Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur steuerlichen Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen.
Beteiligt ein Vater seine Tochter an seinem Unternehmen als stille Gesellschafterin, so kann eine ernsthafte Beteiligung steuerlich nur anerkannt werden, wenn die Vereinbarungen auch durchgeführt werden und wirtschaftlich zu einer änderung der bisherigen Verhältnisse führen.
Die Höhe der Gewinnbeteiligung einer als stille Gesellschafterin beteiligten Tochter wird steuerlich nur zugrunde gelegt, soweit die Gewinnbeteiligung wirtschaftlich angemessen ist.
Normenkette
EStG §§ 5, 15/2
Tatbestand
Das Unternehmen, um dessen Gewinn es für das Streitjahr 1954 geht, ist bis zum 31. Dezember 1953 von dem Fabrikanten W. allein betrieben worden. Ab 1. Januar 1954 wird es zusammen mit dem Kaufmann B. geführt, der bis dahin Verkäufer für das Unternehmen war und zu diesem Zeitpunkt als atypischer stiller Gesellschafter eingetreten ist. Nach der Auffassung des W. ist auch seine im Ausland lebende Tochter an dem Unternehmen beteiligt.
Nach dem in zwei verschiedenen Fassungen vorgelegten Vertrag vom 24. März 1954 hat W. zunächst seinem Sohn und seiner Tochter je 12 000 DM aus seinem Betriebsvermögen als "Schenkung unter Lebenden" übertragen mit der Auflage, die Beträge als partiarische Darlehen in dem Unternehmen zu belassen, solange er oder die Mutter Inhaber oder Mitinhaber des Unternehmens sind. Die Beteiligung am Gewinn ist auf 20 v. H. des steuerlichen Gewinns festgesetzt, eine Beteiligung am Verlust ist ausgeschlossen. Die Gewinne sind - abzüglich der auf Kapital und Gewinn entfallenden Steuern - auf Verlangen des W. im Unternehmen zu belassen. Durch einen Nachtragsvertrag vom 15. Dezember 1954, der am 8. / 16. September 1955 wiederholt wurde, hat der Sohn zugunsten seiner Schwester rückwirkend auf den ihm geschenkten Betrag verzichtet, so daß die Darlehnsforderung der Tochter nunmehr 24 000 DM und ihr Gewinnanteil 40 v. H. beträgt. W. und B. erhalten für ihre Tätigkeit in der Gesellschaft eine Vorausvergütung.
Bei der endgültigen einheitlichen Gewinnfeststellung für 1954 stellte das Finanzamt den Gewinn entsprechend dem Ergebnis einer Betriebsprüfung auf 142 931 DM fest. Diesen Gewinn verteilte es mit 100 614 DM auf W. und mit 42 317 DM auf B. Mit der Begründung, die Vereinbarungen zwischen Vater und Tochter seien allein in den verwandtschaftlichen Beziehungen begründet, erkannte es die Tochter nur als typische stille Gesellschafterin an und setzte eine Verzinsung von 5 v. H. ihrer Einlage als angemessen an. In dieser Höhe wurden die Zinsen als Betriebsausgaben berücksichtigt.
Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht erkannte zwar auch die nunmehr geltend gemachte Mitunternehmerschaft der Tochter nicht an, hielt aber eine ernstgemeinte stille Beteiligung der Tochter für gegeben und betrachtete eine Gewinnbeteiligung von 20. v. H. für angemessen.
Mit der Rb. rügt B. die Unrichtigkeit der Gewinnverteilung. Nach seiner Auffassung hat sich durch die steuerliche Nichtanerkennung eines Teils des an die Tochter des W. abgeführten Gewinnanteils an der bürgerlich-rechtlichen Vereinbarung nichts geändert; infolgedessen müsse, was steuerlich nicht als Gewinnanteil der Tochter anerkannt werde, voll dem W. zugerechnet werden. Was der Tochter der bürgerlich-rechtlichen Abrede gemäß zugewiesen sei, müsse zudem, soweit es nicht abgehoben werde, deren Einlage erhöhen.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. ungenügende Sachaufklärung. Das Finanzgericht nehme zu Unrecht an, daß die angeblichen Schenkungen bereits im Jahre 1954 vollzogen worden seien. Es habe nicht festgestellt, daß entsprechende Buchungen bereits im Jahre 1954 und nicht erst im Jahre 1955, nämlich bei der Bilanzaufstellung, vorgenommen worden seien. Weil die zwischen Vater und Tochter geschlossenen Verträge nur privat- schriftlich fixiert seien, bestünden Bedenken, ob sie wirklich zu den angegebenen Zeiten geschlossen seien. W. habe noch am 11. März 1955 eine am 10. Januar 1955 gefertigte Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 eingereicht, in der von einer Beteiligung anderer Personen keine Rede sei. Unter diesen Umständen sei für die Tochter überhaupt keine Gewinnbeteiligung anzuerkennen.
