Leitsatz (amtlich)
1. Zahlungen eines Steuerpflichtigen an seine minderjährigen Kinder können nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1967 als Schuldzinsen aus einer Sicherungsgrundschuld oder einer isolierten Grundschuld vom Einkommen abgesogen werden, wenn die Kinder über einen längeren Zeitraum die Grundschuld nicht kundigen und auch nach Ihrer Volljährigkeit nicht allein über die Zinsen verfügen dürfen.
2. Schenken Eltern Ihren minderjährigen Kindern einen Geldbetrag unter der Bedingung, das Geld Ihnen sofort wieder als Darlehen zur Verfügung zu stellen, so bedarf ein solches Vereinbarungsdarlehen mindestens der Schriftform.
Normenkette
EStG 1967 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2; BGB §§ 1191, 1909
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist verheiratet und hat zwei Söhne, A, geboren im Mai 1949, und B, geboren im Mai 1953. Seine Frau und er sind Eigentümer eines Mietwohngrundstückes. Der Kläger schenkte im Jahr 1967 seiner Ehefrau eine Grundschuld von 20 000 DM und seinen beiden Söhnen je eine Grundschuld von 15 000 DM. Die mit 6 % jährlich verzinslichen Briefgrundschulden wurden auf den Anteil des Klägers am Grundstück eingetragen. Die Grundschulden sind mit einer Frist von sechs Monaten kündbar, allerdings die Grundschuld des Sohnes B frühestens zum 31. Mai 1978 und die des Sohnes A frühestens zum 31. Mai 1974.
Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für 1968 Schuldzinsen von zusammen 2 025 DM für die beiden Grundschulden seiner Söhne als Sonderausgaben geltend. Er gab an, er habe die Zinsen am 16. Dezember 1968 auf zwei Festgeldsparkonten seiner Söhne angelegt, über die außer seinen Söhnen nur seine Ehefrau bzw. bis zur Volljährigkeit der Söhne sie allein verfügungsberechtigt sei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) ließ bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 die Schuldzinsen von 2 025 DM nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die Schenkungen der Grundschulden an die Söhne seien weder als Scheingeschäfte im Sinne des § 5 StAnpG noch als Steuerumgehung unter Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 StAnpG anzusehen. Eine Schenkung könne darin bestehen, daß der Schenker eine Forderung des Beschenkten gegen sich selbst begründe. Sie könne ein wirksamer Rechtsgrund für eine Grundschuldbestellung sein. Zivilrechtlich zulässige Schenkungen seien auch steuerlich anzuerkennen, wenn nicht besondere Umstände, wie mangelnde Verfügungsmacht, ungewöhnlich hohe Verzinsung usw. die Annahme rechtfertigten, es handle sich bei dem Rechtsgeschäft nach seinem wirtschaftlichen Inhalt um gesetzliche Unterhaltszahlungen oder um sonstige laufende Zuwendungen. Nach dem Gesamtbild der Umstände müsse die Schenkung ernsthaft gewollt sein. Das sei im Streitfall zu bejahen. Die Kündigung der Grundschulden sei zwar auf die Dauer von 6½ bzw 10½ Jahren ausgeschlossen, und zwar bis zum jeweiligen 25. Geburtstag der Söhne. Das könne ein Indiz dafür sein, daß der Kläger seinen Söhnen zunächst jährlich 900 DM und zu ihrem 25. Geburtstag nochmals 15 000 DM habe zuwenden wollen. Dem stehe aber der Wille der Vertragsparteien entgegen, den Söhnen sofort einen verzinslichen Anspruch und ein Grundpfandrecht an dem ideellen Miteigentumsanteil des Klägers an seinem Haus einzuräumen. Durch die dinglichen Wirkungen der Grundschuldbestellungen habe sich das Vermögen des Klägers entsprechend verringert. Der Ausschluß der Kündigung über 6½ bzw. 10½ Jahre sei bei Grundschulden nicht so ungewöhnlich, daß das Rechtsgeschäft in seinem wesentlichen Kern verändert würde. Daß neben den bürgerlich-rechtlichen Wirkungen auch steuerliche Vorteile gewollt gewesen seien, spreche nicht gegen, sondern für die Ernsthaftigkeit der Grundschuldschenkungen. Die Zinsleistungen seien nicht anstelle von Unterhalt gezahlt worden. Da sie auf einem besonderen Schuldverhältnis und nicht auf einer gesetzlichen Unterhaltspflicht beruhten, Sielen sie nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG. Der Kläger habe zwar in den Verträgen mit seinen Söhnen keine ausdrückliche Darlehnsvereinbarungen getroffen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger und seine Söhne neben den Schenkungsverträgen noch Darlehen gemäß § 607 Abs. 2 BGB oder die unmittelbare Verzinsung der Grundschulden gewollt hätten. Hierauf komme es nicht entscheidend an. Denn Schuldzinsen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG seien stets ein Entgelt dafür, daß die Beschenkten dem Kläger die Kapitalnutzung beließen.
Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 12 Nr. 2 EStG. Es meint, das FG hätte die Frage nicht offenzulassen brauchen, ob der Kläger mit seinen Söhnen Darlehnsverträge abgeschlossen habe; denn der Kläger habe das im finanzgerichtlichen Verfahren unbestritten vorgetragen. Ob Darlehnsverträge vorgelegen hätten oder nicht, sei letztlich jedoch nicht entscheidungserheblich; die Zahlungen des Klägers seien nämlich auf jeden Fall keine Schuldzinsen und damit keine Sonderausgaben.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Die vom Kläger geltend gemachten Zinsen sind schon deshalb nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abzugsfähig, weil die ihnen zugrunde liegenden Vereinbarungen nicht ernsthaft gewollt waren.
Vereinbarungen unter nahen Angehörigen können nach ständiger Rechtsprechung steuerlich nur anerkannt werden, wenn sie ernsthaft begründet und durchgeführt worden sind. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat daher im Urteil vom 2. Februar 1960 I 132/59 U (BFHE 70, 285, BStBl III 1960, 106) den Abzug von Sonderausgaben insbesondere dann abgelehnt, wenn ein Vater seiner Tochter unentgeltlich einen Geldanspruch gegen sich selbst gewährt und die Umstände des Falles, insbesondere die mangelnde Verfügungsmacht der Tochter über den Anspruch, den Schluß rechtfertigen, daß die vom Vater als „Zinsen” bezeichneten laufenden Zahlungen steuerlich weder Betriebsausgaben noch Sonderausgaben, sondern auf privaten Erwägungen beruhende, einkommensteuerlich unerhebliche laufende Zuwendungen sind. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 22. November 1963 VI 178/62 U (BFHE 78, 184, BStBl III 1964, 74) die Ernsthaftigkeit einer Vereinbarung ebenfalls verneint, durch die Großeltern privatschriftlich ihrem Enkel und Alleinerben einen großen Betrag „geschenkt” hatten, der gleichzeitig vom Enkel den Großeltern als „Darlehen” wieder bereitgestellt wurde, das bis zum Tod der Großeltern unkündbar und auch nicht gesichert war. Die für das sogenannte „Darlehen” gezahlten „Zinsen” hat der Senat deshalb nicht als Sonderausgaben der Großeltern zum Abzug zugelassen. Er hat hervorgehoben, bei der Beurteilung von Sachverhalten nach § 1 Abs. 3 StAnpG seien stets der Zweck und seine wirtschaftliche Bedeutung mit zu berücksichtigen. Gerade im Verhältnis zwischen nahen Angehörigen fallen wirtschaftlicher Gehalt und bürgerlich-rechtliche Form oft auseinander. Als ernsthaft sind daher Verträge unter nahen Angehörigen nur anzusehen, wenn sie so begründet und abgewickelt werden, wie es in dieser Form auch zwischen Fremden ohne Hineinspielen von verwandtschaftlichen Beziehungen geschehen würde.
Im Streitfall ist die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinen beiden Söhnen zu verneinen, weil die Grundschulden, mögen ihnen Darlehen zugrunde liegen oder nicht, erst nach langer Zeit gekündigt werden können (und zwar vom Sohn A frühestens nach 6½ Jahren zum 31. Mai 1974 und vom Sohn B erst frühestens nach 10½ Jahren zum 31. Mai 1978), die Kinder bis zur Volljährigkeit über die Zinsen überhaupt nicht verfügen können und die Vollmacht der Ehefrau des Klägers über die Zins-Konten der Kinder auch nach diesem Zeitpunkt nicht endet. Die Ehefrau des Klägers könnte also auch nach Eintritt der Volljährigkeit gegen den Willen ihrer Kinder jederzeit Beträge von diesen Konten abheben. Verträge wie zwischen dem Kläger und seinen Söhnen wären unter Fremden nicht geschlossen worden. Die Grundschulden zugunsten der Söhne wurden offensichtlich nur zu dem Zweck ins Grundbuch eingetragen, um dem Kläger für Zuwendungen an seine Kinder den Abzug als Sonderausgaben zu ermöglichen. Die als „Zinsen” bezeichneten Zuwendungen des Klägers an seine Söhne können daher mangels Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Einkommen des Klägers abgezogen werden.
2. Die geltend gemachten Zinsen von 2 025 DM wären aber auch dann nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn man die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinen Kindern als ernsthaft geschlossen ansehen würde.
a) Das FG hat den Abzug der vom Kläger geltend gemachten Sonderausgaben zu Recht nicht unter dem Gesichtspunkt einer Darlehnsgewährung bejaht. Wie der Senat in einem ähnlich gelagerten Fall im Urteil vom 6. Juli 1973 VI R 379/70 (BFHE 110, 336, BStBl II 1973, 868) ausgeführt hat, setzt der Abzug von Schuldzinsen als Sonderausgaben eine darlehnsweise Überlassung von Kapital voraus. Solange also der Kapitalbetrag einem Kind nicht zugeflossen ist, kann es diesen Betrag dem Vater nicht nach § 607 Abs. 1 BGB darlehnsweise zur Nutzung übertragen. Der Kläger hat im Streitfall seinen zwei Söhnen unstreitig je 15 000 DM, die er ihnen geschenkt haben will, nicht ausgezahlt. Die Söhne konnten daher dem Vater diese Beträge nicht darlehnsweise zur Verfügung stellen. Die Annahme von Darlehen im Sinne des § 607 Abs. 1 BGB scheidet daher aus.
