Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Wohnsitz-FA für die Umqualifizierung eines betrieblich an einer sog. "Zebra-Gesellschaft" beteiligten Gesellschafters
Leitsatz (NV)
Die Entscheidung über Art und Höhe der Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters trifft das (Wohnsitz)-Finanzamt dieses Gesellschafters im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer.
Normenkette
AO 1977 § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 23.07.1998; Aktenzeichen 11 K 5679/96 E,F; EFG 1998, 1682) |
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Einkünfte der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die diese im Kalenderjahr 1989 aus Beteiligungen an verschiedenen Grundstücksgesellschaften erzielt haben und die auf der Ebene dieser Gesellschaften jeweils als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellt worden sind, bei der Einkommensbesteuerung der Kläger als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt werden können.
Der Kläger, der aus seiner Tätigkeit als Architekt Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt, gründete im Jahr 1985 --zusammen mit weiteren Mitgesellschaftern-- vier Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Gegenstand der Gesellschaften war die Errichtung und Vermietung von Gebäuden; darüber hinaus waren die Gesellschaften aber auch zum Erwerb und zur Veräußerung von Grundstücken berechtigt. In der Folgezeit erwarben die Gesellschaften jeweils ein unbebautes Grundstück zur gesamten Hand und errichteten hierauf Geschäftshäuser, aus deren entgeltlicher Überlassung sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Der Kläger war an jeder der vier Gesellschaften zu 50 v.H. beteiligt. Durch Vereinbarung vom 22. Dezember 1988 erwarb der Kläger jeweils weitere 20 v.H. der Gesellschaftsanteile an den vier Grundstücksgesellschaften hinzu; zugleich erwarb die Klägerin jeweils die restlichen 30 v.H. der Gesellschaftsanteile. Durch notarielle Kaufverträge vom 2. Mai und 17. November 1989 haben die Kläger die vier im Gesamthandsvermögen befindlichen bebauten Grundstücke veräußert.
Am 11. Februar 1989 erwarb der Kläger zu hälftigem Miteigentum ein Grundstück in D. Im Zuge des Erwerbs gründete der Kläger zusammen mit dem ebenfalls zu 50 v.H. beteiligten Miteigentümer S eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Zweck der Gesellschaft war es, das Grundstück, das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut war, in Wohnungs- und Teileigentum aufzuteilen. Durch notariellen Vertrag vom 12. Juli 1991 übertrug der Kläger seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück in D unentgeltlich auf die Klägerin. Am 7. Juli 1993 veräußerten die Klägerin und S das Grundstück in D, ohne eine Aufteilung in Teil- und Wohnungseigentum durchgeführt zu haben.
Die Klägerin war ferner Kommanditistin einer KG, deren Unternehmenszweck in der Entwicklung, Aufbereitung, Vermarktung und schlüsselfertigen Erstellung von Bauprojekten aller Art sowie deren Betreuung, Vermietung, Verpachtung und Verwaltung bestand. Zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war der Kläger bestellt. Die KG erwarb im November 1990 unbebaute Grundstücke in K; auf diesen Grundstücken sollten 20 Wohngebäude errichtet und veräußert werden. Des Weiteren erwarb die KG im Dezember 1990 ein unbebautes Grundstück in M. Dieses Grundstück wurde mit einem Geschäftshaus bebaut und mit Verträgen vom Dezember 1991 und vom Februar 1992 veräußert. Die Architektenleistungen für die geplanten und durchgeführten Bauvorhaben wurden jeweils vom Architekturbüro des Klägers erbracht.
