Leitsatz (amtlich)
Ein gewerblicher Betrieb kann bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens weder die anteilige kapitalisierte Rentenlast auf Grund der von den Berufsgenossenschaften zu leistenden Unfallrenten noch die kapitalisierte Beitragsverpflichtung zur Berufsgenossenschaft als Schuld abziehen.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1
Tatbestand
Das FA (Beklagter und Revisionskläger) hat den Einheitswert für das Betriebsvermögen der Klägerin auf die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1952, 1. Januar 1953, 1. Januar 1954, 1. Januar 1955, 1. Januar 1956 und 1. Januar 1957 festgestellt, ohne den auf die Klägerin entfallenden anteiligen Kapitalwert der Rentenlast der zuständigen Berufsgenossenschaft als Schuld vom Rohvermögen abzuziehen. Die Einsprüche gegen die Feststellungen hatten insoweit keinen Erfolg.
Auf die Klage hat das FG die Einheitswerte für das Betriebsvermögen der Klägerin zu den vorgenannten Feststellungszeitpunkten in der Weise festgestellt, daß es den Kapitalwert der künftigen Beitragsleistung, kapitalisiert mit dem Vervielfacher 9 für Leistungen von unbestimmter Dauer, vom Rohvermögen abgezogen hat.
Die Revision des FA vertritt die Auffassung, bei den Beitragsleistungen zur Berufsgenossenschaft handle es sich nicht um eine auf das Vermögen der Klägerin gelegte Stammlast, sondern um laufende Aufwendungen des Unternehmens. Die Umlagen würden jährlich neu festgesetzt, und zwar bemessen nach der Zahl der Arbeitnehmer, den gezahlten Arbeitslöhnen, der Gefährlichkeit des Betriebszweiges, dem das Unternehmen angehöre, und nach der Gefahrträchtigkeit des einzelnen Mitgliedbetriebs. Die Beitragsschuld entstehe also nicht einheitlich als eine jährlich wiederkehrende Schuld, sondern jedes Jahr neu auf Grund der für das einzelne Mitglied der Genossenschaft maßgebenden Bemessungsgrundlage. Vor der jeweiligen Festsetzung bestehe die Beitragsschuld rechtlich nicht. Es bestehe keine Veranlassung, auf Grund einer hier nicht gerechtfertigten wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Beitragsschuld in Abweichung von der Rechtslage als Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen zu behandeln.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie weist darauf hin, die Berufsgenossenschaften seien zu dem Zweck geschaffen worden, den Unfallgeschädigten der angeschlossenen Betriebe Renten zu gewähren. Diesen Renten, bei denen es sich unbestritten um wiederkehrende Leistungen handle, stehe die Verpflichtung der Mitglieder der Genossenschaft gegenüber, der Berufsgenossenschaft die Mittel zur Befriedigung der Rentenansprüche nach einem Umlageverfahren zur Verfügung zu stellen. Aus dieser Zweckbestimmung ergebe sich, daß die Mitglieder der Berufsgenossenschaft wirtschaftlich mit den von den Genossenschaften geleisteten Renten belastet seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I.
1. Der Gedanke der öffentlich-rechtlichen Unfallversicherung beruht auf der Überlegung, daß dem gewerblichen Arbeitnehmer ein umfassender Schutz gegen Schäden durch Arbeitsunfälle gewährt werden soll. Dieser Schutz soll nicht auf die Fälle des Verschuldens des Arbeitgebers beschränkt sein, und der Geschädigte soll einen jederzeit leistungsfähigen Träger der Versicherung als Partner haben. Dies erforderte einerseits, den einzelnen Unternehmer von den Schadensersatzleistungen an die einzelnen Geschädigten grundsätzlich freizustellen (§ 898 der Reichsversicherungsordnung in der Fassung vor dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - UVNG - vom 30. April 1963, BGBl I 1963, 241 - im folgenden RVO -) und andererseits die Schaffung der Berufsgenossenschaften als Träger einer öffentlich-rechtlichen Unfallversicherung (§ 623 RVO; vgl. auch Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Bd. 1 S. 49 ff.). Die Berufsgenossenschaften werden nach örtlichen Bezirken gebildet. Sie umfassen als Mitglieder alle Unternehmen, deren Betrieb zu den ihr zugewiesenen Gewerbezweigen gehört und in ihrem Bezirk seinen Sitz hat. Die Mitgliedschaft ist eine Zwangsmitgliedschaft (§§ 630, 649 RVO).
