Leitsatz (amtlich)
1. Die Bindung des FG bei aufhebenden Urteilen erstreckt sich nicht nur auf die der Aufhebung zugrunde liegenden, sondern auch auf die anläßlich der Zurückverweisung vom BFH vertretene rechtliche Beurteilung.
2. Legt das FA dem Steuerbescheid die in einer Steuererklärung als steuerfrei bezeichneten Umsätze von erheblicher Höhe ungeprüft zugrunde, so muß es den mit diesen Umsätzen zusammenhängenden Sachverhalt als bekannt gegen sich gelten lassen.
Normenkette
FGO § 126 Abs. 5; AO § 222 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige), die in der Umsatzsteuererklärung 1953 die Lieferung von angekauftem Mehl im Großhandel und die Lieferung von Mischfuttermitteln, die aus bezogenen Rohstoffen und Nachprodukten (Kleie) ihres Mühlenbetriebes hergestellt worden waren, als steuerfrei nach § 4 Nr. 4 UStG in Verbindung mit § 29 UStDB 1951 behandelt hatte, wurde vom Beklagten und Revisionskläger (FA) dementsprechend veranlagt.
Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1958 vertrat der Prüfer die Auffassung, daß es bezüglich des Mehls am Buchnachweis fehle und die Lieferung von Mischfuttermitteln wegen des Zumischens selbst hergestellter Produkte nicht steuerfrei sei.
Das FA berichtigte gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO den Umsatzsteuerbescheid 1953 und forderte mit Bescheid vom 23. Februar 1959 für beide Arten der Lieferungen Umsatzsteuer nach.
Im ersten Rechtsgang wurde die damalige Vorentscheidung, die die Rechtmäßigkeit der allein noch streitigen Nachforderung für die Mischfuttermittelumsätze bestätigt hatte, durch den Senat aufgehoben. In der Begründung wurde folgendes ausgeführt: Die Steuerpflichtige habe immer wieder vorgebracht, daß die steuerliche Behandlung der Mischfuttermittellieferungen in mehreren Besprechungen mit dem FA erörtert worden sei und das FA sich der Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen von der Steuerfreiheit der Mischfuttermittellieferungen angeschlossen habe. Das FG habe diese Behauptungen nicht berücksichtigt. Darin liege ein Rechtsfehler. Wenn dieses Vorbringen nämlich zuträfe, läge ein Ausnahmefall vor, der eine Wiederaufrollung des ganzen Falles nach Treu und Glauben verbiete.
Dem FG wurde aufgegeben, zunächst zu prüfen, ob die Veranlagung der nicht streitigen Mehllieferungen auf Grund einer neuen Tatsache berichtigt werden könne, nachdem die steuerliche Auswirkung der Berichtigung nach dem Vortrag beider Beteiligten durch einen Billigkeitserlaß wieder beseitigt worden sei. Erforderlichenfalls sollte ferner festgestellt werden, ob das Vorbringen der Steuerpflichtigen zutreffend ist, daß anläßlich von Besprechungen in den Jahren 1953 und 1954 über die steuerliche Behandlung der Mischfuttermittellieferungen gesprochen worden und das FA der Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen von der Steuerfreiheit der Mischfuttermittellieferungen gefolgt sei.
Das FG hat festgestellt, daß die Nachforderung der Steuern, für die der Buchnachweis fehlte, entsprechend einer Verfügung der OFD N vom 16. Dezember 1957 aus Billigkeitsgründen am 25. Januar 1961 erlassen worden ist. Das FG hat ferner festgestellt, daß die Finanzverwaltung auf Grund von Besprechungen in den Jahren 1953 und 1954 zwischen der Steuerpflichtigen und dem FA X an der im Betriebsprüfungsbericht geäußerten Auffassung über die Steuerpflicht der Mischfuttermittellieferungen für 1952 nicht mehr festgehalten habe. Ein Vorbehalt wegen der Jahre nach 1952 sei nicht gemacht worden. Dadurch sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, der die Steuerpflichtige vor Nachforderungen für 1953, die auf einer geänderten Rechtsauffassung beruhen, schütze.
Schließlich sei dem FA bei der Veranlagung 1953 die steuerlich schädliche Verwendung von selbsthergestellter Kleie bekannt gewesen. Es müsse dies wenigstens als bekannt gegen sich gelten lassen.
