Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Angehörige freier Berufe können einen Personenkraftwagen unter bestimmten Voraussetzungen zum Gegenstand des Betriebsvermögens machen, auch wenn der Kraftwagen im Jahr der Anschaffung nicht mindestens zu 50 v. H. betrieblich genutzt wird. Der der Verwaltungsanweisung in Abschn. 120 a Abs. 5 EStR 1950 (Abs. 4 EStR 1951) zugrunde liegenden gegenteiligen Auffassung tritt der Senat nicht bei.
Wird der Kraftwagen auch privat genutzt, so bleibt für die Berechnung der Entnahme, die in der privaten Nutzung liegt, die Sonderabschreibung außer Betracht. In den einzelnen Jahren der Nutzung ist der anteilige Absetzungsbetrag nach der tatsächlichen Nutzung in diesen Jahren zu berechnen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 4, § 7/1, § 7a/1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.), ein selbständiger Zahnarzt, hat Wohnung und Praxisräume im gleichen Haus. Er unterhält einen eigenen Kraftwagen. Für 1950 und 1951 setzte er die folgenden Aufwendungen für den Kraftwagen als Betriebsausgaben ab:
------------------------------------- 1950 ---------- 1951 --------- ----------------------------------- (in DM) ------ (in DM) --------- Betriebsstoff --------------------- 458,32 ------- 553,05 ---------- Unterhalt ---------------------- 1.492,15 ----- 1.704,65 ---------- Garage ---------------------------- 120,00 -------- 90,00 ---------- lfd. Absetzung für Abnutzung ------- -- ---------- 461,25 ---------- Sonderabsetzung für Abnutzung (§ 7 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) - -------- 3.070,00 ---------- Summe --------------------------- 2.070,47 ----- 5.878,95 ----------Nach seinen Angaben im Fahrtenbuch hat er im Jahre 1951 9.800 km beruflich und 2.600 km privat abgefahren. Deswegen behandelte er 25 v. H. der Kosten (Betriebsstoff, Unterhalt, Garage) sowie 25 v. H. der laufenden Absetzung für Abnutzung (153,75 DM) als Privatentnahmen. Für 1950 verrechnete er die vollen Aufwendungen als Betriebsausgaben, weil es infolge der Benzinzuteilung verboten gewesen sei, Privatfahrten zu machen.
Das Finanzamt erkannte bei der Veranlagung von den Aufwendungen für den Kraftwagen im Wege der Schätzung nur 300 DM und im Einspruchsverfahren 600 DM jährlich als Betriebsausgaben an.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, Fahrten zwischen Wohnung und Praxis kämen nicht in Betracht. Allein wegen der geltend gemachten Fahrten zu Zahndepots und Laboratorien sowie zum Besuch von Kieferorthopäden würde der Bf. den Kraftwagen nicht angeschafft haben; denn diese Ziele könne er auch mit den normalen Verkehrsmitteln erreichen. Wenn auch ein Zahnarzt mit den Zahntechnikern engen Kontakt halten müsse, so erfolge doch die Bestellung von Material und Ersatzteilen gewöhnlich schriftlich. Wenn demgegenüber der Bf. verhältnismäßig oft Autofahrten zu den Zahntechnikern unternommen habe, so seien dafür andere als berufliche Gründe ausschlaggebend gewesen. Bei vielen Fahrten seien mindestens private Interessen mitbestimmend gewesen, so daß die Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden könnten. Daß der Bf. ab und zu Material im Kraftwagen mitgenommen habe, sei nicht ausschlaggebend. Die Fahrten des Bf. als Kreisvorsitzender der Berufsorganisation seien berufsbedingt gewesen. Es sei auch richtig, daß wegen der Verkehrsabgelegenheit des Wohnorts für die Fahrten nach X verhältnismäßig viel Zeit erforderlich sei. Nach den vom Finanzgericht geprüften Fahrplänen bestünden aber zwischen dem Wohnort und X gute und auch häufige Verbindungen. Der geschätzte Betrag von 600 DM decke die Aufwendungen für die im beruflichen Interesse durchgeführten Fahrten des Steuerpflichtigen.