Nach einer bei den Klägern durchgeführten, die Kalenderjahre 1989 bis 1992 umfassenden steuerlichen Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Einkünfte der Kläger aus den verschiedenen Grundstücksgesellschaften, die auf der Ebene dieser Gesellschaften als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden waren, im Rahmen der Einkommensbesteuerung der Kläger wegen eines von ihnen betriebenen gewerblichen Grundstückshandels in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren seien. Unter Berücksichtigung der gewerblichen Einkünfte setzte das FA die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1991 --wie bisher-- auf 0 DM fest. Gleichzeitig stellte das FA die verbleibenden Verlustabzüge zum 31. Dezember 1990 für den Kläger auf 710 920 DM und für die Klägerin auf 215 150 DM sowie die verbleibenden Verlustabzüge zum 31. Dezember 1991 für den Kläger auf 60 016 DM und für die Klägerin auf 18 163 DM fest. Die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1992 (Streitjahr) setzte das FA --zuletzt durch Änderungsbescheid vom 5. August 1999-- auf 430 492 DM fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1682 veröffentlichten Gründen statt. Es ließ die Frage offen, ob bereits die Grundstücksgesellschaften, an denen die Kläger beteiligt waren, selbst eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet haben könnten oder ob lediglich die Tätigkeit der Gesellschafter als gewerblich einzustufen sei. Die vom FA ermittelten gewerblichen Einkünfte der Kläger könnten bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht der Einkommensbesteuerung des Jahres 1989 und damit auch weder der Ermittlung der verbleibenden Verlustabzüge zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 und zum 31. Dezember 1991, noch der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1992 zugrunde gelegt werden.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Der Senat hat die Rechtsfrage, ob die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters --sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach-- durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen ist, dem Großen Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Entscheidung vorgelegt. Der Große Senat hat über die Vorlage mit Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02 (BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679) entschieden.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass es dem FA bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen verwehrt sei, die ermittelten gewerblichen Einkünfte der Kläger der Einkommensbesteuerung des Jahres 1989, der Ermittlung der verbleibenden Verlustabzüge zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 und zum 31. Dezember 1991 sowie der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1992 zugrunde zu legen.
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung werden nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) durch das Feststellungsfinanzamt einheitlich und gesondert festgestellt, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich --sei es in Gestalt einer Gesamthands- oder in Gestalt einer Bruchteilsgemeinschaft-- an den Einkünften beteiligt sind (BFH-Urteil vom 26. Januar 1999 IX R 17/95, BFHE 188, 53, BStBl II 1999, 360, m.w.N.). Damit entscheidet das Feststellungsfinanzamt aber nicht verbindlich (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) über die Art und Höhe eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters. Vielmehr bleibt die Beurteilung, ob sich bei dem Gesellschafter die ihm zuzurechnenden Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte umwandeln, dem für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständigen (Wohnsitz-)Finanzamt im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer vorbehalten (BFH-Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679).
2. Weil das angefochtene Urteil diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da die Vorentscheidung in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen enthält, die den Senat in die Lage versetzen, Art und Höhe der Einkünfte der Kläger abschließend zu beurteilen.
a) Ein Gewerbebetrieb liegt nach § 15 Abs. 2 EStG vor, wenn er selbständig, nachhaltig sowie mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, betrieben wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und die Tätigkeit nicht der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen ist (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, m.w.N.).
Die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung hin zum Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG) wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Urteile vom 15. März 2005 X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817; vom 3. August 2004 X R 40/03, BFHE 207, 213, BStBl II 2005, 35, und vom 27. November 2002 X R 53/01, BFH/NV 2003, 1291). Ein gewerblicher Handel mit Grundstücken ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Veräußerer eine Anzahl bestimmter Grundstücke zuvor gekauft oder bebaut hat und sie in engem zeitlichen Zusammenhang hiermit veräußert. Hierzu hat die Rechtsprechung die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt, die nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 auch in Fällen der Bebauung und des anschließenden Verkaufs zum Tragen kommt. Unter einem Objekt versteht die Rechtsprechung auch einzelne Miteigentumsanteile (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998 III R 61/97, BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390, m.w.N.). Hat der Veräußerer mehr als drei Objekte gekauft oder errichtet und sie in engem zeitlichen Zusammenhang --in der Regel fünf Jahre-- zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf veräußert, so lässt dies mangels eindeutiger gegenteiliger objektiver Anhaltspunkte grundsätzlich den Schluss zu, dass bereits im Zeitpunkt des Ankaufs oder der Errichtung eine zumindest bedingte Wiederverkaufsabsicht bestanden hat (BFH-Urteile in BFHE 207, 213, BStBl II 2005, 35, und vom 23. April 1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, 170, m.w.N.). Grundstücksgeschäfte der Gesellschaft sind den Gesellschaftern persönlich zuzurechnen, wenn der Handel mit Grundstücken durch den --ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarten-- Gesellschaftszweck gedeckt ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.4.).
b) Das FG ist von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht der Frage nachgegangen, ob die Kläger nach diesen Maßstäben gewerbliche Einkünfte erzielten. Bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen sah es sich an einer möglichen Umqualifizierung gehindert. Der BFH indes kann als Revisionsinstanz die bei der Prüfung eines gewerblichen Grundstückshandels erforderliche Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen. Das FG wird sie in einer anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1503754 |
BFH/NV 2006, 1247 |