Leitsatz (amtlich)
1. Die vermögensteuerliche Regelung des Erbbaurechts in § 46 BewDV in der zuletzt vor ihrer Außerkraftsetzung durch Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl I 1965, 851) geltenden Fassung ist rechtsgültig. Sie widerspricht auch nicht den Grundsätzen des Bewertungsrechts.
2. Die Heranziehung des Kapitalwerts des Erbbauzinses zur Vermögensteuer bedeutet keine systemwidrige Doppelbesteuerung (Grundstück und Ertrag).
Normenkette
AO a.F. § 12; BewG § 17a; BewDV i.d.F. vor der Außerkraftsetzung durch das Gesetz zur Änderung des BewG vom 13. August 1965 § 46
Tatbestand
Streitig ist, ob und gegebenenfalls mit welchem Wert das Grundstück der Revisionsklägerin, das mit einem Erbbaurecht belastet ist, und das Recht auf den Erbbauzins bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1957 anzusetzen sind.
Die Steuerpflichtige (Revisionsklägerin) bestellte im Jahre 1950/1952 auf einem ihr gehörenden Grundstück ein Erbbaurecht bis zum 30. Juni des Jahres 2 000. Sie erhält jährlich einen Erbbauzins von 9 000 DM. Der Einheitswert des Grundstücks ist vor dem 1. Januar 1957 letztmals zum 1. Januar 1954 auf 240 600 DM festgestellt worden, wovon 65 000 DM auf Grund und Boden entfallen. Nach § 46 Abs. 3 BewDV in der am 1. Januar 1957 geltenden Fassung (nachfolgend: BewDV a. F.) setzte das FA (Revisionsbeklagter) bei der Vermögensteuerveranlagung der Steuerpflichtigen zum 1. Januar 1957 einen Anteil des Werts des Grund und Bodens von 20 v. H. (= 13 000 DM) an. Das Recht auf den Erbbauzins bewertete das FA unter Bezugnahme auf § 46 Abs. 4 BewDV a. F. in Verbindung mit § 15 Abs. 1 BewG a. F. und die Hilfstafel 2 zum BewG mit 155 817 DM (9 000x 17,313). Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA verböserte die Vermögensteuerveranlagung; denn es rechnete der Revisionsklägerin nach § 46 Abs. 3 vorletzter und letzter Satz BewDV a. F. noch einen Anteil am Wert des Gebäudes zu, da sie bei Erlöschen des Erbbaurechts dem Erbbauberechtigten nur 50 v. H. des gemeinen Werts des Gebäudes zu erstatten habe.
Mit der Berufung machte die Revisionsklägerin geltend, § 46 BewDV a. F. sei in seiner Gesamtheit rechtsungültig. Er stehe in Widerspruch zum System des übrigen Steuerrechts und verstoße gegen die Vorschriften des BewG, des StAnpG und schließlich gegen Art. 3 des Grundgesetzes.
Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: § 46 BewG a. F. sei auf Grund der Ermächtigung in § 12 AO a. F. erlassen worden. Er sei jetzt noch wirksam. Die Absätze 1 und 3 des § 46 BewDV a. F. änderten nicht § 50 Abs. 2 BewG a. F. § 46 Abs. 1 BewDV schaffe keine Einheit aus Grund und Boden und Erbbaurecht. Er gehe nur zum Zweck der Berechnung der beiden wirtschaftlichen Einheiten von einem fiktiven Gesamtwert aus. Die Regelung in § 46 Abs. 3 BewDV a. F., den Wert des Grund und Bodens beim Erbbaurechtsverpflichteten um so höher anzusetzen, je näher das Ende des Erbbaurechts heranrücke, sei gerechtfertigt. Das gleiche gelte für das auf dem Grund und Boden errichtete Gebäude. Je kürzer die Restlaufzeit des Erbbaurechts sei, desto früher könne der Grundstückseigentümer das Gebäude nutzen. Der Anspruch auf Heimfall des Gebäudes bestehe schon am Stichtag. Eine Doppelerfassung sowohl der Substanz als auch des Ertrags der Substanz liege nicht vor. Je mehr nämlich der beim Grundstückseigentümer zu erfassende anteilige Grundstückswert steige, desto mehr verringere sich sein Recht auf den Erbbauzins. Damit entfalle auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG. Der Erbbauzins müsse auch deshalb angesetzt werden, weil die Steuerpflichtige durch die Bestellung des Erbbaurechts keinen Vermögensverlust erlitten habe. Sie habe nur ihr Vermögen umgeschichtet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Steuerpflichtige hat ihre Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO - 1. Januar 1966 - als Revision zu behandeln ist, nicht begründet.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das FG hat die Rechtslage zutreffend beurteilt. Die auf den früheren § 12 AO gestützte Bestimmung des § 46 BewDV a. F. ist rechtsgültig entstanden; denn der Reichsminister der Finanzen war damals nach § 12 AO u. a. berechtigt, zur Durchführung und Ergänzung der Steuergesetze Rechtsverordnungen zu erlassen, wie der BFH für andere sich auf § 12 AO a. F. beziehende Durchführungsbestimmungen bereits entschieden hat (Urteile I 132/53 U vom 30. November 1954, BFH 60, 74, BStBl III 1955, 28; I 40/55 U vom 14. Februar 1956, BFH 62, 284, BStBl III 1956, 105; III 173/64 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 390, BStBl III 1967, 659). Der mithin rechtsgültig entstandene § 46 BewDV a. F. hat auch für den hier maßgeblichen Stichtag (1. Januar 1957) seine Rechtsgültigkeit nicht verloren. Aus der Tatsache, daß § 46 BewDV a. F. nunmehr in das BewG vom 10. Dezember 1965 (BGBl I 1965, 1861, BStBl I 1966, 2) in wesentlichen Punkten übernommen wurde (§ 92 BewG 1965), läßt sich nicht folgern, der Gesetzgeber habe den seitherigen § 46 BewDV nicht als geltendes Recht angesehen. Die Übernahme in das BewG besagt nicht, daß das früher in andere Form gesetzte Recht unwirksam gewesen sei (vgl. BFH-Urteil I 40/55 U vom 14. Februar 1956, a. a. O.).
