Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer/Sonstiges/Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Fallen alle Geschäftsgrundlagen einer GmbH fort, so daß sie nur noch eine abwicklungs- und löschungsreife Gesellschaft darstellt, und werden diese nach übernahme der Gesellschafteranteile durch neue Gesellschafter vollkommen neu gestaltet, so besteht nach dem Sinn des auch auf die Körperschaftsteuer anwendbaren § 10d EStG trotz formaler Gleichheit der zivilrechtlichen Persönlichkeit die zur Geltendmachung des Verlustabzugs erforderliche Personengleichheit nicht.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 1; KStDV § 15; EStG § 10d; StAnpG § 6
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) wurde im Jahre 1947 unter der Firma S.D.-GmbH mit Sitz in K gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung von Herren-, Damen-, Knaben- und Kinderbekleidung, Einzelhandel mit diesen Artikeln sowie der Verkauf von Herren- und Damenoberstoffen. Im August 1948 wurde die Firmenänderung in M. u. Co. GmbH beschlossen. Im Dezember 1949 erhöhte die Stpfl. ihr Stammkapital von 200.000 DM auf 300.000 DM. Ihre DMEB enthielt ein Kapitalentwertungskonto von 60.000 DM.
Am Stammkapital der Stpfl. von 300.000 DM waren ihre Tuchlieferanten, die Firma A-KG mit 102.000 DM und deren Vertriebsgesellschaft, die B-GmbH, mit 198.000 DM beteiligt. Die Beteiligungen hielten Treuhänder. Die Stpfl. erlitt seit der Währungsumstellung beträchtliche Verluste, die zu Forderungsverzichten der Anteilseigner führten. Im Antrag der Stpfl. auf Erlaß der Vermögensabgabe wegen Vermögensverfalls vom Januar 1955 sind die Bilanzverluste der jeweils am 30. Juni endenden Geschäftsjahre 1949/50 bis 1953/54 mit 440.000 DM angegeben. Weiter wird ausgeführt: "Um die Gesellschaft überhaupt zu erhalten, gab es nur die eine Möglichkeit, daß die Gesellschafter durch Zuschüsse in Form von Verzichten auf Forderungen gegen die Gesellschaft ihr neues Kapital zuführten. Das derzeitige Vermögen besteht allein aus diesen Neuzuführungen von rund 433.000 DM". In ihrem Antrag auf Erlaß der Vermögensabgabe vom Jahre 1955 machte die Stpfl. geltend, ihr Vermögen habe am 21. Juni 1948 132.800 DM ausgemacht und sei durch die eingetretenen Verluste um mehr als das Dreifache aufgezehrt worden. Es bedürfe keiner Darlegung, daß diese Verluste unter keinen Umständen durch spätere Gewinne aufgeholt werden könnten, abgesehen davon, daß die eingeleitete stille Liquidation der Gesellschaft hierzu keine Möglichkeit mehr biete.
Die stille Liquidation ergibt sich auch aus den Vermögensaufstellungen der Stpfl. im Verfahren wegen des Erlasses der Vermögensabgabe. Im Schreiben vom November 1955 an das Finanzamt stellte die Stpfl. fest, daß ihr Betrieb am 30. April 1955 stillgelegt und aufgelöst worden sei. Bei der Verwertung des Anlage- und Vorratsvermögens seien ungewöhnliche Verluste entstanden.
Die Schlußbilanz zum 30. Juni 1956 wies ein Eigenkapital der Stpfl. von etwa 40.000 DM aus, das im wesentlichen aus zwei Forderungen gegen ihre Gesellschafter im Gesamtbetrag von rd. 30.000 DM bestand. Die steuerlichen Verluste der Stpfl. betrugen, auf die Veranlagungszeiträume bezogen, in
1951 - - - 129.123 DM 1952 - - - 162.289 DM 1953 - - - 70.885 DM 1954 - - - 103.541 DM 1955 - - - 127.322 DM - - - - - ------------ - - - - - - 593.160 DM (Verlustabzüge).Im September 1956 übertrugen die beiden Gesellschafter der Stpfl. durch ihre Treuhänder insgesamt 224.000 DM Gesellschaftsanteile je zur Hälfte an Frau R und Frau C zum Kaufpreis von zusammen 46.800 DM. Die Firma B-GmbH behielt 49.000 DM, die Firma A-KG 27.000 DM Geschäftsanteile zurück. Am gleichen Tage wurden durch eine außerordentliche Gesellschafterversammlung die Firma in "X, Handelsgesellschaft mbH" und der bisherige gesellschaftsvertragliche Unternehmensgegenstand dahin geändert, daß insbesondere die Planung von ... Einrichtungen und der Vertrieb von .. -Geräten hinzugefügt wurden. Außerdem bestellte die Gesellschafterversammlung die Ehemänner der Anteilskäuferinnen zu Geschäftsführern der Gesellschaft (der Stpfl.). Später, im März 1958, wurde eine nochmalige Namensänderung in X ... geräte GmbH" vorgenommen. Die Stpfl. verlegte ihre Geschäftsleitung von K nach J, M-Straße 15a.