2. Die Berufsgenossenschaften erhalten die Mittel zur Finanzierung ihrer Aufwendungen durch Beiträge der Mitglieder. Diese Beiträge sind der Höhe nach so bemessen, daß sie den Bedarf des abgelaufenen Geschäftsjahres decken (§ 731 RVO). Der Beitrag des einzelnen Mitgliedes bestimmt sich nach dem Entgelt, das die Versicherten in seinem Unternehmen verdient haben, und nach der durch den Grad der Unfallgefahr des Unternehmens bestimmten Gefahrklasse (§§ 706 ff., 732 RVO). Die Finanzierung erfolgt damit nicht im Kapitaldeckungsverfahren, d. h. durch Kapitalansammlung in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtungen, sondern im Umlageverfahren entsprechend dem jährlichen Barbedarf der Berufsgenossenschaft. Diese Finanzierungsform ist wirtschaftlich darin begründet, daß das Kapitaldeckungsverfahren die Unternehmen bei Einführung der öffentlichrechtlichen Unfallversicherung unverhältnismäßig stark belastet hätte, weil die Beiträge zu Beginn in Höhe des Barwerts der gesamten damals bestehenden Rentenverpflichtungen hätten geleistet werden müssen. Ein derartiger Vermögensentzug wäre jedoch volkswirtschaftlich nicht vertretbar gewesen (vgl. Piper, DB 1956, 69). Der Klägerin ist darin zuzustimmen, daß durch das Umlageverfahren die in einer Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmen gemeinsam den Aufwand tragen, der durch die Bedienung der Versicherungslast bei der Genossenschaft entsteht. Dieser wirtschaftliche Grundtatbestand ist indessen nicht geeignet, ohne Rücksicht auf die rechtliche Gestaltung der Entscheidung zugrunde gelegt zu werden, ob die kapitalisierte Beitragspflicht oder die anteilige kapitalisierte Rentenlast bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Mitgliedunternehmen als Schuld abgezogen werden kann. Wenngleich § 1 StAnpG gebietet, bei der Auslegung von Steuergesetzen und bei der Beurteilung von Tatbeständen deren wirtschaftliche Bedeutung zu berücksichtigen, so besagt das nicht, daß die rechtliche Gestaltung eines wirtschaftlichen Sachverhalts völlig außer Betracht bleiben und nur von dem wirtschaftlichen Grundtatbestand ausgegangen werden dürfte. Grundlage für die steuerrechtliche Beurteilung muß trotz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Rechtsstellung sein, die sich durch die gesetzgeberische Gestaltung des wirtschaftlichen Tatbestands für die Beteiligten ergibt. Es kann für die Entscheidung der anstehenden Rechtsfrage auch nicht, wie Martin/Schelle (Steuerliche Betriebsprüfung 1967 S. 108 ff.) es andeuten, davon ausgegangen werden, daß sich im Falle der Finanzierung der Unfallversicherung im Kapitaldekkungsverfahren die streitige Steuerrechtsfrage nicht stellen würde, weil dann das Vermögen des einzelnen Unternehmens schon um den Kapitalwert der anteiligen Rentenlast gemindert wäre; denn betriebswirtschaftlich bestehe in bezug auf das Vermögen der einzelnen Unternehmen kein Unterschied zwischen dem Kapitaldeckungsverfahren und dem Umlageverfahren. Der Entscheidung ist vielmehr der tatsächlich gegebene Sachverhalt zugrunde zu legen und nicht ein möglicher anderer Sachverhalt.
II.
