Entscheidungsstichwort (Thema)
Von einem Automatenaufsteller verpachtete Gaststättenräume als dessen notwendiges Betriebsvermögen
Leitsatz (NV)
Hat der Verpächter einer Gaststätte, der als gewerblicher Unternehmer die Aufstellung von Spielautomaten betreibt, auf der Grundlage von Verträgen mit den Pächtern in den Gasträumen jeweils durchschnittlich 4 bis 5 Automaten aufgestellt, können die als Gaststätten genutzten Grundstücksteile notwendiges Betriebsvermögen des Gewerbebetriebes "Automatenaufstellung" sein, wenn die Pachtverträge aus der Sicht des Unternehmers nicht durch die ‐ geringe ‐ Höhe der Pachtzahlungen, sondern ausweislich der automatenbezogenen Sonderregelungen durch das wirtschaftliche Interesse am Ertrag der Automaten geprägt sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5
Verfahrensgang
FG Nürnberg (EFG 1998, 933) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als gewerblicher Unternehmer die Aufstellung von Automaten. Er ist Eigentümer des bebauten Grundstücks B-Straße in A und zusammen mit seiner Ehefrau jeweils zur Hälfte Miteigentümer des ebenfalls bebauten Grundstücks C-Straße in D. Auf beiden Grundstücken werden jeweils in einem Teil des Erdgeschosses durch Pächter Gaststätten ("Pilsstuben") betrieben. In den Gasträumen hat der Kläger aufgrund von Automatenaufstellverträgen jeweils durchschnittlich vier bis fünf eigene Spielgeräte aufgestellt, wobei sich diese Automaten in A im "Spielraum" und in D im "Lokal" befinden. Der "Billardraum" in A ist seit dem Jahre 1985 mit einem durch Münzeinwurf zu bedienenden Billardtisch ausgestattet.
Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die dem Kläger gegenüber ergangenen Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1984 bis 1986. Dabei rechnete er die zum Betrieb der Gaststätten verpachteten Gebäudeteile dem notwendigen Betriebsvermögen des Gewerbebetriebes "Automatenaufstellung" hinzu. Er vertrat die Auffassung, mit der Verpachtung der Pilsstuben bezwecke der Kläger vorwiegend die Schaffung von Automatenstellplätzen. Soweit ihm "fremde" Stellplätze zur Verfügung gestellt würden, erhielten die Pächter einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen; bei Geldspielautomaten in der Regel 30 bis 50 v.H. Anders verhalte es sich bei den beiden in eigenen Räumen befindlichen Pilsbars; dort erhielten die Pächter nach den ausdrücklichen Bestimmungen der Pachtverträge keine Provisionen oder Strom- und Heizungsvergütungen. Für eine Einbeziehung der Gebäudeteile in das Betriebsvermögen sprächen auch der Anbau des Billardraumes am Grundstück A sowie die Bestimmungen der Pachtverträge, dass die Lokale bereits vormittags ―ohne Ruhetag― zu öffnen seien, die Automaten ununterbrochen eingeschaltet sein müssten, täglich zu reinigen und auftretende Störungen sofort zu melden seien.
Die gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide gerichteten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. Der hiergegen gerichteten Klage hat das Finanzgericht (FG) insoweit stattgegeben, als es die nach Auffassung des FA zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Grundstücksteile gegenüber dem Ansatz des FA verminderte. Im Übrigen hat das FG die Klage abgewiesen. Sein Urteil ist teilweise abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 933.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensrechts. Er trägt u.a. vor: Durch den Automatenaufstellbetrieb würden die Gaststätten mit weniger als 10 v.H. der Gesamtfläche nur unwesentlich "mitbenutzt"; es fehle daher ein unmittelbarer Bezug zu diesem Gewerbebetrieb. Die Verpachtung der hier in Frage stehenden 10 Geräte (3 v.H. des Gesamtbestandes) in den Gaststätten sei nicht zur Sicherung des Gewerbebetriebs, der ca. 40 Geldspielgeräte und ca. 250 Unterhaltungsgeräte umfasst habe, notwendig gewesen. Notwendiges Betriebsvermögen liege auch deswegen nicht vor, weil die Grundstücksteile an Dritte verpachtet worden seien. Diese Verpachtung habe überwiegend private Motive gehabt. Die Provision des Pächters sei aus Vereinfachungsgründen mit der Pacht verrechnet worden; sie entspreche in etwa dem, was auch "unter fremden Dritten" üblich sei, nämlich 30 bis 50 v.H. des Einspielergebnisses. Gegen notwendiges Betriebsvermögen spreche auch H 13 Abs. 10 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 1995 (EStH 1995). Die Auslegung des FG weiche von dem Gaststättenurteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. August 1966 IV 380/62 (BFHE 86, 628, BStBl III 1967, 47) ab und habe nicht die Gesamtumstände berücksichtigt. Das FG habe bei der Beweiswürdigung entscheidungserhebliche Tatsachen ―Geringfügigkeit der Mitbenutzung durch das Aufstellen von Automaten; Vorrang der Alterssicherung als Vermietungsmotiv― übergangen und damit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen. Hinsichtlich der den Pächtern zu zahlenden Provisionen habe es widersprüchliche Tatsachenfeststellungen getroffen. Ferner habe das FG gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 1. Juli 1993 aufzuheben und die mit Bescheiden für 1984 bis 1986 vom 29. Mai 1991 festgesetzten einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Das FG hat unter Berufung auf das Senatsurteil vom 6. März 1991 X R 57/88 (BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829) ausgeführt, der