Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat sich die Zuführung zur Rückstellung für eine Pensionsverpflichtung gegenüber einem geschäftsführenden Gesellschafter bei der Gewerbeertragsteuer gemäß § 8 Ziff. 6 GewStG a. F. nicht ertragsmindernd ausgewirkt, so bleibt die Gewinn- (Ertrags-) Erhöhung aus der Auflösung der Rückstellung bei Eintritt des Versorgungsfalles außer Betracht.
Normenkette
EStG § 6a/4; GewStG § 8 Ziff. 6; KStDV § 15
Tatbestand
Streitig ist die zutreffende gewerbesteuerrechtliche Behandlung desjenigen Betrages, den die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine GmbH, gemäß § 6 a Abs. 4 EStG, § 15 KStDV in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1961 gewinnerhöhend aufgelöst hat.
Die Stpfl. hat bis zum 31. Dezember 1960 in ihren Bilanzen Rückstellungen für eine Pensionsverpflichtung gegenüber ihrem geschäftsführenden Gesellschafter Dr. V gebildet. Dieser ist zu Beginn des Jahres 1961 als Gesellschafter und aus der Geschäftsführung ausgeschieden; er erhält seitdem die zugesagte Pension. Während die Stpfl. ihren Gewerbeertrag 1961 um den genannten Betrag gekürzt wissen will, weil die seinerzeit der Pensionsrückstellung zugeführten Beträge ihrem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Ziff. 6 GewStG wieder hinzugerechnet worden seien, hält der Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Kürzung für nicht berechtigt. Der Einspruch der Stpfl. gegen den vorläufigen einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheid vom 12. Juli 1963 blieb ohne Erfolg. Ihrer Berufung gab das Finanzgericht (FG) statt. Seine in den Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1966 S. 236 veröffentlichte Entscheidung begründet es wie folgt:
Die bis zur Nichtigerklärung dieser Vorschrift durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BStBl I 1962, 500) vorgenommene Behandlung der Zuführungen der Stpfl. zur Pensionsrückstellung habe dazu geführt, daß sich die Zuführungen zur Pensionsrückstellung auf die Höhe der Gewerbeertragsteuer nicht ausgewirkt hätten. Hieraus habe bereits der Reichsfinanzhof - RFH - (im Urteil I 83/43 vom 7. Dezember 1943, RStBl 1944, 148) und später auch der Bundesfinanzhof (BFH) die Folgerung gezogen, daß die aus irgendeinem Grunde später vorzunehmende Auflösung einer derartigen Rückstellung gewerbesteuerfrei vorzunehmen sei (BFH-Urteile I 278/60 U vom 27. März 1961, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 73 S. 30 - BFH 73, 30 -, BStBl III 1961, 280; I 22/62 U vom 8. Januar 1963, BFH 76, 262, BStBl III 1963, 94; VI 294/62 U vom 9. Oktober 1964, BFH 81, 547, BStBl III 1965, 198).
Die laufende Zahlung der Pension sei als Betriebsausgabe unbeschadet ihrer buchmäßigen Behandlung (teilweise Verrechnung mit der Rückstellung) in voller Höhe abzugsfähig. Unabhängig hiervon schreibe § 6 a Abs. 4 EStG für die bilanzmäßige Behandlung der Rückstellung vor, daß sie grundsätzlich in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Barwerten der künftigen Pensionsleistungen am Bilanzstichtag und am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen sei. Der Umstand, daß sich damit die gewinnmindernde Pensionszahlung und die gewinnerhöhende Teilauflösung der Rückstellung hinsichtlich des Auflösungsbetrages im Ergebnis ausglichen, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, daß steuerrechtlich eine gewinnerhöhende Rückstellungsauflösung vorliege, auf deren gewerbesteuerliche Behandlung die vom RFH und BFH entwickelten Grundsätze anzuwenden seien.
Hiergegen wendet sich das FA mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision. Entgegen der Auffassung der Stpfl. und des FG handele es sich bei der Zahlung der Pension und der dem Gesetz folgenden Auflösung der Pensionsrückstellung nicht um zwei steuerrechtlich getrennte Vorgänge, sondern um einen einheitlichen Vorgang. Das folge schon aus dem Begriff der Rückstellung. Eine Rückstellung dürfe steuerrechtlich nur zu einem bestimmten Zwecke gebildet werden, nämlich zum Zwecke der Leistung einer späteren Ausgabe. Die Mittel zu ihrer Leistung seien deshalb folgerichtig allein der zu diesem Zwecke gebildeten Rückstellung zu entnehmen. Die Verbuchung der Ausgabe über Konto Verlust und Gewinn (Soll) und Konto Rückstellung (Haben) führe nicht zu einem echten Aufwand durch Zahlung und einer echten Gewinnerhöhung durch (teilweise) Auflösung der Rückstellung. Das gelte auch in Ansehung der Vorschrift des § 6 a Abs. 4 EStG. Diese gebe den Steuerpflichtigen ein Wahlrecht, entweder die laufende Pensionszahlung in voller Höhe aus der Rückstellung zu leisten oder eine Teilauflösung der Rückstellung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen vorzunehmen.
