Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfamilienhaus - Befreiung sozialer Wohnungsbau
Leitsatz (amtlich)
Ein Einfamilienhaus ist jedenfalls dann bezogen im Sinn des § 1 Nr. 5 des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer i.d.F. vom 17. Februar 1966 (GVBl 1966 S. 64), wenn es bewohnt wird. Ob es dauernd oder nur an Wochenenden bewohnt wird, ist ohne Bedeutung.
Normenkette
GrEStSWG ND § 1 Nr. 5; GrEStSWG ND 1952 § 1 Nr. 3
Tatbestand
I. Der Kläger erwarb im März 1966 von Frau K. ein Einfamilienhaus in X. (Niedersachsen) gegen Zahlung einer lebenslänglichen Rente. Das beklagte Finanzamt setzte deshalb mit Bescheid vom 4. November 1966 5.658,80 DM Grunderwerbsteuer fest; die beantragte Steuerbefreiung lehnte es wegen Überschreitung der Fünfjahresfrist des § 1 Nr. 5 des Niedersächsischen Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung vom 17. Februar 1966 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1966 S. 64) - GrESWG - ab. Die Einspruchsentscheidung, mit der es die Festsetzung der Steuer auf 6.944 DM erhöhte, begründete es wie folgt: Nach den von Frau K. abgegebenen Erklärungen für die Einheitsbewertung sei das Wohnhaus am 27. November 1959 bezugsfertig gewesen und an diesem Tage bezogen worden; in dem Verfahren zur Erlangung des Anerkennungsbescheides für die Grundsteuervergünstigung habe Frau K. ebenfalls angegeben, das Gebäude am 27. November 1959 bezogen zu haben; weiter habe sie sich am 27. November 1959 polizeilich in X. angemeldet und sich nach ihrer Erklärung nach diesem Zeitpunkt auch laufend in X., wenn auch nur vorübergehend, in ihrem Wohnhaus aufgehalten.≪/Absatz≫≪Absatz≫Die gegen den Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobenen Klage hatte Erfolg: Das FG stellte fest, dass Frau K. sich im Wesentlichen nur an den Wochenenden in dem Haus aufgehalten habe. Das Haus sei deshalb im Sinne des § 1 Nr. 5 GrESWG nicht bezogen gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Nach § 1 Nr. 5 GrESWG ist der erste Erwerb eines bebauten Grundstücks bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen steuerfrei, wenn zzt. des Erwerbs Wohnungen in dem Gebäude noch nicht oder höchstens seit fünf Jahren bezogen sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Erwerb des Grundstücks durch den Kläger nicht. Der Kläger erwarb das Grundstück am 4. März 1966. Die Veräußerin hatte das Einfamilienhaus Ende 1959 nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt bezogen.
Bezogen ist ein Einfamilienhaus jedenfalls dann, wenn es bewohnt wird. Ob es dauernd oder nur an Wochenenden bewohnt wird, ist für den Beginn der Fünfjahresfrist ohne Bedeutung. Eine andere Auslegung würde dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen und fände auch im Wortlaut der Vorschrift keine ausreichende Stütze. Folgte man der abweichenden Auffassung des FG, so könnte das Haus noch 20 oder 30 Jahre nach seiner Erbauung steuerfrei erworben werden, wenn es bis dahin nur zum Wochenendaufenthalt benutzt worden wäre. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die Rechtsauffassung des FG, wonach es nur auf den Beginn der normalen Benutzung zu Wohnzwecken ankomme, worunter offensichtlich die Nutzung für Wochenendaufenthalte nicht fallen soll, zu unannehmbaren Ergebnissen führt.
Als die Vorschrift 1952 geschaffen wurde (vgl. § 1 Nr. 3 GrESWG vom 2. Juli 1952, GVBl S. 53, BStBl II, 74), konnte Steuerfreiheit für einen Ersterwerb nur eintreten, wenn Wohnungen in dem Gebäude noch nicht oder höchstens seit drei Monaten bezogen waren. Diese Formulierung zeigt deutlich, dass die Vorschrift in erster Linie den Erwerb von einem Bauherrn von der Grunderwerbsteuer befreien wollte, der das Grundstück zur Veräußerung bebaut hatte. Die alsbaldige Veräußerung sollte sicher gestellt werden. Dies lässt auch der seinerzeitige Einführungserlass deutlich erkennen (vgl. BStBl II 1952, 106, zu § 1 Nr. 3). Mit der Verlängerung der Erwerbsfrist von drei Monaten zunächst auf drei Jahre und 1966 auf fünf Jahre wurde dann auch für diejenigen, die ein Haus zur Eigennutzung gebaut hatten, praktisch die Möglichkeit eröffnet, das Grundstück innerhalb der vorgesehenen Fristen steuerfrei zu veräußern. Der erkennbare Zweck der Vorschrift bestand aber nach wie vor darin, die Steuerfreiheit davon abhängig zu machen, dass das Grundstück nach seiner Bebauung innerhalb angemessener Frist veräußert wird. Dieser Zweckbestimmung würde es widersprechen, die Frist bei einem Bezug des Hauses zum Bewohnen an Wochenenden nicht beginnen zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 71665 |
BStBl II 1976, 26 |
BFHE 117, 87 |