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf. weiterhin, die Kraftfahrzeugkosten in dem geltend gemachten Umfang als Betriebsausgaben anzuerkennen. Er trägt insbesondere vor, es müsse ihm überlassen werden, welches Verkehrsmittel er für betriebliche Fahrten wähle. Das Finanzgericht habe im übrigen übersehen, daß die günstigen Zugverbindungen erst ab Juli 1951 bestünden. Zu den Zügen habe er aber keine Verbindung gehabt; er hätte den Anschluß nur mit einem eigenen oder gemieteten Kraftwagen erreichen können; eine solche Anfahrt hätte etwa 1 Stunde gedauert; ein Teil der Züge sei auch nur nachts gefahren. Er habe durch die Benutzung des Kraftwagens eine erhebliche Zeitersparnis erzielt. Für eine Fahrt nach X brauche man mit dem Kraftwagen etwa 3 Stunden, mit dem Zug mindestens 4 1/2 Stunden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Streitig ist, inwieweit die durch den Kraftwagen veranlaßten Aufwendungen Betriebsausgaben sind. Wie der Senat im Urteil IV 352/53 U vom 14. Oktober 1954 (Slg. Bd. 59 S. 383, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 358) ausgeführt hat, entscheidet auch bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen grundsätzlich der Unternehmer nach freiem Ermessen, ob und welche Aufwendungen er im betrieblichen Interesse machen will. Es kommt nicht darauf an, ob die Aufwendungen objektiv notwendig oder üblich sind. Das gilt auch für die Frage, ob ein Arzt oder Zahnarzt berufliche Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit einem eigenen Kraftwagen machen will (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 404/53 U vom 10. Februar 1955, BStBl. III S. 99). Das Finanzgericht stützt sich demgegenüber darauf, daß der Bf. einen Teil der als beruflich anerkannten Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hätte erledigen könne, da er günstige Verkehrsverbindungen gehabt habe. Hierin ist eine zu enge Auslegung des § 4 Abs. 4 EStG zu erblicken. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das bei der erneuten Entscheidung folgendes zu beachten hat: Anhand des vom Bf. geführten Fahrtenbuches und seiner ergänzenden Angaben ist im einzelnen zu prüfen, welche Fahrten als beruflich veranlaßt anerkannt werden können. Wie der Senat in der Entscheidung IV 352/53 U bereits ausgeführt hat, muß im Einzelfall festgestellt werden, ob Aufwendungen für einen Kraftwagen ganz oder teilweise durch den Betrieb oder die private Lebensführung veranlaßt sind. Der Steuerpflichtige kann sich, soweit es sich um die Abgrenzung betrieblicher und privater Aufwendungen handelt, nicht auf sein Ermessen in der Betriebsgestaltung berufen; denn die private Lebenshaltung steht außerhalb des Betriebs. Ist eine Ausgabe gleichzeitig aus betrieblichen und privaten Gründen gemacht worden, so sind, wenn eine andere Aufteilung nicht möglich ist, der betriebliche und der private Teil unter Berücksichtigung aller Umstände zu schätzen (§ 217 AO). Dabei können im Rahmen des Zumutbaren geeignete Nachweise vom Steuerpflichtigen verlangt werden (§ 171 AO). Ob, in welcher Form und in welchem Umfang ein Nachweis verlangt wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Der Bf. braucht im vorliegenden Fall den Kraftwagen nicht zu Fahrten zwischen Wohnung und Praxis. Er hat auch nicht vorgetragen, daß er Patientenbesuche gemacht habe. Nach seinen Angaben benutzt er den Kraftwagen vielmehr zu beruflichen Fahrten, um Dentaldepots und Laboratorien aufzusuchen; ferner, um an Fortbildungskursen teilzunehmen und um die erforderlichen Fahrten als Kreisvorsitzender seines Berufsverbandes zu machen. Nach den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung hat der Bf. eine Reihe von Fahrten aufgezeichnet, bei denen er, um kleine Rechnungen zu bezahlen, weite Fahrten mit dem Kraftwagen gemacht hat. Nach der Lebenserfahrung ist anzunehmen, daß solche Fahrten vorwiegend oder ausschließlich im privaten Interesse gemacht worden, und etwaige geschäftliche Angelegenheiten nur nebenher erledigt worden sind, ohne daß dadurch besondere Aufwendungen entstanden. Die Erfahrung spricht auch dafür, daß der Bf. bei den Fahrten nach Y in erster Linie seine Schwiegermutter besuchen wollte. Wenn er ferner behauptet, daß er bei Fahrten nach auswärts auch Gegenstände für die Praxis mitgenommen habe, so werden dadurch diese Fahrten nicht etwa ohne weiteres und voll zu Betriebsfahrten. Dann wenn der Bf. kleine Gegenstände mitgenommen hat, die ebenso gut mit der Post hätten befördert werden können, so liegt die Annahme nahe, daß diese Fahrten vorwiegend aus privaten Gründen vorgenommen worden sind.
