Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergebliche Aufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar - Zeitpunkt der Berücksichtigung von Werbungskosten beim Spekulationsgeschäft - Zeitpunkt der Versteuerung des Spekulationsgewinns
Leitsatz (amtlich)
1. Aufwendungen für die Finanzierung eines Grundstücks, auf dem ein Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke errichtet werden soll, sind nur dann als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG abziehbar, wenn das Bauvorhaben verwirklicht wird.
2. Die durch ein Spekulationsgeschäft veranlaßten Werbungskosten sind nach § 23 Abs.4 EStG --abweichend vom Abflußprinzip des § 11 Abs.2 EStG-- in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem der Veräußerungserlös zufließt.
Orientierungssatz
1. Scheitert der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Herstellung einer zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vorgesehenen Wohnung, können die mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG steuermindernd berücksichtigt werden.
2. Ein Spekulationsgewinn ist nach § 11 Abs. 1 EStG im Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses zu versteuern (vgl. BFH-Urteil vom 2.4.1974 VIII R 76/69).
Normenkette
EStG § 10e Abs. 6, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1-2, § 23 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariellem Vertrag vom 25.August 1988 ein unbebautes Grundstück für 160 950 DM. Am 20.September 1988 schloß er mit der ...-Bauplanung-GmbH (GmbH) einen Werkvertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Einfamilienhauses zu einem Festpreis von 210 000 DM.
Das Bauvorhaben scheiterte, weil die GmbH, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet wurde, keine Bauleistungen erbrachte. Der Kläger verkaufte den Grund und Boden mit notariellem Vertrag vom 26.Mai 1989 für 185 000 DM. Im Streitjahr 1988 leistete der Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks und dem Bauvorhaben Finanzierungsaufwendungen in Höhe von 11 570,47 DM.
In der Einkommensteuererklärung für 1988 beantragte der Kläger vergeblich, diese Aufwendungen nach § 10e Abs.6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuziehen. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1988 war erfolglos. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) war der Auffassung, die Finanzierungskosten seien Werbungskosten im Zusammenhang mit Spekulationseinkünften, die sich wegen des beschränkten Verlustausgleichs nach § 23 Abs.4 Satz 3 EStG aber nicht auswirkten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die streitigen Aufwendungen seien keine Werbungskosten bei Spekulationseinkünften, weil der Kläger im Streitjahr 1988 noch nicht beabsichtigt habe, das Grundstück wieder zu verkaufen. Er habe es vielmehr erworben, um darauf ein Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke zu errichten. Diese Absicht habe er erst im Folgejahr wegen des Zusammenbruchs der Baufirma aufgegeben. Für den Abzug der Finanzierungskosten nach § 10e Abs.6 EStG sei es unerheblich, daß die geplante, für eigengenutzte Wohnzwecke gedachte Wohnung nicht errichtet worden sei. Denn nach § 10e Abs.6 EStG seien auch vergebliche Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehbar.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 10e Abs.6 EStG. Es trägt unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 25.Oktober 1990 (BStBl I 1990, 626, Abschn.56) vor, Aufwendungen im Zusammenhang mit einem nicht realisierten Bauvorhaben, zu dem auch die Finanzierungskosten für ein unbebautes Grundstück gehörten, stünden nicht in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Herstellung oder Anschaffung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung. Sie könnten daher nicht nach § 10e Abs.6 EStG abgezogen werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger stellte keinen Antrag.
Während des Revisionsverfahrens änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1988 und erklärte ihn hinsichtlich des Grundfreibetrags für vorläufig. Der Kläger beantragte, den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 68 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Entgegen der Auffassung des FG sind die vom Kläger geltend gemachten Finanzierungskosten nicht als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG abziehbar.
a) Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, die
- bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung im Sinne des Absatzes 1 zu eigenen Wohnzwecken entstehen,
- unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen,
- nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören und
- im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.
Durch § 10e Abs.6 EStG sollen nach der Gesetzesbegründung die bisherigen Möglichkeiten, Aufwendungen in der Bau- und Anschaffungsphase steuerlich abzusetzen, in ihren Wirkungen erhalten bleiben (BTDrucks 10/3633, S.10). Die Vorschrift soll hiernach sicherstellen, daß die in dem Bau- und Anschaffungszeitraum anfallenden Kosten, insbesondere ein Damnum und andere Geldbeschaffungskosten, die nach der Rechtslage vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen als Werbungskosten abziehbar gewesen seien, auch künftig steuermindernd abgezogen werden könnten (BTDrucks 10/3633, S.16).
Nach der Rechtslage vor 1987 konnten vor Bezug entstandene Aufwendungen --unabhängig davon, ob sie zum beabsichtigten Erfolg führten-- als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bestand (z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C III.2.a, m.w.N.). Ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang war von dem Zeitpunkt an anzunehmen, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen ließ, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hatte (BFH-Urteil vom 10.März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470, unter 2.b).
b) Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, § 10e Abs.6 EStG erfasse alle Aufwendungen, die vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen Werbungskosten gewesen seien, also auch die sog. vergeblichen Aufwendungen. Hierfür sprächen die Gesetzesbegründung und die in § 10e Abs.6 EStG geforderte Parallelwertung zwischen den bisher als Werbungskosten und nunmehr wie Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen (z.B. Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 10e Rz.148a ff.; ders., Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 3.Aufl. 1989, S.104 ff.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 10e Anm.9; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum ab 1987, 2.Aufl., Rz.226, 232).