1. Nach § 62 BewG in der vor dem BewG 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) sind zur Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens die Schulden abzuziehen, die mit dem gewerblichen Betrieb im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Voraussetzung für den Schuldenabzug ist, daß die Schulden am maßgebenden Feststellungszeitpunkt rechtlich schon entstanden und noch nicht erloschen waren. Eine Schuldverpflichtung kann auf eine einmalige Leistung oder auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sein. In bezug auf geschuldete wiederkehrende Leistungen spricht das BewG auch von Lasten (vgl. § 74 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Dagegen sind unter Lasten grundsätzlich nicht wirtschaftliche Belastungen zu verstehen, die nicht auf einer Rechtsverpflichtung beruhen. Als einzige Ausnahme von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung den Abzug des Kapitalwerts wiederkehrender Leistungen zugelassen, wenn die Leistungen zwar ohne Rechtsverpflichtung erfolgen, aber unter Umständen, aus denen entnommen werden kann, daß sich der Leistende den in einem bestimmten Umfang tatsächlich erbrachten Leistungen nicht entziehen wird und kann (vgl. Entscheidung des BFH III 28/61 U vom 22. Oktober 1965, BFH 84, 4, BStBl III 1966, 3). Die Beurteilung der Beitragspflicht als eine derartige "rechtsähnliche Verpflichtung" ist aber nicht möglich, weil die Berufsgenossenschaft auf die Beitragsleistung durch die Mitglieder einen Rechtsanspruch hat, so daß dieser Rechtsanspruch Gegenstand der steuerrechtlichen Würdigung sein muß.
2. Die Klägerin hat an die Berufsgenossenschaft Beiträge zu leisten, deren Höhe sich zunächst nach dem Bedarf der Genossenschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr bestimmt (§ 731 Abs. 1 RVO). Diese Verpflichtung besteht jeweils nur für ein Jahr. Dies ergibt sich daraus, daß der Finanzbedarf der Genossenschaft nicht nur ein Faktor der Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beitragsleistung, sondern auch die Leistungsursache ist. Wenn in einem Jahr kein Finanzbedarf anfallen würde, bestände auch keine Leistungspflicht. Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß die Verpflichtung zur Beitragsleistung in dem Maße und dem Umfang entsteht, in dem bei der Genossenschaft durch Leistungen auf die Rentenverbindlichkeiten ein Finanzbedarf entsteht. Damit kann eine Verpflichtung für zukünftige Jahre, für die ein Bedarf noch nicht entstanden sein kann, ebenfalls nicht bestehen, weil die Aufwendungen der Genossenschaft für künftige Jahre eben noch nicht angefallen sind (so auch BFH-Entscheidung I R 50/67 vom 24. April 1968, BFH 92, 224, BStBl II 1968, 544). Die Tatsache, daß die Genossenschaft zu künftigen Rentenleistungen verpflichtet ist, führt nicht dazu, daß der Finanzbedarf für diese künftigen Leistungen ein gegenwärtiger wäre. Diese in der Literatur von Kuhlmann (BB 1970, 916 ff. [919]) vertretene Auffassung verkennt, daß die Verpflichtung der Mitglieder zur Beitragsleistung an die Genossenschaften nach Grundsätzen des Aufwandumlageverfahrens qualitativ etwas anderes ist als die den Aufwand verursachende Verpflichtung der Genossenschaft zur Rentenzahlung an die Rentenberechtigten. Insbesondere trifft es nicht zu, daß die Verpflichtung zur jährlichen Beitragszahlung mit dem Eintritt der Unfälle entsteht. Sie entsteht vielmehr erst mit dem Anfall des Aufwandes, der zur Leistung des Schadenersatzes auf Grund der Unfälle innerhalb eines Jahres jeweils erforderlich ist. Damit besteht bezüglich der Beiträge nicht eine gegenwärtige einheitliche Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen, sondern die Verpflichtung zur Beitragsleistung entsteht jedes Jahr neu nach Maßgabe des Anfalls der Aufwendungen bei der Genossenschaft. Soweit der RFH in seinem Urteil III 184/41 vom 26. Februar 1942 (RStBl 1942, 511) für Umlagen von Sparkassen an ihre Pensionskasse eine andere Auffassung vertreten hat, kann ihm der erkennende Senat nicht folgen.
III.