Nach dem bereits angeführten Urteil des Senats VI R 379/70 können allerdings Gläubiger und Schuldner gemäß § 607 Abs. 2 BGB miteinander vereinbaren, daß ein aus einem anderen Grund geschuldeter Geldbetrag als Darlehen geschuldet werden soll (Vereinbarungsdarlehen). Auch eine gleichzeitig begründete Forderung kann grundsätzlich auf diese Weise in ein Darlehen nach § 607 Abs. 2 BGB umgewandelt werden (vgl. auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 33. Aufl., § 607 Anm. 2). Ein Vereinbarungsdarlehen kann insbesondere auch vorliegen, wenn ein Darlehen schenkweise anerkannt wird, obwohl es nicht gegeben wurde; dann ist jedoch eine schriftliche Vereinbarung unbedingt erforderlich (vgl. Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Aufl., § 607 Anm. 16). Steuerlich kann ein Vereinbarungsdarlehen zwischen Eltern und Kindern nach dem Urteil des Senats VI R 379/70 ohnehin nur anerkannt werden, wenn eine eindeutige und klare vertragliche Regelung vorliegt.
Ein steuerlich zu beachtendes Vereinbarungsdarlehen zwischen dem Kläger und seinen zwei Söhnen liegt nicht vor. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen hat der Kläger mit seinen Söhnen „keine ausdrückliche Darlehnsvereinbarung” getroffen. Der Senat ist an diese Feststellung gebunden, da gegen sie keine begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
b) Im übrigen ist es zweifelhaft, ob Schenkungen eines Geldbetrags von Eltern an minderjährige Kinder unter der Bedingung, das Geld den Eltern sofort wieder als Darlehen zu belassen, nicht Schenkungen unter einer Auflage darstellen. Schenkungen unter Auflage sind schon zivilrechtlich nur wirksam, wenn hierfür vom Vormundschaftsgericht ein Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB bestellt worden ist, denn Schenkungen an Minderjährige unter Auflagen bedürfen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, da die Minderjährigen hierdurch nicht ausschließlich einen rechtlichen Vorteil erlangen (vgl. § 107 BGB sowie Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 10. November 1954 II ZR 165/53, BGHZ 15, 168 [171]). Insichgeschäfte des Vertreters mit dem Vertretenen, die letzterem nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, unterliegen generell dem Verbot des § 181 BGB (vgl. auch BGH-Urteil vom 27. September 1972 IV ZR 225/69, Der Betrieb 1972 S. 2159). Es spricht vieles dafür, daß diese Grundsätze auch dann anzuwenden sind, wenn Eltern ihren minderjährigen Kindern Geld schenken unter der Bedingung, daß die Eltern das Geld als Darlehen der Kinder behalten. Es sei in diesem Zusammenhang verwiesen auf die Ausführungen von Staudinger (Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., § 107 Anm. 7 Abs. 9), der die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB fordert, wenn Eltern ihrer minderjährigen Tochter Möbel schenken, die sie gleichzeitig wieder an die Eltern zurückgeben muß.
3. Das FG hat dem Umstand entscheidende Bedeutung beigemessen, daß der Kläger seinen beiden Söhnen je eine Grundschuld geschenkt hat und hierüber je einen Grundschuldbrief hat ausstellen lassen. Je nach dem der Grundschuldbestellung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft können die wegen der Grundschuld zu erbringenden Geldleistungen (§ 1191 BGB) der Befriedigung einer Forderung, z. B. einer Darlehnsforderung, dienen („Sicherungsgrundschuld”); sie brauchen es aber nicht („isolierte Grundschuld”) – vgl. Palandt, a. a. O., § 1191 Anm. 1 –. Das Grundgeschäft für eine Grundschuldbestellung kann auch in einer Schenkung bestehen (vgl. Palandt, a.a.O., § 1191 Anm. 2 a).
Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob man bei dem Sachvortrag des Klägers von geschenkten Grundschulden ausgehen kann. Denn dies könnte ebenfalls nicht zu dem vom Kläger begehrten Abzug der Zinsen von 2 025 DM führen, weil das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG dem entgegenstehen würde. Es wird insoweit verwiesen auf das Urteil des Senats vom 18. Oktober 1974 VI R 175/72 (BFHE 114, 205).
Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG von unzutreffenden Erwägungen ausgegangen ist. Da das FA die streitigen Zinsen von 2 025 DM zu Recht nicht als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen hat, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514847 |
BFHE 1975, 208 |