Die Finanzverwaltung und ein anderer Teil der Literatur folgern dagegen aus dem Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs, daß § 10e Abs.6 EStG nur die mit der tatsächlich angeschafften oder hergestellten Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstige (z.B. BMF, BStBl I 1990, 626, Abschn.56; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10e EStG Rz.616; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/ Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10e EStG Rz.135; ders., Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1988, 308; Biergans, Steuervorteile durch selbstgenutztes Wohneigentum ab 1990, 2.Aufl., S.83, 84). Zum Teil wird die Nichtabziehbarkeit vergeblicher Aufwendungen auch aus der fehlenden Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hergeleitet (z.B. Meyer, Finanz-Rundschau --FR-- 1991, 33, 47).
c) Nach Auffassung des Senats bringt der Wortlaut den Sinn der Regelung klar zum Ausdruck. Danach sind vergebliche Aufwendungen nicht abziehbar.
aa) § 10e Abs.6 EStG verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens. Diese Formulierung kann bei verständiger Auslegung nur bedeuten, daß lediglich die mit der tatsächlich hergestellten oder angeschafften Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstigt sind. Dies folgt insbesondere aus der Verwendung des bestimmten Artikels ("... des Gebäudes oder der Eigentumswohnung ..."). Ferner läßt § 10e Abs.6 EStG nur Aufwendungen zum Abzug zu, "die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen". Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt aber voraus, daß zuvor eine Wohnung angeschafft oder hergestellt worden ist. Scheitert der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Herstellung der Wohnung, können daher die mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen nicht nach § 10e Abs.6 EStG steuermindernd berücksichtigt werden.
bb) Dieser Auslegung widerspricht nicht die vom Gesetz geforderte Parallelwertung der Aufwendungen mit den Werbungskosten. Vorkosten müssen zwar die Merkmale des Werbungskostenbegriffs im Falle einer Vermietung und Verpachtung erfüllen, jedoch hängt die Abziehbarkeit von den weiteren einschränkenden Voraussetzungen des § 10e Abs.6 EStG ab.
cc) Die Gesetzesbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Vielmehr deuten die Hinweise auf die eigengenutzte Wohnung, auf den Bau- und Anschaffungszeitraum sowie auf die beispielhaft aufgezählten begünstigten Kosten wie Damnum und andere Geldbeschaffungskosten darauf hin, daß ein Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Anschaffung oder Herstellung der eigengenutzten Wohnung bestehen soll.
dd) Allerdings kann die unterschiedliche steuerliche Behandlung von vergeblichen Vorkosten, je nachdem, ob sie im Hinblick auf eine beabsichtigte Eigennutzung oder eine beabsichtigte Vermietung oder Verpachtung getätigt werden, in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Dies ist aber angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift hinzunehmen.
2. Ob es sich bei den Finanzierungsaufwendungen für den Erwerb des Grund und Bodens um Werbungskosten bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften handelt (§ 9 Abs.1 i.V.m. § 22 Nr.2, § 23 EStG) --wie das FA in der Einspruchsentscheidung angenommen hat--, kann dahinstehen. Denn auch wenn diese Aufwendungen als Werbungskosten zu beurteilen wären, könnten sie nicht im Streitjahr 1988 berücksichtigt werden.
Ein Spekulationsgewinn ist nach § 11 Abs.1 EStG im Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses zu versteuern (BFH-Urteil vom 2.April 1974 VIII R 76/69, BFHE 112, 348, BStBl II 1974, 540 m.w.N.). Ermittelt wird der Gewinn aus Spekulationsgeschäften, indem der Veräußerungserlös um die Anschaffungs- oder Herstellungskosten und die Werbungskosten gekürzt wird (§ 23 Abs.4 Satz 1 EStG). Werbungskosten sind zwar nach § 11 Abs.2 Satz 1 EStG grundsätzlich für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Die Regelung in § 23 Abs.4 EStG ist jedoch eine eigenständige, das Abflußprinzip des § 11 Abs.2 EStG durchbrechende Vorschrift. Sie hat zur Folge, daß vor dem Veranlagungszeitraum der Veräußerung angefallene, mit dem Spekulationsgeschäft wirtschaftlich zusammenhängende Aufwendungen --ebenso wie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten-- erst in dem Veranlagungszeitraum abziehbar sind, in dem der Veräußerungserlös aus dem Spekulationsgeschäft zufließt (gl.A.: Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23 Rz.64; Wacker in Littmann/Bitz/ Meincke, a.a.O., § 23 Rz.64).
Dem steht das BFH-Urteil vom 13.April 1962 VI 194/61 U (BFHE 75, 102, BStBl III 1962, 306) nicht entgegen. Dort hat der VI.Senat lediglich allgemein ausgeführt, bei Einkünften, die in Form des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln seien, komme es für die Zurechnung zu einem bestimmten Veranlagungszeitraum auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zu- und Abfließens an. Entschieden hat der VI.Senat aber nur über den Zeitpunkt der Versteuerung des Spekulationsgewinns bei Zufluß des Veräußerungserlöses in Raten.
Dem Kläger ist der Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks erst im Jahre 1989 zugeflossen. Mit dem Spekulationsgeschäft zusammenhängende Werbungskosten können sich daher im Streitjahr 1988 noch nicht steuerlich auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 63671 |
BFH/NV 1991, 73 |
BStBl II 1991, 916 |
BFHE 165, 85 |
BFHE 1992, 85 |
BB 1991, 2135 |
BB 1991, 2135-2137 (LT) |
DB 1991, 2265-2267 (LT) |
DStR 1991, 1418 (KT) |
DStZ 1992, 184 (KT) |
HFR 1992, 5 (LT) |
StE 1991, 366 (K) |