Hat das Finanzgericht die vom Bf. gemachten Fahrten im einzelnen geprüft, so ist der Teil, der von der Gesamtnutzung auf die private Nutzung entfällt, zu schätzen. In die Verteilung sind die gesamten Aufwendungen einzubeziehen (vgl. Entscheidung des Senats IV 536/52 U vom 9. Oktober 1952, Slg. Bd. 58 S. 120, BStBl. III S. 337). Der Einwand, daß im Jahre 1950 Benzinmarken nur für Berufsfahrten ausgegeben wurden, reicht allein nicht für den Nachweis aus, daß Privatfahrten nicht unternommen wurden (vgl. die erwähnte Entscheidung IV 352/53 U).
Wegen der Absetzung für Abnutzung ist noch auf folgendes hinzuweisen: Für 1950 ist eine Absetzung für Abnutzung nicht verrechnet worden. Für 1951 hat der Bf. neben einer laufenden Absetzung für Abnutzung (§ 7 EStG) eine Sonderabschreibung gemäß § 7 a EStG vorgenommen. Das Finanzgericht muß diesen Fragen bei der erneuten Entscheidung nachgehen und insbesondere auch feststellen, ob die Voraussetzungen des § 7 a EStG für die Sonderabschreibung vorliegen. Erforderlich ist dafür u. a., daß der Kraftwagen zum Betriebsvermögen gehört. Nach Abschnitt 120 a Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1950 - Abs. 4 EStR 1951 - soll ein Kraftwagen, der im Jahr der Anschaffung zu mindestens 50 v. H. zu privaten Zwecken benutzt wird, in vollem Umfange zum Privatvermögen gehören, so daß die Bewertungsfreiheit nach § 7 a EStG entfällt. Die der Verwaltungsanweisung zugrunde liegende Auffassung, daß mindestens zu 50 v. H. privat genutzte Kraftwagen zum (notwendigen) Privatvermögen gehören, entspricht wohl der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die z. B. in den Entscheidungen VI 516/38 vom 24. August 1938 (Slg. Bd. 44 S. 349, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1938 S. 988) und VI 620/38 vom 5. Oktober 1938 (RStBl. 1939 S. 86) zur Frage der damaligen Bewertungsfreiheit für kurzlebige Wirtschaftsgüter entwickelt worden ist. Wird ein Kraftwagen zu mehr als 50 v. H. betrieblich genutzt, so kann das in der Tat ein wichtiger Anhalt sein, daß er zum Betriebsvermögen gehört. Liegt der betriebliche Nutzungsanteil aber unter 50 v. H., so schließt das nach Auffassung des Senats nicht unbedingt aus, daß im Einzelfall Steuerpflichtige den Kraftwagen zum Betriebsvermögen ziehen können (gewillkürtes Betriebsvermögen), sofern der Kraftwagen nicht wegen ganz unerheblicher betrieblicher Nutzung zum notwendigen Privatvermögen gehört. Der vielfach vertretenen Auffassung, daß gewillkürtes Betriebsvermögen nur bei den unter § 5 EStG fallenden Gewerbetreibenden möglich sei (vgl. z. B. Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 163/43 vom 12. Mai 1943, RStBl. 