Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuerbefreiung nach GrEStG Berlin 1969

 

Leitsatz (NV)

1. Wohnwirtschaftliche Betreuung i. S. des § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Berlin erfaßt auch den Bau von Wohnungen im Wege der Baubetreuung. Voraussetzung ist jedoch, daß das freie Wohnungsunternehmen diese Tätigkeit als eigene Aufgabe und nicht als Vertreter oder Organ für ein anderes Rechtssubjekt ausführt.

2. Ohne Gewinn i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 6d GrEStG Bln 1969 bedeutet, daß nicht nur Kaufpreis und Verkaufserlös gegenüberzustellen sind, sondern alle Geschäfte, die mit dem Veräußerungsgeschäft in Verbindung stehen, bei der Betrachtung miteinbezogen werden müssen.

 

Normenkette

GrEStG Bln 1969 § 6 Abs. 1 Nr. 6d; GrEStG Bln 1969 § 8 Abs. 9

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist persönlich haftende Gesellschafterin der A-Grundstücksgesellschaft mbH & Co. KG (im folgenden KG). Gegenstand der KG ist gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages ,,der Erwerb der Grundstücke X-Straße . . ., Y-Straße . . . und Z-Straße . . .", die Errichtung von Wohn- und Geschäftshäusern auf diesen Grundstücken sowie u. a. der Erwerb und die Bebauung weiterer Grundstücke. Gesellschaftszweck der Klägerin ist der Erwerb von Grundstücken zur Weiterveräußerung ohne Gewinn an den Erwerber und der Bau und die Verwaltung oder Übertragung von Wohnungen und die wohnwirtschaftliche Betreuung. Für die Geschäftsführung und Verwaltungstätigkeit der Klägerin wurde in § 6 des Gesellschaftsvertrages der KG bis zur Baufertigstellung ein Entgelt von insgesamt . . . DM und nach Baufertigstellung ein Entgelt von jährlich . . . DM festgesetzt. Die Klägerin ist im Handelsregister eingetragen.

Mit Vertrag vom 22. November 1974/12. Mai 1975 erwarb die Klägerin das unbebaute Grundstück X-Straße . . . in . . . zu einem Kaufpreis von . . . DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm diesen Erwerb antragsgemäß mit Verfügung vom 14. Juli 1975 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1969 Bln) vom 18. Juli 1969 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin - GVBl Bln -, S. 1034, BStBl I, 519) von der Grunderwerbsteuer aus, weil die Klägerin zuvor erklärt hatte, daß sie das Grundstück bebauen wolle.Mit Vertrag vom 21. Oktober 1975 veräußerte die Klägerin das Grundstück zu einem Kaufpreis von . . . DM an die KG, die das Grundstück unter Zuhilfenahme der Klägerin mit einem Wohngebäude bebaute.

Das FA setzte mit Bescheid vom 1. Dezember 1975 die von der Klägerin zu entrichtende Grunderwerbsteuer einschließlich eines Aufgeldes von . . . DM fest, weil die Klägerin vor Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks das Grundstück veräußert habe.

Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6d, § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln, da sie als freies Wohnungsunternehmen das Grundstück ohne Gewinn an die KG weiterveräußert habe und diese das Grundstück planmäßig bebauen werde.

Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 2. Juli 1984 als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt. Es bejahte die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 6d, § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin sei kein freies Wohnungsunternehmen i. S. des § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln, da sie nur zur Verwirklichung des Gesellschaftszweckes der KG tätig geworden sei. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie trägt vor, ihr Gesellschaftszweck sei nicht nur in der Geschäftsführung für die KG zu sehen, sondern sie habe auch originäre und von dem Zweck der KG losgelöste Aufgaben als freies Wohnungsunternehmen wahrgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6d GrEStG 1969 Bln ist u. a. von der Besteuerung auf Antrag ausgenommen der Erwerb eines nichtbebauten Grundstücks durch ein freies Wohnungsunternehmen zur Weiterveräußerung ohne Gewinn an einen Erwerber, der auf dem Grundstück durch planungsmäßige Bebauung ein Wohngebäude im Gesetz näher bezeichneter Art errichtet. Nach § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln sind freie Wohnungsunternehmen ,,inländische Unternehmen, die im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Zweck überwiegend auf den Bau und die Verwaltung oder Übertragung von Wohnungen oder die wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet ist". Den Begriff wohnwirtschaftliche Betreuung hat der erkennende Senat im Urteil vom 17. Oktober 1979 II R 32/77 (BFHE 129, 82, BStBl II 1980, 53) ausgelegt. An dieser Auslegung wird festgehalten. Danach umfaßt die Zweckrichtung ,,wohnwirtschaftliche Betreuung" auch den Bau von Wohnungen, die nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung, sondern im Wege derBaubetreuung errichtet werden. Ob diese für eine natürliche oder für eine juristische Person oder eine Personengemeinschaft wahrgenommen wird, ist dabei unbeachtlich. Entscheidend ist jedoch, daß das freie Wohnungsunternehmen diese Tätigkeit als eigene Aufgabe und nicht als Vertreter oder Organ für ein anderes Rechtssubjekt ausführt; denn in diesen Fällen wird das Handeln der vertretenen Person zugerechnet (§ 164 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