Dieses Grundstück gehörte seit 1954 zum Betriebsvermögen einer aus den Gesellschaftern Herren R und C betriebenen OHG. Gegenstand dieses Unternehmens war Großhandel und Vermietung von .. geräten, Vermittlung von .. aufträgen.
Der steuerliche Umsatz dieser Firma hatte sich wie folgt entwickelt:
1951 - - - 128.485 DM 1952 - - - 373.680 DM 1953 - - - 700.771 DM 1954 - - 1.762.930 DM 1955 - - 3.311.172 DM.Der Einheitswert des Betriebsvermögens der OHG stieg von 193.000 DM am 1. Januar 1954 auf 589.000 DM am 1. Januar 1956. Die Aufwärtsbewegung seit 1954 beruhte im großen Umfang darauf, daß von diesem Zeitpunkt an die OHG "D-Spezialgeräte DBGM" auf Grund einer Lizenz ihres Mitarbeiters, des D. J. B., herstellen ließ und vertrieb.
Diesen Teil ihres Geschäfts - den Vertrieb und die Entwicklung von D-Spezialgeräten - hat die OHG nach dem im Dezember 1956 zwischen ihr und der Stpfl. abgeschlossenen Vertrag vom Oktober 1956 an der Stpfl. pachtweise überlassen. Insoweit gingen die Verkaufsorganisation, die Kundschaft und der Kundendienst der OHG auf die Stpfl. über. Die OHG überließ der Stpfl. außerdem alle Rechte aus ihren Verträgen mit D. J. B. zur Ausnutzung. Die Stpfl. übernahm im Innenverhältnis die Rechte und Verpflichtungen der OHG aus künftigen Vereinbarungen mit D. J. B. Der Pachtvertrag war frühestens zum 31. Dezember 1960 kündbar. Tatsächlich hat ihn auch die OHG am 28. Juni 1960 zum Ende des Jahres gekündigt.
In der Pachtzeit stieg das bewertungsrechtliche Betriebsvermögen der Stpfl. von 47000 DM am 1. Januar 1957 auf 1.100.000 DM am 1. Januar 1960 an. In diesem Zeitpunkt wären mit einem (ungekürzten) Einkommen der Stpfl. von rund 650.000 DM im Veranlagungszeitraum 1959 die steuerlichen Verlustabzüge der Stpfl. aus den Jahren 1955 und früher - im Falle ihrer Anerkennung - verrechnet gewesen und weitgehend zum Zuge gekommen.
Beim vorliegenden Sachverhalt würde das durch eine während des Verfahrens über die Berufung vorgenommene Betriebsprüfung auf 137.620 DM unstreitig ermittelte positive Einkommen 1957 auf Grund des geltend gemachten Verlustabzugs aus 1952 wegfallen. Das Finanzamt hat den Verlustabzug nicht zugelassen.
Hiergegen machte die Stpfl. geltend, der Gesichtspunkt des sog. Mantelkaufs scheide hier aus, weil die bisherigen alten Gesellschafter eine Sperrminorität von etwas mehr als 25 v. H. behalten hätten. Die Neuerwerber der restlichen Anteile seien im übrigen zwei verschiedene, miteinander nicht verwandte Personen. Selbst bei Annahme eines Mantelkaufs komme ein Mißbrauch i. S. von § 6 StAnpG nicht in Betracht. Der übergang der Anteile sowie die Satzungsänderungen rechtfertigt nicht den Schluß, das es den Erwerbern ausschließlich auf die Ausnutzung der Verlustabzüge angekommen sei. Die Anteilserwerber, die der Gesellschaft neues Leben eingehaucht hätten, seien vielmehr davon ausgegangen, die mit der Gründung einer GmbH mit einem Stammkapital von 300.000 DM verbundenen Kosten und Einzahlungsverpflichtungen zu vermeiden. Zweifellos bedeute es einen erstrebenswerten Vorteil für die Erwerber, ohne Einzahlungen das Stammkapital aus den zukünftigen Gewinnen der Gesellschaft wieder auffüllen zu können.