2. Der Reichsminister der Finanzen war allerdings zur Ergänzung und Durchführung eines Reichssteuergesetzes nur insoweit befugt, als die Grundsätze und der Sinn des Gesetzes der Durchführungsbestimmung nicht entgegenstanden (vgl. BFH-Urteil V z 153/56 U vom 20. März 1958, BFH 66, 641, BStBl III 1958, 246, und die dort angeführten Entscheidungen). § 12 AO a. F. gestattete nicht, Gesetze zu ändern oder Steuervergünstigungen einzuschränken. § 46 BewDV a. F. verstößt aber nicht gegen diesen Grundsatz und führt auch nicht zu einer steuerlichen Doppelerfassung eines Wirtschaftsguts.
Nach § 46 Abs. 1 BewDV a. F. ist bei einem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück der Gesamtwert für den Grund und Boden und das Gebäude so zu ermitteln, als bestünde die Belastung nicht. Es wird also zum Zweck der Wertermittlung ebenso wie bei einem nicht mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück eine einzige wirtschaftliche Einheit unterstellt, die sowohl den Grund und und Boden als auch das Gebäude umfaßt. Die Absätze 2 und 3 des § 46 BewDV a. F. regeln, wie dieser Gesamtwert auf den Erbbauberechtigten und den Grundstückseigentümer zu verteilen ist. Auch diese Bestimmung widerspricht nicht den Grundsätzen des Bewertungsrechts. Der Senat hat bereits im Urteil III 177/60 U vom 29. November 1962 (BFH 76, 551, BStBl III 1963, 202) ausgeführt, § 46 Abs. 2 und 3 BewDV a. F. beruhe auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und trage insbesondere bei der Zurechnung den besonderen wirtschaftlichen Gegebenheiten im Falle der Bestellung eines Erbbaurechts Rechnung. Unter Hinweis auf das Urteil des RFH III 152/42 vom 25. Februar 1943 (RStBl 1943, 285) weist die Entscheidung darauf hin, die Absätze 2 und 3 des § 46 BewDV a. F. sprächen ausdrücklich von "Zurechnen". Es sei also nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu prüfen (§ 11 StAnpG), welchen Beteiligten Grund und Boden nebst dem erbbaurechtlich darauf errichteten Gebäude jeweils anteilsmäßig gehörten. Diese Prüfung wolle § 46 BewDV a. F. den Steuerbehörden erleichtern. Er setze für bestimmte Zeitpunkte, an denen jeweils mit der größeren Annäherung an das Erlöschen des Erbbaurechts und die Rückkehr des Grund und Bodens in die alleinige Verfügungsgewalt des Grundstückseigentümers eine wirksame Verschiebung der Wertanteile anzunehmen sei, genau fest, nach welchen Vomhundertsätzen der Gesamtwert auf die beiden Beteiligten (Erbbauberechtigter und Grundstückseigentümer) verteilt werden solle. Demnach enthält § 46 Abs. 2 und 3 BewDV a. F. im Ergebnis lediglich eine Spezialbestimmung über die Zurechnung des Grund und Bodens, wenn daran ein Erbbaurecht bestellt ist.
Schließlich verstößt auch § 46 Abs. 4 BewDV a. F. nicht gegen einen Grundsatz des Bewertungsrechts. In Anlehnung an die Rechtsprechung des RFH (vgl. RFH-Urteil III A 210/31 vom 15. Dezember 1932, RStBl 1933, 128) ist in § 46 Abs. 4 BewDV a. F. lediglich bestimmt, daß das Recht auf den Erbbauzins steuerlich nicht als Bestandteil des Grundstücks gilt. Es wird ebenso wie die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses außerhalb der Bewertung des Grundstücks und des Erbbaurechts berücksichtigt.
