Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft: Grundstücke im Vermögen der Gesellschaft
Leitsatz (NV)
- Zum Vermögen einer Gesellschaft gehört ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 nicht erst dann, wenn die Gesellschaft zivilrechtlich Eigentum an dem Grundstück erworben hat, sondern wenn das Grundstück der Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzuordnen ist. Dies ist der Fall, sobald hinsichtlich des Grundstücks ein Tatbestand verwirklicht worden ist, der einen Erwerbsvorgang der Gesellschaft i.S. des § 1 GrEStG 1983 darstellt.
- Verpflichtet sich die Gesellschafterin einer KG in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin zur Einbringung eines in ihrem Eigentum stehenden Grundstücks in die KG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und tritt sie in derselben notariellen Urkunde diese ihre Gesellschafterstellung gegen eine Entschädigung ab, deren Höhe den von ihr übertragenen Grundbesitz bereits berücksichtigt, so ist dies dahingehend auszulegen, dass die KG den Anspruch auf Eigentumsverschaffung an dem Grundstück vor dem Zeitpunkt der Anteilsübertragung erworben hat.
- Die Tatsache, dass in einem derartigen Fall die Grunderwerbsteuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 für den Erwerb der KG infolge des Ausscheidens der Gesellschafterin aus der KG nicht zu gewähren ist, schließt die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 für den Erwerb der Gesellschaftsanteile durch den neuen Gesellschafter nicht aus.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 3, § 5 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 724) |
Tatbestand
I. An der X-KG waren die Y-GmbH als alleinige Komplementärin und Frau A als alleinige Kommanditistin beteiligt. Frau A war auch alleinige Gesellschafterin der GmbH. Die KG übte ihre Tätigkeit auf einem Frau A als Eigentümerin gehörenden Grundstück aus.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Januar 1996 übertrug Frau A das Eigentum an dem Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die KG. Die Einbringung sollte "mit Wirkung zum 31. Dezember 1995" erfolgen. Dieselbe notarielle Urkunde enthält darüber hinaus Vertragserklärungen der Frau A und der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) über den Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile an der GmbH an die Klägerin. Übernahmestichtag sollte der 1. Januar 1996, 0.00 Uhr sein. Ferner wurde vereinbart, dass Frau A als Kommanditistin aus der KG gegen Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens in Höhe von 6 Mio. DM zuzüglich ihres Guthabens auf dem Darlehenskonto ausscheiden sollte. Das Ausscheiden sollte "im Innenverhältnis zum 31. Dezember 1995, 24.00 Uhr" erfolgen. Die Klägerin sollte "im Innenverhältnis mit Wirkung zum 1. Januar 1996, 0.00 Uhr" als neue Kommanditistin in die KG eintreten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte für die Einbringung der Grundstücke in die KG gegen diese Grunderwerbsteuer fest.
Ferner sah das FA in der Übertragung aller KG- und GmbH-Anteile auf die Klägerin eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 und setzte durch Bescheid vom 15. Februar 1996 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 71 632 DM fest. Als Bemessungsgrundlage legte es 140 v.H. des Einheitswerts des Grundstücks zugrunde.
Einspruch und Klage gegen den Bescheid vom 15. Februar 1996 blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 724 veröffentlichten Urteil davon aus, dass der KG das Grundstück bereits im Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 gehört habe. Denn die Klägerin habe nach dem von den Vertragsparteien angestrebten Ziel im Zuge der Anteilsübertragung auch das Grundstück miterwerben sollen. Hierzu habe die Verpflichtung, das Grundstück in die KG einzubringen, mindestens eine logische Sekunde vor der Verpflichtung zur Übertragung der Gesellschaftsanteile einhergehen müssen. Die im Vertrag geregelten Rückwirkungen seien insoweit ohne Relevanz. Die Klägerin könne auch fiktiv nicht so behandelt werden, als sei sie schon zum Zeitpunkt der Einbringung des Grundstücks in die KG deren Gesellschafter gewesen.
Mit der Revision macht die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 geltend. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags am 30. Januar 1996 habe das Grundstück der KG noch nicht im Sinne dieser Vorschrift gehört, weil dieser nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. April 1988 II R 134/86 (BFHE 153, 241, BStBl II 1988, 736) das eingebrachte Grundstück im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung noch nicht zuzurechnen sei. Dass bei einer Grundstückseinbringung mit anschließender Anteilsvereinigung die Grunderwerbsteuer nur einmal anfallen solle, zeige auch die durch das Jahressteuergesetz (JStG) vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049) eingeführte Regelung des § 1 Abs. 2a Satz 5 GrEStG 1983.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Übertragung aller Anteile an der KG und der GmbH auf die Klägerin nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 i.d.F. vor dem In-Kraft-Treten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 der Grunderwerbsteuer unterliegt.