Keine entscheidende Rolle dürfe es spielen, daß es trotz ernstlicher Bemühungen nicht gelungen sei, die beim Anteilserwerb bestehende Absicht einer Fortführung des ursprünglichen Geschäftsbetriebs der GmbH zu verwirklichen. Jedenfalls seien es vernünftige wirtschaftliche Gründe gewesen, die die Erwerber der Anteile veranlaßt hätten, einen mit Risiken verbundenen Geschäftszweig durch eine GmbH ausüben zu lassen, damit die persönliche Haftung vermieden werde. Diesem Zweck hätte man durch die Gründung einer GmbH mit einem kleinen Stammkapital nicht Rechnung tragen können; denn das Geschäft habe einen größeren Umfang annehmen und mit Lieferantenkredit arbeiten müssen. Auch die Banken legten unabhängig von der Bilanz auf ein vernünftiges Verhältnis zwischen Stammkapital und Umsatz Wert. Jedem Steuersubjekt müsse offengehalten werden, einen unrentablen Geschäftsbetrieb durch einen rentablen zu ersetzen, sei es auch unter Hinzuziehung neuer Gesellschafter.
Gegen die Entscheidung des Steuerausschusses, die dem Vorbringen der Stpfl. folgte, legte der Vorsteher des Finanzamts Berufung ein. Das Finanzgericht hat der Berufung stattgegeben und im wesentlichen ausgeführt, die selbständige kaufmännische Mobilisierung der Verlustabzüge der GmbH nach Beendigung der bisher ausgeübten geschäftlichen Tätigkeit durch die Gesellschafter müsse sich die Körperschaft als außergewöhnliche, der Steuerrechtsordnung zuwiderlaufende Maßnahme nach § 6 StAnpG anrechnen lassen. Das künstliche Verfahren zur Ermöglichung der Verrechnung der Verlustabzüge bei der nur noch einen Schatten darstellenden Körperschaft schließe als Mißbrauch zu Steuerumgehungszwecken die steuerliche Anerkennung der Verlustabzüge grundsätzlich aus.
Das Urteil des Finanzgerichts wurde am 26. Oktober 1962 zugestellt, die Rb. ging am 27. November 1962 - also verspätet - beim Finanzgericht ein. Der Bevollmächtigte entschuldigte die Fristversäumnis als Büroversehen und fügte mehrere eidesstattliche Versicherungen bei. Materiell wird die Rb. auf unrichtige Rechtsanwendung und Verfahrensmängel gestützt.
Die Stpfl. beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen, und ferner das Verfahren auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des § 263 Abs. 2 AO a. F. entschieden hat.
Die Rb. ist gemäß § 184 FGO als Revision zu behandeln; sie ist zulässig, aber unbegründet.
I. Da die Stpfl. dargetan hat, daß die verspätete Abgabe der Rechtsmittelschrift auf ein Büroversehen zurückzuführen ist, ist die Fristversäumnis entschuldigt.
II.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist - wenn auch aus anderen als den vom Finanzgericht angeführten Gründen - unbegründet.
Nach § 10d EStG können Steuerpflichtige Verluste aus Gewerbebetrieb der vorangegangenen fünf Veranlagungszeiträume wie Sonderausgaben abziehen, soweit ein Ausgleich oder Abzug der Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht möglich war. Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus dem Sinn und Zweck des Verlustabzugs, daß ein solcher nur in Betracht kommt bei Verlusten, die der Steuerpflichtige selbst wirtschaftlich erlitten und zu tragen hat. Der Verlustabzug ist mit der Person des Steuerpflichtigen verbunden, was auch durch die Behandlung als Sonderausgabe zum Ausdruck kommt. Allerdings ist durch das Urteil VI 49/61 S vom 22. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 386, Slg. Bd. 75 S. 328) eine Ausdehnung des Verlustabzugs auf den Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers angenommen worden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 66/59 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 230, Slg. Bd. 72 S. 630) kann aber ein Erbe den Verlustabzug nicht geltend machen, wenn er wegen der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß selbst nicht belastet ist.
