer Teilauseinandersetzung an die Bfin. abgetreten. Der Gegenstand soll bei der endgültigen Erbauseinandersetzung festgestellt und verrechnet werden.
Streitig ist, ob die Abtretung der Geschäftsanteile an die Bfin. der Börsenumsatzsteuer unterliegt.
Das Finanzamt setzte die Börsenumsatzsteuer nach dem vorläufigen Barpreis von 575.000 DM auf vorläufig 4.312,50 DM fest.
Mit dem Einspruch machte die Bfin. geltend, sie habe einen Rechtsanspruch auf Abtretung der Geschäftsanteile gegen die aus ihrer Mutter und ihr selbst bestehende Erbengemeinschaft gehabt. Die Erbauseinandersetzung sei zwangsläufig gewesen.
Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist zum Teil begründet.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil II 148/52 S vom 20. November 1952, BStBl 1953 III S. 2, Slg. Bd. 57 S. 1) ist die Börsenumsatzsteuer als eine Rechtsverkehrsteuer in allen Fällen zu erheben, in denen die Merkmale eines Anschaffungsgeschäfts im Sinne des § 18 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) vorliegen.
Bei Erbauseinandersetzungsverträgen und bei Vereinbarungen über die überlassung von Wertpapieren, zu denen auch die Geschäftsanteile an einer GmbH gehören, aus dem Vermögen der Erbengemeinschaft an Miterben bedarf es einer besonderen Prüfung, ob sämtliche Merkmale eines steuerpflichtigen Anschaffungsgeschäfts gegeben sind. Ein Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 18 Abs. 1 KVStG setzt unter anderem einen frei gewollten Vertragsabschluß voraus. Die Verpflichtung zur übereignung muß durch einen unmittelbar hierauf gerichteten Vertrag zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber begründet werden. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn bereits auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften die Verpflichtung zur übereignung besteht, wenn also die Verpflichtung zur übereignung durch das fragliche Rechtsgeschäft nicht erst neu geschaffen wird (vgl. hierzu Urteil des Reichsfinanzhofs II 305/34 vom 3. Mai 1935, RStBl 1935 S. 778). Bei einer Erbengemeinschaft ist die Auseinandersetzung in der Regel zwangsläufig (ß 2042 BGB). Von der Rechtsprechung ist anerkannt, daß hierbei ein obligatorisches Anschaffungsgeschäft nicht vorliegt, wenn die Zuteilung der Wertpapiere auf letztwilliger Anordnung beruht oder wenn mehrere gleichartige im Nachlaß befindliche Wertpapiere gemäß §§ 2042, 752 BGB unter den Miterben nach Verhältnis ihrer Anteile in Natur aufgeteilt werden. Soweit die vorgenommene Zuweisung von Wertpapieren im Wege der Auseinandersetzungsklage erzwingbar ist, ist sie als zwangsläufig anzusehen. In diesem Umfang ist somit ein Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 18 Abs. 1 KVStG nicht anzunehmen, weil das Merkmal der Freiwilligkeit fehlt.
In der Entscheidung II 148/52 S hat der erkennende Senat die Auffassung vertreten, daß ein in vollem Umfange steuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft vorliegt, wenn die Wertpapiere an die einzelnen Miterben abweichend von einer ausdrücklichen Teilungsanordnung des Erblassers oder von den - mangels letztwilliger Anordnung des Erblassers - maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zugewiesen werden. Nach erneuter Prüfung hält der Senat an dieser Ansicht nicht mehr fest. Es kann nicht verkannt werden, daß der Miterbe auf die Zuweisung von Wertpapieren, soweit sie seinem Anteil an der Erbengemeinschaft entspricht, einen Anspruch hat und insoweit die Zuweisung erzwingen kann. Dieser Umstand rechtfertigt die Auffassung, daß ein freiwilliges steuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft nur insoweit vorliegt, als die Zuweisung nicht erzwungen werden kann, sondern vielmehr auf der gütlichen Einigung der Beteiligten beruht. Demgemäß war im Streitfall ein steuerpflichtiges Anschaffungsgeschäft nur für die Zuweisung von einem Viertel der Geschäftsanteile anzunehmen. Insoweit besteht deshalb die Heranziehung zur Börsenumsatzsteuer zu Recht. An diesem Ergebnis kann auch der Umstand nichts ändern, daß § 7 des Gesellschaftsvertrages der A. GmbH Bestimmungen zu dem Verfügungsrecht über die Geschäftsanteile für den Fall der Erbfolge vorsieht. Zutreffend hat das Finanzgericht festgestellt, daß nach diesen Bestimmungen die an der Erbengemeinschaft zu 1/4 beteiligte Mutter der Bfin. die Rechte, die sie durch den Erbfall zunächst an den Anteilen erworben hatte, bestimmten anderen Personen, zu denen auch die Bfin. gehörte, anbieten mußte. Für den Fall der Ablehnung des Angebots der Mutter durch die zunächst Berechtigten verweist nach den Feststellungen des Finanzgerichts § 7 des Gesellschaftsvertrages auf die im § 6 dieses Vertrages getroffenen Vereinbarungen zur Vertretungsbefugnis der Gesellschafter über die Geschäftsanteile. Hiernach hätte die Mutter der Bfin. die Rechte an den Geschäftsanteilen zunächst den Gesellschaftern der Familie X. im Verhältnis ihrer Beteiligung und im Falle der Ablehnung der C. AG anbieten müssen. Falls auch letztere ablehnte, verblieben die Rechte an den Geschäftsanteilen der Mutter zur freien Verfügung. Im Streitfall war also in Höhe von 1/4 der Geschäftsanteile ein Zwang zur übertragung der Anteile durch die Mutter an die Bfin. und zum Erwerb der Anteile durch die Bfin. nicht gegeben. In Höhe von 1/4 der durch die notarielle Verhandlung vom 31. Januar 1957 übertragenen Anteile liegt deshalb ein freiwilliges Anschaffungsgeschäft vor. Dieses Anschaffungsgeschäft war auch entgeltlich, da nach der Feststellung des Finanzgerichts der Gegenwert für die Geschäftsanteile erstattet bzw. bei der endgültigen Erbauseinandersetzung verrechnet werden sollte.
Die Vorentscheidungen waren somit aufzuheben und die Steuerfestsetzung abzuändern. Die Sache ist spruchreif. Die Börsenumsatzsteuer beträgt nach § 22 KVStG 0,75 DM für jede angefangenen 100 DM des vorläufigen Barpreises von 1/4 von 575.000 DM = 143.750 DM. Die Börsenumsatzsteuer war demgemäß vorläufig auf 1.078,50 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 409397 |
BStBl III 1959, 420 |
BFHE 1960, 422 |
BFHE 69, 422 |