1. Durch den Vertrag vom 30. Januar 1996 hat die Klägerin einen Anspruch auf Übertragung aller Anteile an der KG i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 erhalten. Dem steht die Gesellschafterstellung der GmbH nicht entgegen. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass einem Gesellschafter auch die Anteile an einer Gesellschaft zuzurechnen sind, die von einer Kapitalgesellschaft gehalten werden, an der er zu 100 v.H. beteiligt ist ―mittelbare Anteilsvereinigung― (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 1994 II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408, m.w.N.). Dabei handelt es sich ―entgegen der Auffassung der Revision― nicht um eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, sondern um eine mehrstufige rechtliche Betrachtungsweise aufgrund und nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 innewohnenden Sinns und Zwecks (Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 14. Aufl., § 1 Rdnr. 899).
2. Entgegen der Auffassung der Revision "gehörte" der KG bereits im Zeitpunkt des Anteilserwerbs das von Frau A eingebrachte Grundstück. Zum Vermögen einer Gesellschaft gehört ein Grundstück nicht erst dann, wenn die Gesellschaft zivilrechtlich Eigentum an dem Grundstück erworben hat, sondern wenn das Grundstück der Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzuordnen ist. Dies ist der Fall, sobald hinsichtlich des Grundstücks ein Tatbestand verwirklicht worden ist, der einen Erwerbsvorgang der Gesellschaft i.S. des § 1 GrEStG 1983 darstellt, die Gesellschaft also beispielsweise einen Vertrag über den Ankauf des Grundstücks abgeschlossen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. März 1988 II R 76/87, BFHE 153, 63, BStBl II 1988, 550, m.w.N.).
Wenngleich sowohl der Einbringungsvorgang als auch die Anteilsübertragungen in einer notariellen Urkunde vereinbart wurden, ergibt sich ―was das FG zutreffend erkannt hat― bei verständiger Würdigung der Gesamtheit der am 30. Januar 1996 getroffenen Vereinbarungen, dass die KG den Anspruch auf Eigentumsverschaffung an dem Betriebsgrundstück vor dem Zeitpunkt des Anteilserwerbs der Klägerin erworben hat. Denn Frau A verpflichtete sich zur Übertragung des Grundstücks an die KG noch in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der KG, wie die "Einbringung" gegen "Gewährung von Gesellschaftsrechten" zeigt. Damit übreinstimmend berücksichtigte die ihr gezahlte Abfindung für das Ausscheiden aus der KG bereits den Erwerb des Grundstücks durch diese. Übertragen wurden daher Anteile an der bereits grundbesitzenden KG.
3. Die Tatsache, dass die Grunderwerbsteuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 für den Erwerb der KG infolge des Ausscheidens von Frau A aus der KG nicht zu gewähren ist, schließt die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 entgegen der Auffassung der Revision nicht aus. Beide Vorgänge sind grunderwerbsteuerrechtlich getrennt zu beurteilen. Zum einen ändert sich die zivilrechtliche Eigentumszuordnung an dem Grundstück durch Übertragung von Frau A an die KG. Zum anderen ändert sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung des Grundstücks durch Übertragung der alleinigen Gesellschafterstellung an der KG von Frau A auf die Klägerin. Soweit sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 153, 241, BStBl II 1988, 735 etwas anderes ergeben sollte, hält dies der Senat nicht mehr aufrecht (vgl. bereits BFH-Urteil vom 13. November 1991 II R 7/88, BFHE 166, 180, BStBl II 1992, 202). Die Regelung des § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG 1983 ist schon wegen ihres späteren In-Kraft-Tretens auf den Streitfall nicht anwendbar.
4. Im Streitfall greift auch keine Steuervergünstigung ein. Für eine Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG 1983 auf eine Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 GrEStG 1983 ist das Verhältnis zwischen dem Übertragenden und dem Erwerber der Anteile maßgeblich. Dies schließt eine Anwendung dieser Steuervergünstigungen im Streitfall aus.
Auch § 1 Abs. 6 GrEStG 1983 kommt nicht in Betracht. Dies folgt schon daraus, dass in den beiden Erwerbsvorgängen grunderwerbsteuerrechtlich verschiedene Erwerber vorliegen, nämlich bei der Grundstückseinbringung die KG, bei der Anteilsübertragung die Klägerin.
Fundstellen
Haufe-Index 592385 |
BFH/NV 2001, 1040 |