3. Ist hiernach § 46 BewDV a. F. rechtsgültig, so ist das Recht auf den Erbbauzins steuerlich zu erfassen. Im Urteil III 349/58 U vom 26. Juni 1959 (BFH 69, 273, BStBl III 1959, 364) hat der Senat bereits entschieden, daß das Recht auf den Erbbauzins beim Eigentümer des Grund und Bodens ohne Rücksicht auf die Bewertung des Grundstücks und des Erbbaurechts voll mit seinem jeweiligen Kapitalwert anzusetzen ist. Hieran hält er für Stichtage bis zum 31. Dezember 1962 (Hinweis auf § 17a BewG) fest. Der Einwand, durch die Erfassung des Kapitalwerts des Erbbauzinses trete eine systemwidrige Doppelbesteuerung ein, weil sowohl der Vermögenswert (Grundstück) als auch der Ertrag (Erbbauzins) erfaßt werde, ist unbegründet. Beträgt die Dauer des Erbbaurechts in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt noch 50 Jahre oder mehr, so wird der Gesamtwert des Grundstücks dem Erbbauberechtigten zugerechnet. Beim Erbbauverpflichteten wird kein Anteil vom Gesamtwert des Grundstücks erfaßt. Er muß nur den Kapitalwert des Erbbauzinses versteuern. Der Erbbauzins ist das Entgelt für das Recht, auf (oder unter) fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Das Recht auf den Erbbauzins ist mithin ein besonderes Wirtschaftsgut, das wie jedes andere steuerpflichtige Wirtschaftsgut zu erfassen ist. Besteht das Erbbaurecht nur noch weniger als 50 Jahre, so wird der Anteil des Erbbauberechtigten und der Anteil des Grundeigentümers am Grund und Boden nach der restlichen Dauer des Erbbaurechts mit den in § 46 Abs. 3 Nr. 1 BewDV a. F. bestimmten Vomhundertsätzen bemessen. Zwar wird dem Eigentümer des Grund und Bodens ein gewisser Hundertsatz des anteiligen Bodenwerts vom Gesamtwert zugerechnet; auf der anderen Seite vermindert sich der beim Grundstückseigentümer zu erfassende Kapitalwert des Rechts auf den Erbbauzins. Die Höhe der Verminderung des Kapitalwerts und die der Zurechnung vom Bodenwert sind zwar nicht gleich. Die dargestellte Systematik zeigt aber, daß hier keineswegs die Doppelerfasssung ein und desselben Wirtschaftsgutes vorliegt. Damit scheidet auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG aus.
Wenn ein Steuerpflichtiger nach der Bestellung eines Erbbaurechts - zumindest vor dem Wirksamwerden des § 17a BewG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BewG vom 10. August 1963 (ÄndG-BewG 1963) - ein höheres Vermögen versteuern muß als vorher, so beruht das auf der Umschichtung von Grundbesitz in den Vermögenswert "Recht auf Erbbauzins". Diese Folge tritt wegen der noch auf den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 beruhenden Einheitswerte in allen Fällen ein, in denen Grundbesitz in ein Wirtschaftsgut umgeschichtet wird, das mit seinem realen Wert zum Bewertungsstichtag zu erfassen ist.
4. Es kann auch nicht eingewandt werden, der Gesetzgeber habe gegen § 46 BewDV a. F., insbesondere gegen dessen Abs. 4, selbst so erhebliche rechtliche Bedenken gehabt, daß er sich genötigt gesehen habe, durch § 17a BewG in der Fassung des ÄndG-BewG 1963 Abhilfe zu schaffen. Die Bedenken des Gesetzgebers bestanden nämlich nicht auf rechtlichem, sondern ausschließlich auf tatsächlichem Gebiet. Durch die im Verhältnis zum Grundeigentum hohe steuerliche Belastung des Erbbauzinses waren Grundstückseigentümer in zunehmendem Maße nicht mehr bereit, Erbbaurechte zu bestellen oder sie versuchten, die zusätzliche Vermögensteuerbelastung auf den Erbbauzins umzulegen. Da jedoch preisgünstige Grundstücke für den Wohnungsbau gewonnen werden sollten, entschloß sich der Gesetzgeber, aus wohnungspolitischen Gründen § 17a BewG einzufügen (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Bundestags, Bundestagsdruckache IV/1365). § 17a BewG übernimmt die niedrigen Wertverhältnise (1. Januar 1935) der Einheitswerte der Grundstücke auf die Berechnung des Kapitalwertes der Erbbauzinsen. § 17a BewG ist jedoch erstmalig zum 1. Januar 1963 anzuwenden (Art. 7 Satz 2 ÄndG-BewG 1963). Eine Begrenzung des kapitalisierten Werts des Erbbauzinses durch die Rechtsprechung bereits auf frühere Stichtage ist nicht möglich.
Fundstellen
Haufe-Index 412898 |
BStBl II 1968, 334 |
BFHE 1968, 264 |