2. Nach den Feststellungen des FG übte die Klägerin ihre Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin und Komplementärin der KG aus. Zu Recht hat das FG dies ,,eigentlich" als Bauherrentätigkeit der KG bezeichnet. Daran ändert auch nichts, daß grunderwerbsteuerrechtlich die GmbH und die KG zwei Rechtssubjekte sind. Die Klägerin trat als organschaftliche Vertreterin für die KG auf. Dafür spricht auch das Fehlen eines selbständigen Baubetreuungsvertrages zwischen ihr und der KG und die bilanzielle Behandlung der für diese Tätigkeit gezahlten Vergütung als Komplementärvergütung. Die KG hat somit vermittels ihres Organs selbst das Bauvorhaben vorbereitet und durchgeführt und damit in eigener Person Abwicklung, Betreuung und Koordination der Bebauung wahrgenommen. Wie das FG zu Recht feststellt, verlangt der Begriff der ,,wohnwirtschaftlichen Betreuung" eine Übernahme bzw. Entlastung von Aufgaben. Im Streitfall hat jedoch die KG keine Aufgaben übertragen, sondern diese selbst, vermittels ihrer Gesellschafterin, der Klägerin, wahrgenommen. Damit übte die Klägerin durch diese Tätigkeit keine wohnwirtschaftliche Betreuung i. S. des § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln aus.

3. Ausgehend von der vom Senat nicht geteilten Rechtsauffassung, die Tätigkeit der Klägerin als Komplementärin der KG genüge für die Bejahung des Merkmals ,,wohnwirtschaftliche Betreuung", hat das FG es im Urteil dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin auch andere - ihr selbst zuzurechnende - Tätigkeiten i. S. des § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln in dem entscheidenden Zeitraum ausgeübt hat. Die dafür notwendigen Feststellungen hat das FG noch durchzuführen. Dabei ist auf folgendes hinzuweisen: Ob der Zweck der Klägerin überwiegend auf wohnwirtschaftliche Betreuung gerichtet ist, ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Übung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. November 1980 II R 80/78, nicht veröffentlicht; Az. des FG Berlin I 310/75). Diese tatsächliche Übung muß sich auf einen gewissen Zeitraum beziehen. Diesen hat das FG zu Recht nicht zu eng gezogen. Zudem fordert die Voraussetzung des § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln, wonach die begünstigten Zwecke die nichtbegünstigten überwiegen müssen, daß mehrere Tätigkeiten vorliegen müssen, die naturgemäß nicht gleichzeitig ablaufen. Daher ist entgegen der Meinung des FA von einem angemessenen Zeitraum, den das FG zu Recht auf ca. ein Jahr veranschlagt hat, auszugehen.

4. Bei erneuter Prüfung des Streiffalles hat das FG ferner zu überprüfen, ob das Merkmal ,,ohne Gewinn" in § 6 Abs. 1 Nr. 6d GrEStG 1969 Bln erfüllt ist. Entgegen der Auffassung des FG sind nicht lediglich der Kaufpreis der Klägerin und der erzielte Verkaufserlös gegenüberzustellen. Eine reine Wortlautauslegung, wie sie das FG vornimmt, verkennt hier, daß der Veräußerungsvorgang als solcher ohne Gewinn sein soll, d. h., daß alle Geschäfte, die mit dem Veräußerungsgeschäft - Kauf bzw. Verkaufsvertrag - in Verbindung stehen, bei der Betrachtung miteinbezogen werden müssen. So fällt im Streitfall z. B. auf, daß die der GmbH gewährte Vergütung bis Baufertigstellung in Höhe von . . . DM unter Umständen eine verdeckte Kaufpreiszahlung darstellen könnte.

5. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat, ausgehend von einer anderen Rechtsauffassung, keine Feststellungen darüber getroffen, ob bzw. welche Tätigkeiten die Klägerin im Jahre 1975 und bis Mai 1976 wahrgenommen hat, die im Rahmen des § 8 Abs. 9 GrEStG 1969 Bln steuerbegünstigt sein können und ferner, ob der Veräußerungsvorgang insgesamt zu keinem Gewinn der Klägerin geführt hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416951

BFH/NV 1991, 187

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