Kläger habe die als Pilsstuben genutzten Grundstücksteile "aus betrieblicher Veranlassung, d.h. infolge eines objektiven wirtschaftlichen und tatsächlichen Zusammenhangs mit der betrieblichen Zwecksetzung des Automatenaufstellunternehmens, eingelegt", indem er diesen Wirtschaftsgütern eine betriebliche Funktion zugewiesen habe. Er habe sich aus Gründen einer ertragreicheren Betriebsführung dazu entschlossen, "sich quasi selbst die Automatenstellplätze zur Verfügung zu stellen", anstatt fremde Plätze unter Gewährung einer Provision zu nutzen. Die konkrete Funktion der Grundstücksteile ergebe sich insbesondere aus den mit den Pächtern geschlossenen Verträgen, die darauf zugeschnitten gewesen seien, den Betrieb der Automatenaufstellung zu fördern. Diese rechtliche Schlussfolgerung sowie tatrichterliche Würdigung des FG halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
2. Zum Betriebsvermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die aus betrieblicher Veranlassung angeschafft, hergestellt oder eingelegt werden. Eine betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver wirtschaftlicher und tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht (BFH-Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424, und vom 9. August 1989 X R 20/86, BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128). Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt ist (BFH-Urteil vom 1. Dezember 1976 I R 73/74, BFHE 121, 135, BStBl II 1977, 315, m.w.N.). Das Wirtschaftsgut muss, wenn auch nicht unentbehrlich oder notwendig im Sinne von "erforderlich", so doch sich in gewisser Weise auf den Betriebsablauf beziehen und ihm zu dienen bestimmt sein (BFH-Urteile in BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829; vom 23. September 1998 XI R 72/97, BFHE 187, 36, BStBl II 1999, 281). In vielen Fällen wird sich das Vorliegen dieser Merkmale ohne weiteres daraus ergeben, dass ein Wirtschaftsgut im laufenden Geschäftsbetrieb angeschafft oder hergestellt wird. In anderen Fällen ist der gegenständliche Umfang der gewerblichen Tätigkeit anhand der betrieblichen Zwecksetzung und Planung des Steuerpflichtigen zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829, m.w.N. der Rechtsprechung).
3. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG die Zugehörigkeit der verpachteten Grundstücksteile zum Gewerbebetrieb "Automatenaufstellung" rechtsfehlerfrei bejaht.
a) Vermietet ein gewerblich tätiger Steuerpflichtiger ein ―auch für gewerbliche Zwecke Dritter genutztes― Grundstück, ist die Nutzungsüberlassung grundsätzlich der Vermögensverwaltung (vgl. § 14 Satz 2 der Abgabenordnung ―AO 1977― zuzuordnen und daher nicht gewerblich. Setzt andererseits ein Steuerpflichtiger Wirtschaftsgüter für Geschäfte ein, die üblicherweise in den Bereich seines Gewerbebetriebs fallen, die aber auch im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung getätigt werden können, so können diese Wirtschaftsgüter auch dann zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, wenn der Steuerpflichtige sie buchmäßig getrennt von seinem Gewerbebetrieb führt (vgl. BFH-Urteile vom 21. Mai 1976 III R 10/74, BFHE 119, 177, BStBl II 1976, 588; vom 19. Januar 1977 I R 10/74, BFHE 121, 199, BStBl II 1977, 287, jeweils m.w.N.). Den hierfür erforderlichen engen funktionalen Zusammenhang eines vermieteten Grundstücks mit dem Gewerbebetrieb hat der BFH im Urteil vom 13. November 1996 XI R 31/95 (BFHE 182, 79, BStBl II 1997, 247) unter dem Gesichtspunkt bejaht, dass sich die Vermietung selbst als branchenübliches Geschäft des Gewerbebetriebs darstellt und über den Gewerbebetrieb abgewickelt wird. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Verpachtung von ―eigenem― Grundbesitz wird auch dann ―und zwar mit der gesamten verpachteten Grundfläche― dem Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen zugerechnet, wenn dies insbesondere dem Absatz von Waren oder Produkten dient. Beispielsweise gehören bei einem Einzelunternehmer, der einen Getränkegroßhandel betreibt, Gebäudeteile, die als Gaststätten verpachtet sind, zum notwendigen Betriebsvermögen, sofern für das Pachtverhältnis betriebliche Gründe maßgeblich sind, wie vor allem die Sicherung der sofortigen oder künftigen Belieferung mit Getränken durch eine Abnahmeverpflichtung des Pächters (BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 199/80, nicht veröffentlicht ―NV―; vgl. ferner FG Düsseldorf, Urteile vom 9. Januar 1992 1 K 237/85 F, EFG 1992, 579; vom 29. September 1998 8 K 711/95 F, EFG 1998, 1674). Mit Urteil in BFHE 86, 628, BStBl III 1967, 47 hat der BFH für den Fall einer in der Rechtsform der OHG betriebenen Brauerei entschieden, dass das einem Gesellschafter gehörende ―in die Handelsbilanz der Gesellschaft aufgenommene― Gaststättengrundstück auch dann deren dem Betrieb dienendes notwendiges (Sonder-)Betriebsvermögen ist, wenn das Grundstück an einen durch eine Bierbezugsverpflichtung gebundenen Dritten verpachtet ist. Der Grund für diese steuerrechtliche Zuordnung besteht darin, dass das ―dingliche oder obligatorische― Verfügungsrecht über Gaststättenräume für eine Brauerei oder ein Getränkevertriebsunternehmen wesentliche Grundlage der Absatzstrategie ist, um vor allem sog. Ausschließlichkeitsbindungen durchzusetzen.