Das FG hat deshalb im zweiten Rechtsgang den Umsatzsteuerbescheid vom 23. Februar 1959 und die Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 1961 aufgehoben.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben. Zur Begründung trägt es vor:
a) Das FG sei nicht an die Rechtsauffassung des BFH gebunden gewesen, daß das Fehlen des Buchnachweises dann nicht als neue Tatsache von einigem Gewicht anzusehen sei, wenn die durch das Fehlen des Buchnachweises veranlaßte Nachforderung aus Billigkeitsgründen erlassen worden sei. Eine Bindung des FG an diese Rechtsauffassung habe deshalb nicht bestanden, weil diese Auffassung für die Aufhebung des Urteils nicht maßgebend gewesen sei, es sich vielmehr um bloße allgemeine Bemerkungen oder Anregungen für die weitere Sachbehandlung gehandelt habe.
b) Selbst wenn man insoweit eine Bindung bejahen wollte, sei der BFH bei seiner Rechtsauffassung offensichtlich davon ausgegangen, daß der Billigkeitserlaß zeitlich vor der Durchführung der Berichtigungsveranlagung gelegen habe. Der Billigkeitserlaß sei aber tatsächlich erst zeitlich nach der Berichtigungsveranlagung - nämlich am 25. Januar 1961 - gewährt worden. Das FG sei deshalb infolge Änderung des Sachverhalts berechtigt gewesen, selbständig zu entscheiden, ob die Berichtigung gegen Treu und Glauben verstoße.
c) Die Feststellung des FG, daß die Veranlagungsbeamten bei der Veranlagung 1953 die Tatsache des Zumischens von selbsthergestellter Kleie gekannt hätten oder hätten kennen müssen, verstoße gegen den Akteninhalt. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht könne dem FA nicht vorgeworfen werden, weil die Steuerpflichtige selbst ihrer Mitwirkungspflicht dadurch nicht nachgekommen sei, daß sie trotz Kenntnis der Auffassung des Betriebsprüfers anläßlich der Betriebsprüfung 1952 die Mischfuttermittellieferungen in der Steuererklärung 1953 weiterhin als steuerfrei behandelt habe.
d) Es liege ein Verstoß gegen Denkgesetze und Auslegungsgrundsätze vor, wenn das FG auf Grund der Würdigung der Zeugenaussagen und des Aktenvermerks der Steuerpflichtigen über die Verhandlung vom 6. April 1954, die ausschließlich der Erledigung des Einspruchs gegen die Umsatzsteuerveranlagung 1952 gedient habe, feststelle, daß die bloße Aufgabe der bisher im Betriebsprüfungsbericht vertretenen umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Mischfuttermittellieferungen durch das FAX auch für die Zukunft und damit für das Streitjahr 1953 verbindlich sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Zu Unrecht verneint das FA eine Bindung des FG an die rechtliche Beurteilung des BFH, weil die fragliche Rechtsauffassung des BFH für die Aufhebung des Urteils nicht maßgebend gewesen sei. Nach § 126 Abs. 5 FGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH zugrunde zu legen. Wie sich aus der Begründung zu den Entwürfen der FGO ergibt, entspricht diese Regelung der bisherigen (vgl. Begründung FGO-Entwurf zu §§ 111-117 Bundestagsdrucksache IV/1446, zu FGO-Entwurf §§ 101-106 Bundestagsdrucksache III/127 und II/1716). In § 296 Abs. 4 AO a. F. war für den Fall der Aufhebung und Zurückverweisung vorgeschrieben, daß das FG und FA an die rechtliche Beurteilung gebunden sind, "die der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung zugrunde liegt". Nach dem Willen des Gesetzgebers soll demnach der veränderte Wortlaut des § 126 Abs. 5 FGO inhaltlich nichts anderes zum Ausdruck bringen als der frühere § 296 Abs. 4 AO a. F.
Der Wortlaut des § 126 Abs. 5 FGO weicht ersichtlich von dem des § 565 Abs. 2 ZPO ab. Nach dieser Vorschrift hat die Vorinstanz die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, "die der Aufhebung zugrunde gelegt ist", auch ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.