Obwohl der Verlustabzug im EStG wie eine Sonderausgabe behandelt wird - also das Einkommen und nicht bestimmte Einkünfte betrifft -, findet § 10d EStG auch im KStG Anwendung (ß 15 KStDV), soweit das dem Sinn der Vorschrift entspricht. Auch für das KStG hat der Bundesfinanzhof im Urteil I 131/57 U vom 8. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 97, Slg. Bd. 66 S. 250) aus dem Sinn und Zweck des Verlustabzugs geschlossen, daß zwischen dem Steuerpflichtigen, der den Verlust erlitten hat, und demjenigen Steuersubjekt, das den Verlust vom Gesamtbetrag der Einkünfte absetzen will, Personengleichheit bestehen muß und daß eine übertragung eines Verlusts auf ein anderes Steuersubjekt ausgeschlossen ist.
Wie der erkennende Senat im Urteil I 78/58 U vom 19. August 1958 (BStBl 1958 III S. 468, Slg. Bd. 67 S. 509) ausgeführt hat, ist grundsätzlich bei der Entscheidung der Frage, ob Personengleichheit zwischen dem Steuerpflichtigen, der den Verlust erlitten hat, und demjenigen, der den Verlust steuerlich geltend machen will, von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage auszugehen. Darum hat der Senat im Falle der formwechselnden Umwandlung die Personengleichheit anerkannt und den Verlustabzug zugelassen; in diesem Falle sind Vermögen und Gesellschafter gleich geblieben (Urteil I 78/58 U, a. a. O.).
Die Kapitalgesellschaft ist ein durch den Willen der Gesellschafter geschaffener Organismus, in dem ein gebundenes Kapital einem bestimmten Gesellschaftszweck unter einem bestimmten Namen dienstbar gemacht wird; sie ist unabhängig von ihren Gesellschaftern, so daß von einem Wechsel der steuerlichen Rechtspersönlichkeit nicht gesprochen werden kann, wenn von mehreren Gesellschaftern einer ausscheidet. Notwendige Maßnahmen zur wirtschaftlichen Gesundung eines notleidenden Unternehmens hindern darum die Anerkennung des Verlustabzugs nicht. Der bisherige Gesellschafter kann ohne nachteilige Rechtswirkungen seinen Betrieb, der in Form einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, umstellen und z. B. seine gutgehende Einzelfirma in seine Kapitalgesellschaft einbringen, um den Verlust auszunutzen (so auch Hoffmann in "Der Betrieb" - DB - 1958 S. 811).
Eine von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage abweichende Beurteilung ist aber geboten, wenn der Sinn und Zweck der steuerlichen Rechtsordnung und der wirtschaftliche Gehalt der Vorgänge dies rechtfertigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 78/58 U, a. a. O.). Durch den Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer sollen Erträge und Verluste des nach außen in Erscheinung tretenden, zweckbestimmten, betrieblichen Organismus der Körperschaft innerhalb eines längeren Zeitraums ausgeglichen werden. Bei Anwendung des § 10d EStG auf eine Körperschaft wird die Personengleichheit aber zweifelhaft, wenn einerseits die bürgerlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit mangels eines Geschäftsbetriebs und eines ins Gewicht fallenden Vermögens nur noch eine zur Abwicklung notwendige, im Hinblick auf eine wirtschaftliche Betätigung aber bedeutungslose Form darstellt, andererseits der praktisch bedeutungslos gewordene Mantel der Kapitalgesellschaft durch Zuführung neuen Vermögens durch neu eintretende Gesellschafter eine völlig anders geartete Zweckbestimmung und Organisation erhält, ohne daß von einer organischen Fortentwicklung und überleitung zu einem anderen Gegenstand des Unternehmens im Interesse der Körperschaft und ihrer Gläubiger die Rede sein kann (so auch schon Urteil des Bundesfinanzhofs I 131/57 U, a. a. O.).