b) Zwar sind zivil- und steuerrechtlich "Automatenaufstellverträge" grundsätzlich von der Verpachtung von (Gaststätten-)Räumen zu unterscheiden (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 22. März 1967 VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202, und vom 11. November 1968 VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55, 56, sowie BFH-Urteil vom 18. April 2000 VIII R 68/98, BFH/NV 2000, 1417, m.w.N.). Das FG hat jedoch im Streitfall auf der Grundlage der Besonderheiten der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die abgeschlossenen Pachtverträge aus der Sicht des Klägers im Wesentlichen nur zu dem Zweck abgeschlossen wurden, den Betrieb der Automatenaufstellung zu fördern. Denn diese Verträge werden nach dem Gesamtbild der vom FG festgestellten Verhältnisse nicht durch die ―geringe― Höhe der Pachtzahlungen, sondern ausweislich der automatenbezogenen vertraglichen Sonderregelungen durch das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Ertrag der in den Pilsstuben aufgestellten Automaten geprägt. So sind die Pächter beider Pilsstuben an der Feststellung des Einspielergebnisses der Automaten und seiner Vereinnahmung durch den Kläger nicht beteiligt, gleichwohl aber gehalten, die Lokale täglich ―ohne Ruhetag― stets von 10 bzw. 11 Uhr an zu öffnen; dies gilt für die Pilsstube in A auch für Urlaubszeiten, in denen der Pächter selbst für eine Urlaubsvertretung zu sorgen hat. Des Weiteren hat der Kläger für den Raum der Pilsstube in D, "in dem hauptsächlich Automaten aufgestellt werden", einen Zuschuss gewährt. Bei dieser Sachlage ist die Verpachtung der Pilsstuben mit dem Automatenaufstellbetrieb des Klägers derart funktional verflochten, dass nach der Verkehrsauffassung nur ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen ist.
c) Das gegen diese Würdigung gerichtete Vorbringen des Klägers, das sich im Wesentlichen ―revisionsrechtlich unerheblich― gegen die Beweiswürdigung des FG richtet, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Das FG hat die Erläuterung des Klägers zur Verrechnung von "eigentlicher Pacht" und Automatenprovision als "verständlich" hingenommen. Es hat aber daraus, dass der Kläger den Pächtern keine Informationen zu den Erträgen der Automaten gewährt hat, gefolgert, dass diese keinen Einfluss auf die Verrechnung nehmen konnten und dass deswegen sowohl für sie und auch für den Kläger der "ausgewiesene Inhalt der Pachtverträge im Vordergrund gestanden" hat. Diese Würdigung des Sachverhalts und die Auslegung der festgestellten Vereinbarungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Unerheblich ist der Einwand des Klägers, die Gaststättenräume seien nur in flächenmäßig geringfügigem Umfang für die Aufstellung der Automaten und Spielgeräte genutzt worden. Dieser Einwand verkennt, dass die Verpachtung der Gaststättenräume insgesamt der betrieblichen Zwecksetzung des Gewerbebetriebs "Automatenaufstellung" untergeordnet war. Ein nur "mittelbarer" betrieblicher Zusammenhang ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus dem von ihm so bezeichneten "privaten" Motiv der Altersversorgung, denn diesem Zweck können sowohl gewerbliche als auch vermögensverwaltende Einkunftsquellen dienen. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Klauseln in den Pachtverträgen, nach welchen den Pächtern Vertragspflichten hinsichtlich der Bereithaltung und Wartung der Geräte obliegen, bei der Verpachtung von Gaststätten branchenüblich sind.
d) Die Rügen einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) und eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten (zur verfahrensrechtlichen Relevanz vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 1999 X B 142/98, BFH/NV 1999, 1236) sieht der Senat nicht als durchgreifend an. Insoweit sieht er von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 519068 |
BFH/NV 2001, 431 |
HFR 2001, 470 |