Für den Steuerprozeß ergibt sich demnach aus § 126 Abs. 5 FGO eine umfassendere Bindung als aus § 565 Abs. 2 ZPO, weil die Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO sich nicht nur auf die der Aufhebung, sondern auch auf die der Zurückverweisung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung erstreckt. Das bedeutet, daß jede abschließende rechtliche Beurteilung, die der BFH bei der Aufhebung und (oder) Zurückverweisung getroffen hat, auch für den zweiten Rechtsgang bindend ist, ohne daß es darauf ankommt, inwieweit diese rechtliche Beurteilung zur Aufhebung und (oder) zur Zurückverweisung geführt hat (vgl. auch Grimm, Bundesfinanzhof und Finanzgerichte in "50 Jahre deutsche Finanzgerichtsbarkeit", Festschrift für den BFH, Stollfuß 1968 S. 126, 138, und Becker, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 275 Anm. 6 hinsichtlich des § 296 AO a. F.). Ob der Wortlaut des § 126 Abs. 5 FGO darüber hinaus noch eine weitere Bindung an die rechtliche Beurteilung des BFH zuläßt, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden.
In dem Rechtssatz des Urteils I R 70/67 vom 21. Februar 1968 (BFH 91, 222, BStBl II 1968, 279) ist allerdings ausgesprochen, daß das FG bei der Entscheidung über die zurückverwiesene Sache an die rechtliche Beurteilung des BFH gebunden ist, die der Aufhebung der Vorentscheidung zugrunde liegt. Gleichwohl besteht keine Abweichung von diesem Urteil, die die Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 3 FGO erfordert. Denn die hier zu entscheidende Rechtsfrage und die im angeführten Urteil entschiedene Rechtsfrage sind nicht identisch. Im Streitfall dreht es sich darum, ob das FG an die anläßlich der Zurückverweisung vertretene Rechtsauffassung des Senats gebunden ist. In dem angeführten Urteil ist diese Frage nicht streitig gewesen.
Der Rechtssatz des Urteils IV 190/62 vom 3. August 1966 (BFH 86, 807, BStBl III 1966, 679) lautet dahin, daß das FG den Prozeßstoff insoweit neu zu würdigen hat, als es sich um rechtliche Gesichtspunkte handelt, die nicht der Aufhebung seiner Entscheidung durch den BFH zugrunde lagen. Aus den Gründen dieser Entscheidung ergibt sich, daß eine Bindung auch bejaht wird hinsichtlich der rechtlichen Gesichtspunkte, deren Überprüfung anläßlich der Zurückverweisung dem FG aufgegeben wird. Im Ergebnis besteht mit dieser Entscheidung Übereinstimmung. Der IV. Senat stützt sein Ergebnis allerdings ausdrücklich nicht auf § 126 Abs. 5 FGO, sondern auf die allgemeinen Verfahrensvorschriften (§§ 76 Abs. 1, 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Insoweit vertritt der erkennende Senat allerdings eine andere Auffassung. Es besteht demnach lediglich eine Abweichung in der rechtlichen Begründung. Bei einer solchen Abweichung besteht aber keine Pflicht, den Großen Senat anzurufen (vgl. Urteil des RFH IV e A 125/24 vom 26. November 1924, Sammlung der Entscheidungen des RFH Bd. 15 S. 83, 87).
Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß das FG auch an die Rechtsauffassung gebunden war, die der Senat anläßlich des noch zu überprüfenden Sachverhalts vertreten hat. Die Berufung des FA auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die Bindungswirkung aufhebender Urteile geht im Hinblick auf den gegenüber § 126 Abs. 5 FGO anderslautenden Wortlaut des § 565 Abs. 2 ZPO fehl.