Fordert das Gesetz eindeutig die Personengleichheit zwischen dem Verlustträger und demjenigen, der den Verlust geltend macht, so muß zur Zuerkennung des Verlustabzugs auch wirtschaftlich die den Verlustabzug geltend machende Kapitalgesellschaft mit der verlusttragenden Gesellschaft identisch sein. ändert eine Kapitalgesellschaft ihr persönliches und sachliches Substrat, so sind wirtschaftlich gesehen die Gesellschaft vor dem Gesellschafterwechsel und die Gesellschaft in ihrer neuen Verfassung trotz des ununterbrochenen Fortbestehens der Gesellschaft als Rechtsperson nicht personengleich im Sinne des § 10d EStG. Ist die Personengleichheit bei einer Kapitalgesellschaft nur formal gegeben, wird aber wirtschaftlich gesehen der Verlustabzug von einer Gesellschaft geltend gemacht, die einen ganz anderen Inhalt hat als die Gesellschaft, die den Verlust erlitten hat, so kann der Verlustabzug nicht zugelassen werden. Der Verlustabzug gebührt nicht dem Rechtskleid, sondern dem verlusttragenden Unternehmen. Nur diese Auslegung entspricht dem Sinn des § 10d EStG, eine Vorschrift, die auf natürliche Personen zugeschnitten ist und darum auf Körperschaften nur soweit Anwendung findet, als die Rechtsperson der natürlichen Person vergleichbar ist.
Auch im vorliegenden Falle waren alle Geschäftsgrundlagen des Textilherstellungsbetriebes zur Zeit der Anteilsveräußerung weggefallen. Die Stpfl. stellte deshalb lediglich noch eine abwicklungs- und löschungsreife Gesellschaft dar, deren Geschäftsbetrieb (Gesellschaftszweck und der diesem Zweck dienende Organismus) für ein Unternehmen, das sich mit dem Vertrieb von selbstkonstruierten Spezialbaugeräten befaßte, wirtschaftlich wertlos war. Die Gesellschaft erhielt nach übernahme der Gesellschafteranteile durch die neuen Gesellschafter einen neuen Gesellschaftszweck und einen neuen Namen; die Geschäftsleitung wurde verlegt. Die wirtschaftlichen Impulse gingen sämtlich von den neu eingetretenen Gesellschaftern aus. Die Erwerber der Anteile brachten einen bereits laufenden gewinnbringenden Geschäftsbetrieb, nämlich den Handel mit Spezial ... geräten, in die GmbH zur Verwertung ein. Durch diese vollkommene Neugestaltung der Gesellschaft, insbesondere durch die Ausfüllung mit einem durch die neuen Gesellschafter ermöglichten Zweck, wurden die späteren Gewinne erzielt.
Auch die Tatsache des formalen Verbleibens der bisherigen Gesellschafter in der X-Geräte GmbH kann das Bild der Neugestaltung nicht verändern, denn die verbleibenden Gesellschafter haben zur Umgestaltung des Unternehmens sowie für die Einsetzung und Förderung des neuen Gesellschaftszweckes nichts beigetragen. Wie das Finanzgericht in einwandfreier Tatsachenfeststellung und Tatsachenwürdigung ausführt, geschah diese Mitbeteiligung aus keinem innerbetrieblichen Grunde, sondern ausschließlich zur Abgeltung der Vorteile, die sich die Stpfl. aus dem Verlustabzug versprochen hat. Man mag dem entgegenhalten, daß mit dieser Rechtsansicht ein Durchgriff durch die Rechtspersonen der GmbH erfolge; ein solcher Durchgriff könnte aber nicht als unzulässig angesehen werden, weil der eindeutig erkennbare Gesetzeszweck nur auf diesem Wege erreicht werden und ein vom Gesetzgeber mit § 10d EStG nicht bezwecktes Ergebnis vermieden werden kann. Da trotz formaler Gleichheit der Rechtspersönlichkeit der GmbH wirtschaftlich eine Personengleichheit nicht besteht, sind die Voraussetzungen für den Verlustabzug nicht erfüllt. Hiernach erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob auch ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 6 StAnpG vorliegt.
Eine Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht kommt hiernach nicht in Frage.
III. Den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens begründet die Stpfl. mit der Rechtsansicht, § 263 Abs. 2 AO a. F. sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, da die Vorschrift dem Vorsteher des Finanzamts unzulässigerweise die Berufung gegen Einspruchsentscheidungen des Steuerausschusses gewähre. Auch diesem Antrag kann nicht stattgegeben werden. Im Urteil VI 78/63 S vom 3. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 566, Slg. Bd. 80 S. 257, hat der Bundesfinanzhof ausgesprochen und eingehend begründet, daß der § 263 Abs. 2 AO a. F. verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Dieser Rechtsansicht schließt sich der erkennende Senat an und verweist auf die Gründe des vorbezeichneten Urteils.
Fundstellen
Haufe-Index 411998 |
BStBl III 1966, 289 |
BFHE 1966, 217 |
BFHE 85, 217 |
BB 1966, 569 |
DB 1966, 1297 |
DStR 1966, 348 |