Die Berechnung der Gewerbeertragsteuer sei nach § 7 GewStG nur eine Anhangsrechnung zur Steuerbilanz nach Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerrecht. Denn der Gewerbeertrag könne wegen der verschiedenen Hinzu- und Abrechnungen nach §§ 8 und 9 GewStG nicht bilanziell erfaßt werden. Daher sei auch eine in der Steuerbilanz ausgewiesenen Pensionsrückstellung als Passivposten für die Gewerbeertragsteuer zu übernehmen. Hinzurechnungen nach § 8 GewStG erfolgten außerhalb der Bilanz. Die ihrem Zweck entsprechende Auflösung der Rückstellung führe deshalb auch zu keiner echten Gewinnerhöhung innerhalb der Steuerbilanz, so daß auch die Gefahr einer doppelten Erfassung dieses Betrages durch die Gewerbesteuer nicht entstehe. Somit entfalle die Notwendigkeit einer Kürzung des Gewerbeertrags. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Auflösung der Rückstellung auf dem Wegfall des Rückstellungsgrundes beruhe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Bildung und steuerrechtliche Anerkennung einer Rückstellung beruhen - anders als die Rücklage - nicht auf dem Gedanken der Vorsorge für künftige Aufwendungen. Die Rückstellung dient vielmehr der bilanzmäßigen, gewinnmindernden Erfassung von Aufwendungen, die aus Geschäftsvorfällen des abzuschließenden Geschäftsjahres entweder mit Sicherheit, indes in noch ungewisser Höhe, oder aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, während die Rücklage der bilanziellen, in der Regel nicht gewinnmindernden Vorsorge für einen mit Sicherheit erst in Zukunft zu erwartenden Aufwand dient.
Dem FA ist darin zuzustimmen, daß die genannten BFH- Entscheidungen ebenso wie die Ländererlasse vom 20. Januar 1960 (BStBl II 1960, 19) in Ziff. 5 und vom 7. August 1961 (BStBl II 1961, 135) in Ziff. 3 b, denen zufolge die aus der Auflösung der Pensionsrückstellung folgende Gewinnerhöhung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Kapitalgesellschaft außer Betracht bleiben soll, eine Auflösung der Rückstellung im Auge haben, die nicht durch den Eintritt des Versorgungsfalles bedingt ist. Gleichwohl ist dem FA nicht auch darin beizutreten, daß die durch den Eintritt des Versorgungsfalles ausgelöste Zahlung keine echte Betriebsausgabe, die durch ihn bedingte teilweise Auflösung der Rückstellung keine echte Gewinnerhöhung sei. Denn anders als die Rücklage beruht die Rückstellung gerade auf der Anerkennung einer betrieblich begründeten Verpflichtung, die bei Eintritt ihrer Fälligkeit eine Betriebsausgabe darstellt.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Eintritt des Versorgungsfalles bei der Stpfl. mit der Zahlung laufender Versorgungsbezüge an ihren früheren geschäftsführenden Gesellschafter eine echte Betriebsausgabe auslöst (so auch Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, Anm. 16 zu § 6 a) und die gemäß § 6 a Abs. 4 EStG durchgeführte Auflösung der Pensionsrückstellung zum jeweiligen Bilanzstichtag eine echte Gewinnerhöhung darstellt, die jedoch für die Ermittlung des Gewerbeertrags insoweit außer Betracht zu bleiben hat, als die Zuführungen zur Rückstellung nach § 8 Ziff. 6 GewStG a. F. behandelt wurden (so auch Kirmse in Rechts- und Wirtschafts- Praxis, 14 D "Gewerbesteuer I 8" unter B IV Abs. 2). Denn wenn auch die genannten BFH-Urteile die Auflösung einer Pensionsrückstellung aus anderem Anlaß zum Gegenstand haben, so kann für die Auflösung aus Anlaß des Eintritts des Versorgungsfalles nicht anderes gelten.
Da sich die Bildung der Rückstellung seinerzeit auf Grund der Vorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG nicht mindernd auf den Gewerbeertrag ausgewirkt hat, kann nunmehr - unbeschadet des Fortbestandes der seinerzeit gegen die Stpfl. ergangenen, diese Vorschrift beachtenden einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheide (§ 79 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht) - die Auflösung der Rückstellung nicht über § 7 GewStG zu einer Erhöhung des Gewerbeertrags und damit zu einer nochmaligen gewerbesteuerlichen Erfassung des Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe des aufgelösten Betrages führen.
Diese Beurteilung ist unabhängig davon, ob die Rückstellung in der Weise aufgelöst wird, daß sie mit den laufenden Pensionszahlungen verrechnet wird, oder in der Weise, daß sie - mindestens - in Höhe des Betrages gewinnerhöhend aufgelöst wird, der sich (unter Zugrundelegung eines Rechnungszinsfußes von 5 1/2 v. H.) als Unterschied des versicherungsmathematischen Barwerts der künftigen Pensionsleistungen am Schluß des Wirtschaftsjahres und am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ergibt. Die Vorschrift des § 6 a Abs. 4 EStG will lediglich verhindern, daß die Rückstellung nach Eintritt des Versorgungsfalles am jeweiligen Bilanzstichtag den Barwert der künftigen Pensionsleistungen übersteigt. Darüber hinaus nimmt sie auf den Auflösungsvorgang keinen Einfluß.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 412394 |
BStBl III 1967, 187 |
BFHE 1967, 428 |
BFHE 87, 428 |
StRK, EStG:6a R 50 |