1943 S. 482), tritt der Senat, jedenfalls soweit es sich um Kraftwagen handelt, nicht bei. Eine derartige Einschränkung des Begriffs Betriebsvermögen findet weder im Gesetz noch in den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung eine Stütze. Sie begrenzt auch die rechtliche Gestaltungsfreiheit eines großen Kreises von Steuerpflichtigen ohne zwingende sachliche Gründe. Wollte man die in Abschnitt 120 a Abs. 5 a. a. O. gesetzte Grenze von 50 v. H. starr anwenden, so würde das überdies dazu führen, daß unter Umständen jahrweise wechselnd je nach dem Umfang der betrieblichen oder privaten Nutzung der Kraftwagen zum Betriebsvermögen gerechnet werden müßte oder nicht. Das wiederum würde zur Folge haben, daß in den einzelnen Jahren Entnahmen oder Einlagen mit den entsprechenden steuerlichen Folgen angenommen werden müßten. Die Möglichkeit, den Kraftwagen zum Betriebsvermögen zu ziehen, schafft insoweit eine klare Rechtslage. Die Nutzungsgrenze von 50 v. H. wäre überdies nur durch Schätzung zu ermitteln. Wegen der Folgen für die Bewertungsfreiheit nach § 7 a EStG müßte es dabei oft zu unliebsamen Auseinandersetzungen zwischen den Finanzbehörden und den Steuerpflichtigen kommen. Zur Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung in Fällen der vorliegenden Art besteht um so weniger Anlaß, als in § 5 EStG 1955 die Gewinnermittlung der verschiedenen Gruppen von Gewerbetreibenden einander angenähert worden ist. Wird den Gewerbetreibenden gestattet, einen Personenkraftwagen nach ihrem Ermessen zum Gegenstand des Betriebsvermögens zu machen, auch wenn der Kraftwagen überwiegend privat genutzt wird, so besteht kein Anlaß, den Begriff Betriebsvermögen bei Angehörigen der freien Berufe enger zu fassen. Auch Angehörige der freien Berufe können demnach ihre Kraftwagen grundsätzlich zum Betriebsvermögen rechnen. Vorausgesetzt wird aber, daß sie den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 4 Abs. 1 EStG oder in vereinfachter Form auf Grund einer Buchführung, die § 8 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1950 (1951) entspricht, ermitteln. Der Entschluß, den Kraftwagen zum Betriebsvermögen zu ziehen, muß ferner buchmäßig einen klaren Ausdruck gefunden haben. Schließlich müssen alle steuerlichen Folgerungen aus der Zurechnung zum Betriebsvermögen gezogen werden, z. B. hinsichtlich der Gewinnverwirklichung bei der Veräußerung des Kraftwagens, für die Umsatzsteuer, für die Vermögensteuer usw.
Gehört ein Kraftwagen zum Betriebsvermögen, so kann die Bewertungsfreiheit nach § 7 a EStG in vollem Umfang in Anspruch genommen werden, auch wenn der Kraftwagen teilweise für private Zwecke genutzt wird. Bei der Berechnung des Teils der Absetzung für Abnutzung, der als Privatentnahme zu behandeln ist, bleibt die Sonderabschreibung gemäß § 7 a EStG außer Betracht. In den einzelnen Jahren der Nutzung ist der anteilige Absetzungsbetrag so zu berechnen, als ob die Sonderabschreibung nicht vorgenommen worden wäre. Von dieser Rechtsauslegung geht auch Abschnitt 63 b Abs. 4 EStR 1950 (1951) mit den dort gegebenen Berechnungsbeispielen in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. die erwähnte Entscheidung VI 620/38 vom 5. Oktober 1938) aus. Der Senat tritt dieser Rechtsauffassung bei.
Fundstellen
Haufe-Index 408182 |
BStBl III 1955, 205 |
BFHE 1956, 18 |
BFHE 61, 18 |