2. Zutreffend hat das FG unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen des Senats, daß das Fehlen des Buchnachweises für die Mehllieferungen dann nicht als Tatsache von einigem Gewicht angesehen werden könne, wenn die steuerliche Wirkung der neuen Tatsache durch einen Billigkeitserlaß beseitigt worden sei, das Vorliegen einer neuen Tatsache als Voraussetzung für die Wiederaufrollung verneint. Die Ausführungen des FG, die sich gegen diese Auffassung richten, greifen nicht durch. Aus dem in der Revision des ersten Rechtsganges vom FA eingereichten Schriftsatz vom 10. Januar 1964 war ersichtlich, daß der Billigkeitserlaß erst ausgesprochen worden war, nachdem die Steuerpflichtige ihren Einspruch bezüglich der zugekauften Fremdmehle durch Schreiben vom 16. Januar 1961 zurückgenommen hatte. Demnach ist der Senat davon ausgegangen, daß der Billigkeitserlaß erst nach dem 16. Januar 1961 gewährt worden ist.
Da das FG festgestellt hat, daß der Grund für den Billigkeitserlaß der fehlende Buchnachweis gewesen ist, die neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO und der Billigkeitserlaß eine gemeinsame tatsächliche Grundlage haben, fehlt es an der Gewichtigkeit der neuen Tatsache und damit an einem Wiederaufrollungsgrund.
3. Das FG hat auch geprüft, ob die Umsatzsteuerveranlagung 1953 wegen der Futtermittellieferungen aus dem Grund berichtigt werden kann, weil dem FA bei der Veranlagung die Tatsachen der Zumischung selbst hergestellter Kleie usw. zu den erworbenen Futtermitteln nicht bekannt gewesen ist und es sich insoweit um eine neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt. Das FG hat die Kenntnis des FA auf Grund folgender Feststellungen bejaht: Den Beamten, die die Umsatzsteuerveranlagung 1953 vornahmen, lag der Betriebsprüfungsbericht für die Zeit bis einschließlich 1952 vor, in dem die Herstellung des von der Klägerin gelieferten Mischfuttermittels beschrieben war.
Das FA sieht in diesen Feststellungen einen Widerspruch zu dem Akteninhalt. Auf der Umsatzsteuererklärung 1953 sei nämlich von dem Sachbearbeiter ein Vermerk angebracht worden, daß der Umsatz nicht überprüft werden könne, da sich lediglich die Umsatzsteuerakte beim FA X befunden habe. Tatsächlich seien die Betriebsprüfungsakten am 8. Dezember 1955 wegen Eintritts der umsatzsteuerlichen Organschaft mit der Firma ... AG an das FA Y, dem Revisionskläger, überwiesen worden. Die Veranlagungsbeamten hätten auch zwischen der Veranlagung 1952 und der hier streitigen Veranlagung 1953 gewechselt, so daß die Veranlagungsbeamten für das Jahr 1953 keine Kenntnis von den zur Veranlagung 1952 geführten Besprechungen hatten, da in den Akten darüber nichts festgehalten sei.
Dieser Einwand ist jedenfalls insoweit beachtlich, als die Unkenntnis der zuständigen Veranlagungsbeamten mit dem Fehlen des Betriebsprüfungsberichts 1952 begründet wird. Fehlte der Betriebsprüfungsbericht, hatten die für die Veranlagung 1953 zuständigen Beamten tatsächlich keine Kenntnis von dem im Betriebsprüfungsbericht 1952 festgestellten steuerschädlichen Vorgang.