1. Die Klägerin kann den Kapitalwert ihrer Beitragsleistungen auch nicht insoweit als Schuld abziehen, als mit diesen Leistungen die Rentenverpflichtungen gegenüber den Unfallgeschädigten bedient werden. Zur Leistung der Unfallrente ist nur die Berufsgenossenschaft verpflichtet. Das Unternehmen, in dem sich der Unfall ereignet hat, ist von jeder Verpflichtung gegenüber dem Unfallgeschädigten freigestellt, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn es den Unfall schuldhaft herbeigeführt hat (§ 898 RVO). Der Senat verkennt nicht, daß die in den Berufsgenossenschaften zusammengeschlossenen Unternehmen miteinander die Mittel für die Erfüllung der Rentenverpflichtungen durch die Genossenschaft aufbringen müssen. Diese Verpflichtung zur Aufbringung dieser Mittel in Form der Beitragsleistungen ist trotzdem qualitativ nicht gleich der Verpflichtung zur Rentenleistung durch die Berufsgenossenschaft. Der Zusammenhang zwischen dem Unternehmen und dem Geschädigten und damit zwischen der Beitragsleistung und der Rente wird nicht nur dadurch unterbrochen, daß zwischen Unternehmen und Rentenberechtigten eine öffentlich-rechtliche Körperschaft als Träger der Rentenlast eingeschaltet ist, sondern auch dadurch, daß die Beitragsleistungen des einzelnen Unternehmens in keinerlei Zusammenhang mit den Rentenverpflichtungen stehen, die durch das einzelne beitragsverpflichtete Unternehmen ausgelöst wurden. Schon diese Überlegung schließt den an sich rechtlich bedenklichen Durchgriff durch die Genossenschaft aus.
Wie oben ausgeführt wurde, ist die Bemessungsgrundlage für die anteilige Beteiligung an dem Aufwand der Berufsgenossenschaft in erster Linie die Lohnsumme, die das Unternehmen an seine aktiven Arbeitnehmer gezahlt hat (vgl. § 732 RVO). Diese Lohnsumme ist in der Regel nicht proportional zu der Rentenlast, die das einzelne beitragspflichtige Mitglied verursacht hat. Auch ein Unternehmen, das seinen Betrieb erst eröffnet hat und in dem noch keine Unfälle aufgetreten sind, ist nach diesem Schlüssel an der von ihm in keiner Weise mitverursachten Rentenlast der Berufsgenossenschaft beteiligt. Denn der Kern des Versicherungsgedankens liegt gerade darin, daß eine Gemeinschaft von gleichmäßig durch bestimmte Gefahren Bedrohten, die im Einzelfall aus der Gefahr auftretenden Schäden nicht nach Anfall bei dem einzelnen, sondern gemeinsam trägt. Hinzu kommt, daß der Zusammenhang mit der Rentenlast auch noch dadurch unterbrochen werden kann, daß zurückgehende Gewerbezweige die Rentenlasten aus Zeiten mit höherer Beschäftigungszahl nicht mehr tragen können. Dies führte dazu, daß durch Art. 3 UVNG in der Fassung des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1967, 1259 [1272]) die Möglichkeit eines allgemeinen Ausgleichs zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften verschiedener Wirtschaftszweige vorgesehen wurde. Ein besonders bedeutender Einzelfall dieses Ausgleichs ist die Umverteilung der sog. Bergbaurenten-Altlast durch Art. 3 UVNG in seiner ursprünglichen Fassung vom 30. April 1963 (a. a. O.). Das BVerfG hat im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung dieser Vorschriften ausgeführt, die gesetzliche Regelung sei niemals von einer unabänderlichen Autarkie der bestehenden Berufsgenossenschaften ausgegangen. Es sei vielmehr so, daß nach der herkömmlichen Struktur der Unfallversicherung der Wirtschaftsbereich, innerhalb dessen die Mittel für die Schadensdeckung aufgebracht werden, ausgeweitet oder eingeengt werden könne. Die unvermeidliche und immanente Auswirkung dieses Systems bestehe darin, daß jede Stützungsaktion für eine Berufsgenossenschaft der wirtschaftlichen Lage des betreffenden Gewerbezweiges zugute komme (BVerfGE 23, 12 [22 bis 23]). Hieraus ergibt sich, daß in bezug auf die Belastung des Vermögens des einzelnen Genossenschaftsmitglieds sehr wohl ein Unterschied zwischen dem Umlageverfahren und dem Kapitaldeckungsverfahren besteht. Denn wenn das einzelne Mitglied seinen