Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Erwerb eines Dauerwohnrechts und dem Erwerb eines Wohnungseigentums handelt es sich um Erwerbe verschiedener Wirtschaftsgüter. Das gilt auch dann, wenn beide Erwerbe miteinander in Verbindung stehen.
Zur Frage der Bindung des Finanzamts durch die unrichtige Auskunft eines Sachbearbeiters der Veranlagungsstelle.
Normenkette
KStG § 6/1/1; EStG § 23
Tatbestand
Die steuerpflichtige Ehefrau hat im Mai 1961 eine Eigentumswohnung für 35 070 DM gekauft und im November 1961 für 64 300 DM verkauft. Der verhältnismäßig niedrige Kaufpreis erklärt sich daraus, daß die Ehefrau zunächst an einer in demselben Haus gelegenen Wohnung ein Dauerwohnrecht erworben, dieses dann aber durch Konkurs der Eigentümerin des Hauses verloren hatte. Bei der Konkursabwicklung hatte eine Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft das Haus erworben. Diese bot die Wohnungen den früheren Dauerwohnberechtigten zum Erwerb an.
In dem berichtigten Einkommensteuerbescheid 1961 setzte das FA einen Spekulationsgewinn an, den es wie folgt berechnete:
Barzahlung für Dauerwohnrecht -- 7.000 DM Tilgung auf Restkaufpreisschuld 3.622 DM Kaufpreis Wohnungseigentum ---- 35.070 DM Notariatskosten ---------------- 604 DM Spesen ------------------------- 2.500 DM Anschaffungspreis insgesamt --- 48.796 DM Verkaufspreis ----------------- 64.300 DM Gewinn ------------------------ 15.504 DMDie Stpfl. hielten ein Spekulationsgeschäft nicht für gegeben, weil der Zeitpunkt des Erwerbs des Dauerwohnrechts maßgebend sein müsse. Auf jeden Fall aber, so machten sie geltend, verstoße die Heranziehung gegen Treu und Glauben. Vor der Veräußerung hätten sie sich beim FA erkundigt, das dabei ausdrücklich erklärt habe, daß die Veräußerung nicht schädlich sei.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Wie das FA, so hielt auch das FG einen Gewinn im Sinne des § 23 EStG für gegeben, weil es allein auf den Erwerb und die Veräußerung der Eigentumswohnung ankomme. Der Auskunft des FA legte das FG nicht die vom Stpfl. gewünschte Bedeutung bei. Die Anfrage des Stpfl., so führte es aus, sei nicht so vollständig gewesen, daß die hierauf erteilte Antwort zu einer Bindung des FA führen könne.
Mit der Revision rügen die Stpfl. unrichtige Würdigung der Auskunft des FA durch das FG. Dem FA seien, so machen sie geltend, alle Umstände bekannt gewesen. Wenn ihre Anfrage wirklich Unklarheiten aufgewiesen habe, so könne sich das FA darauf nicht berufen. Dem Bearbeiter, mit dem die Anfrage mündlich erörtert worden sei, seien der Konkurs der Hauseigentümerin und der hierdurch bedingte Verlust des Dauerwohnrechts ebenso bekannt gewesen wie ihre persönlichen Verhältnisse. Er hätte also, wenn er es nicht erkannt habe, doch erkennen müssen, daß die veräußerte Wohnung eine Eigentumswohnung gewesen sei, während vorher nur ein Dauerwohnrecht bestanden habe. Zu Unrecht werde ihnen vorgeworfen, daß sie den Kaufpreis für das Dauerwohnrecht zu hoch angegeben hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision kann keinen Erfolg haben. Mit Recht hat das FG den Erwerb des Dauerwohnrechts und den Erwerb des Wohnungseigentums als getrennte Vorgänge behandelt. Der für § 23 Abs. 1 EStG maßgebliche Tatbestand der Anschaffung und Veräußerung kann in Bezug auf ein Dauerwohnrecht und in Bezug auf ein Wohnungseigentum gegeben sein. Dauerwohnrecht und Wohnungseigentum sind nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich so verschieden, daß es, selbst wenn sich beide auf dieselbe Wohnung beziehen und ein Steuerpflichtiger zunächst das Dauerwohnrecht und dann das Wohnungseigentum erwirbt, nicht gerechtfertigt ist, den Zeitpunkt des Erwerbs des Dauerwohnrechts als den Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnungseigentums zu behandeln.
Danach ist es nicht zu beanstanden, daß das FG hier für die Berechnung der Frist des § 23 Abs. 1 EStG nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Dauerwohnrechts, sondern auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnungseigentums abgestellt und dementsprechend angenommen hat, daß die Veräußerung des Wohnungseigentums noch innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 EStG vorgenommen worden sei. Daß Erwerb und Veräußerung innerhalb dieser Frist liegen, ist entscheidend. Wie der Senat wiederholt ausgeführt hat, kommt es für die Frage, ob ein Spekulationsgeschäft im Sinn des § 23 Abs. 1 EStG gegeben ist, nur auf die Einhaltung der Frist, nicht aber auch darauf an, ob der Steuerpflichtige das veräußerte Wirtschaftsgut in spekulativer Absicht erworben hatte (vgl. z. B. Urteil des BFH - VI 88/63 vom 8. April 1964, HFR 1964 S. 342).