Die auf dem Fehlen des Betriebsprüfungsberichts 1952 beruhende Unkenntnis des steuerlich schädlichen Vorgangs steht aber, wie das FG zutreffend angenommen hat, einer Berichtigung gleichwohl entgegen, weil das FA als bekannt gegen sich gelten lassen muß, was es bei gehöriger Erfüllung der Ermittlungspflicht hätte aufdekken müssen. Das FG hat hierzu ausgeführt, daß auch die Feststellungen des Betriebsprüfers für die Jahre bis 1952 hätten berücksichtigt werden müssen, da erfahrungsgemäß die Sachverhalte der einzelnen Wirtschaftsjahre ineinander übergingen. Dieser Auffassung hält das FA entgegen, daß das FG die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des FA überspanne. Es seien aus den Akten keine Unklarheiten ersichtlich gewesen, die Anlaß zu weiteren Ermittlungen hätten geben können. Es kann auf sich beruhen, ob die Veranlagungsbeamten des FA X verpflichtet gewesen wären, die Betriebsprüfungsakte 1952 beizuziehen. Denn das FA trägt auch vor, daß nach einem Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters auf der Umsatzsteuererklärung 1953 der Umsatz nicht überprüft worden sei, weil lediglich die Umsatzsteuerakten sich beim FA X befanden. Daraus ergibt sich aber, daß das FA die Umsatzsteuer 1953 ohne die gebotene Nachprüfung festgesetzt hat, offenbar, wie es selbst vorträgt, im Hinblick darauf, daß eine für 1953 vorgesehene Betriebsprüfung die erforderliche Nachprüfung vornehmen werde. Das FA durfte aber ohne Prüfung der Steuererklärung die Steuer nicht festsetzen (vgl. § 205 Abs. 1 AO). Wenn eine Prüfung nicht möglich war, hätte die Steuer nach dem im Zeitpunkt der Veranlagung schon geltenden § 100 Abs. 2 AO vorläufig festgesetzt werden müssen. Ein solches Verfahren wäre jedenfalls im Hinblick auf die Höhe des erklärten Umsatzes (ca. ... Mill. DM) und die Höhe der Umsatzsteuerbefreiung (über ... Mill. DM) allein zweckmäßig gewesen. Die Steuer ausschließlich auf Grund der Angaben eines Steuerpflichtigen in der Steuererklärung ohne Prüfung endgültig festzusetzen, die Prüfung der Angaben des Steuerpflichtigen einer Betriebsprüfung vorzubehalten und die infolge unterlassener Nachprüfung fehlerhafte Festsetzung durch eine etwaige Berichtigung zu korrigieren, entspricht nicht den derzeit noch geltenden Verfahrensvorschriften. Das FA kann sich insoweit nicht auf das Urteil des BFH IV 226/58 S vom 28. Januar 1960 (BFH 71, 111, BStBl III 1960, 291) berufen. Denn in dieser Entscheidung ging es darum, ob das FA wegen der aus der Steuererklärung und den Unterlagen über die Gewinnermittlung nicht ersichtlichen Honorarforderungen eines Freiberuflers Rückfragen zu halten hatte. In dem Urteil ist festgestellt, daß das FA wegen nicht ausgewiesener Bilanzposten keine Ermittlungen anzustellen braucht. Im Streitfall geht es aber darum, daß die erklärten Umsätze nicht überprüft worden sind. Das Urteil des BFH V 94/61 U vom 16. Januar 1964 (BFH 78, 389, BStBl III 1964, 149) auf das sich das FA gleichfalls beruft, betrifft einen anderen Sachverhalt.
Der Einwand des FA schließlich, daß es nur dann einen Sachverhalt wegen unterlassener Ermittlung als bekannt gegen sich gelten lassen müsse, wenn der Steuerpflichtige seinerseits der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht in vollem Umfange nachgekommen ist, greift im Streitfalle nicht durch. Es ist zwar richtig, daß die Steuerpflichtige in der Umsatzsteuererklärung 1953 die Mischfuttermittellieferungen als steuerfreie Umsätze angegeben hat. Dies kann der Steuerpflichtigen aber aus dem Grunde nicht als mangelnde Mitwirkung angelastet werden, weil in dem ihr vor Einreichung der Umsatzsteuererklärung 1953 (31. Mai 1954) zugegangenen Umsatzsteuerbescheid 1952 (1. September 1953, berichtigt durch Bescheid vom 26. April 1954) trotz gegenteiliger Auffassung des Betriebsprüfers die Mischfuttermittellieferungen als steuerfrei behandelt worden waren. Das FG hat festgestellt, daß dies nicht nur versehentlich geschehen ist.
4. Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß weder eine neue Tatsache im Sinne der Rechtsauffassung des im ersten Rechtsgang ergangenen Urteils des Senats V 258/63 vom 18. August 1966 hinsichtlich der Mehllieferungen noch eine neue Tatsache hinsichtlich der Mischfuttermittellieferungen vorgelegen hat. Es konnte deshalb mangels einer neuen Tatsache nicht unmittelbar berichtigt werden, noch hätte bei Vorliegen einer solchen durch Wiederaufrollung berichtigt werden können.
Unter diesen Umständen braucht nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob die Berichtigung auch nach Treu und Glauben unzulässig war, was vom FG angenommen, vom FA jedoch verneint wird.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1969, 447 |
BFHE 1969, 372 |