Entscheidungsgründe
Beide Rbn. führen zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Auch von seinem Standpunkt aus hätte das Finanzgericht, wie B. zu Recht geltend macht, berücksichtigen müssen, daß die Nichtanerkennung der zwischen W. und seiner Tochter getroffenen Vereinbarungen sich nur im Verhältnis zwischen diesen beiden Personen, nicht aber auch im Verhältnis zu ihm (dem B.) auswirken konnte. Dem B. kann, was steuerlich nicht als Gewinnanteil der Tochter anerkannt werden kann, keinesfalls zugerechnet werden. Nach der zwischen W. und B. getroffenen Vereinbarung erhält jeder Gesellschafter die Hälfte des zu verteilenden Gewinns, der nach Abzug des auf die Tochter entfallenden Gewinnanteils verbleibt. Hierbei sind die Gesellschafter davon ausgegangen, daß die Tochter 40 v. H., jeder Gesellschafter also 30 v. H. erhielt. An dieser Vereinbarung wird im Verhältnis zwischen W. und B. nichts dadurch geändert, daß als Gewinnanteil der Tochter steuerlich nur 20 v. H. anerkannt werden. Die bei der Tochter nicht anerkannten weiteren 20 v. H. des Gewinns müssen steuerlich also allein dem W. (Vater) zugerechnet werden.
Wie der Vorsteher des Finanzamts mit Recht geltend macht, ist aber auch die Anerkennung eines Gewinnanteils von 20 v. H. für die Tochter nicht unbedenklich. Auch wenn man dem Vorsteher des Finanzamts nicht unbedingt darin folgt, daß die Angaben des W. zur Einheitsbewertung gegen die Ernstlichkeit der Beteiligung seiner Tochter sprechen, so hätte es doch auf jeden Fall der Feststellung bedurft, ob die Vereinbarungen auch zu der Zeit, zu der sie angeblich geschlossen wurden, in den Büchern des Unternehmens einen Niederschlag gefunden haben. Wie sehr die verwandtschaftlichen Beziehungen von Bedeutung waren, zeigt vor allem der Umstand, daß der Sohn seine Beteiligung offenbar mit Willen des W. noch in demselben Jahr auf seine Schwester übertrug. Es ist mindestens bedenklich, schon für das Jahr 1954 die Tochter mit dem ihr zugebilligten und vom Finanzgericht als angemessen angesehenen Gewinnanteil voll zu beteiligen. Es mag sein, daß, wie das Finanzgericht ausführt, die zwischen Vater und Tochter geschlossenen Verträge nicht bloß zum Schein vereinbart wurden. Dies allein genügt aber, wie der Bundesfinanzhof wiederholt ausgesprochen hat, bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen für die steuerliche Berücksichtigung nicht, sofern die tatsächliche Durchführung nicht zu einer änderung der Verhältnisse zwischen den Beteiligten führt oder eine Form gewählt ist, die das wirtschaftlich Erstrebte nicht deckt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 132/59 U vom 2. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 106, Slg. B. 70 S. 285, betreffend die Einräumung eines Geldanspruchs an die Tochter durch den Vater, sowie die Urteile des Senats VI 126/61 U vom 19. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 174, Slg. Bd. 74 S. 466, betreffend die Schenkung von auf Bausparverträge eingezahlten Beträgen an die Kinder durch den Vater, und VI 178/62 U vom 22. November 1963, BStBl 1964 III S. 74, betreffend die "Schenkung" eines dem Schenker wieder zur Verfügung gestellten Betrages). Dem Finanzgericht ist zuzugeben, daß zwar auch bei Beteiligungen Dritter vereinbart werden kann, daß die Einlage auf die Lebenszeit des Unternehmers unkündbar sei. Solche Fälle sind aber Ausnahmen. Wirtschaftlich kann im Streitfall W. (Vater) nach wie vor über das von ihm seiner Tochter zur Verfügung gestellte "Geld" allein verfügen. Diese Situation bleibt unverändert, solange W. will. Die rechtliche Gestaltung der Beteiligung der Tochter hat im wesentlichen nur formalen Charakter; in wirtschaftlicher Hinsicht ändert sich nichts Entscheidendes. Die Tochter kann auch die ihr zugesprochenen Gewinnanteile nur im Einverständnis mit dem Vater abziehen. Das Finanzgericht muß alle diese Gesichtspunkte nochmals würdigen und dann erneut beurteilen, ob überhaupt eine steuerlich anzuerkennende ernsthafte Beteiligung der Tochter anzunehmen ist.
Kommt das Finanzgericht nach erneuter Prüfung wieder zu der Auffassung, daß die Tochter tatsächlich ernsthaft beteiligt ist, so muß es nochmals auf die Höhe der Verzinsung eingehen (vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 38/59 vom 21. Juni 1960 Der Betrieb 1960 S. 862, Wetter-Barske, Leitsatz-Kartei II 1 § 12 Ziff. 1 St 5 L 14). Der Senat hat auf Grund der bisherigen Feststellungen gegen die Höhe eines Satzes von 20 v. H. Bedenken. Es mag sein, daß ein Gewinnanteil von 20 v. H. unter besonderen Umständen auch einem Dritten eingeräumt werden würde. Hier sind aber solche besonderen Umstände bisher nicht erkennbar. Bei der Höhe des Gewinnanteils erscheint es jedenfalls wesentlich, daß der Vater das Geld bereits im Betrieb hatte, also auf eine Geldaufnahme nicht angewiesen war. Bei dieser Sachlage hätte W. auch einem Dritten wohl kaum einen Gewinnanteil von 20 v. H. eingeräumt.
Fundstellen
Haufe-Index 411074 |
BStBl III 1964, 156 |
BFHE 1964, 402 |
BFHE 78, 402 |
BB 1964, 708 |
DB 1964, 428 |