Wenn das FG für die Berechnung des Spekulationsgewinns nicht bloß den für die Eigentumswohnung gezahlten Preis, sondern auch die für das Dauerwohnrecht früher aufgewendeten Beträge mit als Anschaffungskosten der Eigentumswohnung berücksichtigt hat, so widerspricht das zwar der Tatsache, daß Dauerwohnrecht und Wohnungseigentum zwei verschiedene Wirtschaftsgüter sind. Bei den besonderen Umständen des Falles erscheint es aber auch dem Senat gerechtfertigt, die für das Dauerwohnrecht aufgewendeten Zahlungen als Teil der Anschaffungskosten der Eigentumswohnung zu behandeln, weil der verhältnismäßig niedrige Preis der Eigentumswohnung mit dem Erwerb des Dauerwohnrechts in Zusammenhang steht. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch nur für das Dauerwohnrecht in dem Haus, in dem auch die Eigentumswohnung gelegen ist. Die Einbeziehung der Aufwendungen der Stpfl. für andere Dauerwohnrechte, die durch den Konkurs ebenfalls erloschen sind, hat das FG ohne Rechtsverstoß abgelehnt.
Schließlich ist auch die Auffassung des FG, daß das FA durch seine Auskunft nicht zu einer dem Gesetz widersprechenden Veranlagung gezwungen sei, rechtlich nicht zu beanstanden. Mit Recht hält das FG eine Bindung des FA durch eine unrichtige Auskunft nur ausnahmsweise für gegeben. Wenn es hier eine solche Ausnahme nicht anerkannt hat, so handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung, an die der Senat als Revisionsinstanz gebunden ist. Dem Stpfl. mag zuzugeben sein, daß er seine Anfrage von seinem Standpunkt aus vollständig und richtig formuliert hat. Zu Unrecht aber nimmt er an, daß der Beamte, mit dem er seinen Fall besprach, von sich aus um eine weitere Aufklärung hätte bemüht sein müssen. Wie das FG feststellt, konnte der Beamte unter Zugrundelegung des in der Anfrage genannten Anschaffungspreises annehmen, daß ein Spekulationsgewinn auf keinen Fall entstehen werde. Diese Würdigung des FG enthält keinen Verstoß gegen Denkgesetze. Daß das FG zu seiner Würdigung kommen mußte, ist nicht erforderlich; es genügt, daß es zu ihr kommen konnte.
Eine Bindung des FA konnte aber im übrigen auch deswegen nicht eintreten, weil die Auskunft dem Stpfl. nicht von einem zur Vertretung des FA in Veranlagungssachen allgemein berechtigten Beamten, sondern nur von dem Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle erteilt worden ist. Der Steuerpflichtige, der eine das FA bindende Auskunft haben will, muß diese von einem zur Vertretung des FA in einschlägigen Sachen berechtigten Beamten einholen (BFH- Urteile I 62/59 S vom 25. Oktober 1960, BFH 72, 185, BStBl III 1961, 69; VI 269/60 S vom 4. August 1961, BFH 73, 813, BStBl III 1961, 562). Zur allgemeinen Vertretung des FA bei der Festsetzung der Einkommensteuer sind nach der Organisation der Finanzverwaltung neben dem Vorsteher des FA die Sachgebietsleiter berufen, die die in ihrem Sachgebiet anfallenden Steuerveranlagungen abschließend zeichnen (Urteil des Senats VI 167/61 U vom 20. Juli 1962, BFH 76, 64, BStBl III 1963, 23, mit weiteren Nachweisen). Der Stpfl. hat hier, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte, nur mit dem zuständigen Sachbearbeiter des FA gesprochen. Die Notwendigkeit und Zumutbarkeit strenger Anforderungen an mündliche Auskünfte des FA zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Der Stpfl. betont selbst, wie kompliziert die Vorgänge bei ihm lägen und daß er die Anfrage an das FA gerichtet habe, weil er von seinem Rechtsanwalt auf die Möglichkeit, daß eine Steuer nach § 23 EStG anfalle, aufmerksam gemacht worden sei. Unter diesen Umständen wäre es, um sicher zu gehen, geboten gewesen, eine schriftliche Anfrage an das FA zu richten, die dann von dem zur Vertretung des FA in diesen Sachen beauftragten Beamten bearbeitet und unterzeichnet worden wäre. Wenn der Stpfl. gleichwohl nur eine mündliche Beantwortung seiner Anfrage vom Sachbearbeiter des FA erbat, so kann er es jedenfalls dem Beamten nicht zum Vorwurf machen, daß dieser die nach der Fassung der Anfrage richtig erscheinende und eine weitere Aufklärung nicht erfordernde Antwort gab, daß eine Besteuerung schon wegen der geringen Höhe des Gewinns nicht in Betracht komme.
Fundstellen
Haufe-Index 412727 |
BStBl III 1967, 685 |
BFHE 1967, 381 |
BFHE 89, 381 |
BB 1967, 1233 |
DStR 1967, 672 |