Anteil am Barwert der Rentenlast geleistet hätte, wäre für diesen Ausgleich kein Raum. Außerdem zeigt die Möglichkeit des Ausgleichs zwischen den Berufsgenossenschaften, daß die Rentenverpflichtung der Berufsgenossenschaft nicht identisch ist mit der Verpflichtung der Mitglieder der Genossenschaften, durch Beiträge den Aufwand der Genossenschaft zu finanzieren. Die in der Literatur aufgestellte Behauptung (vgl. Kuhlmann, a. a. O.), die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmen schuldeten der Genossenschaft die Renten, trifft jedenfalls nicht mit der Folge zu, daß dadurch das einzelne Unternehmen in einer Weise zu bestimmten Rentenleistungen verpflichtet wird, die einen Schuldabzug der kapitalisierten Rentenlast zuließen. Aus diesem Grund ist es auch ohne Belang, wie das Bilanzbild bei einer Berufsgenossenschaft aussehen würde, wenn sie zur Bilanzierung verpflichtet wäre (vgl. Kuhlmann, Wirtschaftsprüfung 1970 S. 564 ff. [567]). Der Vergleich mit einem privatrechtlichen Versicherungsunternehmen ist nach Auffassung des Senats schon deshalb nicht möglich, weil bei privatrechtlichen Versicherungsunternehmen auf dem Vorhandensein eines der Versicherungslast entsprechenden Deckungskapitals aufsichtsrechtlich bestanden werden müßte. Außerdem kann bei einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit das einzelne Mitglied die anteilige Rentenlast des Vereins nicht als Schuld abziehen.
2. Die Berufsgenossenschaften sind nach vorstehenden Ausführungen nicht nur Zahlstellen für ihre Mitglieder im Sinn des BFH-Urteils III 108/55 U vom 9. August 1957 (BFH 65, 272, BStBl III 1957, 338). In dem damals entschiedenen Fall wurde der Abzug der kapitalisierten Rentenverpflichtung bei dem einzelnen Mitglied deshalb zugelassen, weil sich die Ansprüche der Pensionäre auf Ruhegehalt nicht gegen die Versorgungskasse, sondern unmittelbar gegen das einzelne Mitglied dieser Kasse richteten. Das ist aber bei den von den Berufsgenossenschaften zu zahlenden Unfallrenten in bezug auf die angeschlossenen Unternehmen nicht der Fall. Der Anspruch der Renten richtet sich hier nur gegen die Genossenschaft, während das einzelne Mitglied von jeder Verpflichtung gegenüber dem Geschädigten freigestellt ist.
3. Die Klägerin kann sich für ihr Begehren auch nicht auf die Entscheidung des erkennenden Senats III 28/61 U vom 22. Oktober 1965 (a. a. O.) berufen. Der Senat hat den Abzug der durch das Kassenvermögen einer Unterstützungskasse nicht gedeckten Spitzenlast aus laufenden Renten beim Trägerunternehmen der Unterstützungskasse aus Erwägungen zugelassen, die auf die Berufsgenossenschaften entgegen der Auffassung von Martin/Schelle (a. a. O.) nicht übertragen werden können. Im Fall der Rentenleistungen durch die Unterstützungskasse besteht kein Rechtsanspruch auf die Rente. Der Schuldabzug ist nach der Rechtsprechung des Senats nur deshalb gerechtfertigt, weil auf Grund der wiederkehrenden Leistungen der durch das Trägerunternehmen eingerichteten und gespeisten Unterstützungskasse eine so enge tatsächliche Bindung zwischen Unternehmen und Rentnern entsteht, daß dieses tatsächliche Verhältnis einem normativen Verhältnis gleichgestellt werden kann. Deshalb und mangels einer entgegenstehenden rechtlichen Gestaltung können die Leistungen der Unterstützungskasse dem Trägerunternehmen zugerechnet werden. Eine derartige Beziehung liegt auf Grund der von den Berufsgenossenschaften geleisteten Renten weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht vor. Dies ergibt sich aus der rechtlichen Konstruktion der Trägerschaft der Unfallversicherung, wie sie oben dargestellt wurde.
IV.
Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin kann weder die anteilige kapitalisierte Rentenlast der Genossenschaft noch die kapitalisierte Beitragsverpflichtung bei der Einheitsbewertung ihres Betriebsvermögens vom Rohvermögen abziehen. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69498 |
BStBl II 1971, 583 |
BFHE 1971, 292 |