Leitsatz (amtlich)
1. Ein Baubetreuungsunternehmen, dessen Aufgabe sich darauf beschränkt, auf eigene Rechnung die Instandhaltungsarbeiten samt Schönheitsreparaturen für den Eigentümer von Wohnanlagen vorzunehmen und von diesem im voraus die volle vereinbarte Vergütung erhält, hat wegen der von ihm noch zu erbringenden Instandhaltungsleistungen eine Rückstellung zu bilden.
2. Die Rückstellung (1.) ist nur insoweit zulässig, als die Verbindlichkeit bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist. Dementsprechend ist ein angemessener Teil der laufenden Vergütung der Rückstellung zuzuführen.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Baubetreuungs-GmbH, schloß am 18. Dezember 1969 mit einer KG einen Vertrag, demzufolge sie die Verwaltung der von der KG in zwei Orten errichteten Gebäude übernahm. In dem Vertrag, dem Nachtragsvereinbarungen folgten, war vorgesehen, der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt alle Aufgaben zu übertragen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Häuser und Grundstücke gehören, einschließlich der Vermietung der in den Gebäuden befindlichen Wohnungen. In der Zeit bis 30. September 1971, mithin für die Streitjahre (1969 und 1970), beschränkte sich die Verpflichtung der Klägerin darauf, die Kosten für die Reparatur- und sonstigen Instandsetzungsarbeiten zu tragen. Die Klägerin erhielt für die Instandsetzungskosten eine Vergütung von 3,95 DM je qm Wohnfläche und Jahr und für die Schönheitsreparaturen eine solche von 3,25 DM je qm Wohnfläche und Jahr. Aus dieser Vergütung hatte sie die erforderlichen Arbeiten zu bestreiten. Weitere Ansprüche an die Hauseigentümerin konnte sie nicht stellen. Aufgrund dieser Vereinbarung erhielt die Klägerin von der KG Ende 1969 einen Betrag von 29 539 DM und im Jahre 1970 einen Betrag von 45 955 DM. Bei Beendigung der Verwaltung nicht verbrauchte Beträge sollten der Klägerin zustehen.
In ihren Bilanzen zum 31. Dezember 1969 und zum 31. Dezember 1970 bildete die Klägerin in Höhe der Vergütungen, die sie von der KG in den Streitjahren erhielt, Rückstellungen für "Verwaltung für Dritte". Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte in den Körperschaftsteuerbescheiden 1969 und 1970 diese Rückstellungen nicht an.
Das FG wies die Sprungklage ab. Es führte aus, daß die Klägerin nicht berechtigt sei, für ihre Verpflichtungen aus dem Verwaltungsvertrag Rückstellungen zu bilden. Zwar liege unstreitig eine echte Fremdverbindlichkeit vor. Entscheidend sei aber, ob der Tatbestand, dessen Rechtsfolge die Verbindlichkeit sei, im wesentlichen vor dem Bilanzstichtag verwirklicht werde, ob also der Verpflichtungstatbestand bereits hinreichend konkretisiert sei. Die Verpflichtung zur Vornahme von Instand setzungsarbeiten und Schönheitsreparaturen konkretisiere sich indes nicht laufend, sondern nur von Zeit zu Zeit, zum Teil erst mit Ablauf bestimmter Fristen (vgl. Urteil des BFH vom 17. Februar 1971 I R 121/69, BFHE 101, 513, BStBl II 1971, 391). Daß sie der Verpflichtung zur Vornahme von Instandsetzungsarbeiten und Schönheitsreparaturen in einem größeren Umfange nicht nachgekommen sei (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1958 III 306/56 S, BFHE 67, 1, BStBl III 1958, 274), habe die Klägerin selbst nicht behauptet. Auch fehle es hierfür im Hinblick auf die kurze Zeitspanne zwischen der Übernahme der Verpflichtung und den Bilanzstichtagen 1969 und 1970 an einem ausreichenden Grund. Letzten Endes gehe es der Klägerin um eine periodengerechte Abgrenzung der laufenden Vergütungen der KG für die Verpflichtung zur Vornahme von Instandsetzungsarbeiten und Schönheitsreparaturen. Für eine solche Rechnungsabgrenzung seien jedoch die Voraussetzungen nicht gegeben.
In ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1969 und 1970 nach Maßgabe der geltend gemachten Rückstellungen anderweitig festzusetzen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen. Sie führt aus, daß die Grundsätze des BFH-Urteils I R 121/69 auf den Streitfall nicht zuträfen. Bei der Klägerin fehle es an einem Eigeninteresse an der Instandhaltung der von ihr verwalteten Objekte. Die begehrten Rückstellungen seien schon nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung geboten. Diese Grundsätze verböten es, die eingenommenen Gelder als Erträge auszuweisen. Es müsse vielmehr damit gerechnet werden, daß die knapp kalkulierten, auf behördliche Anordnungen zurückgehenden pauschalen Vergütungen jedenfalls auf längere Sicht kaum nennenswerte Überschüsse erwarten ließen. Besonders die für Schönheitsreparaturen eingenommenen Gelder seien wie "erhaltene Anzahlungen" anzusehen, da die Klägerin die angesammelten Beträge in vollet Höhe und nach einem verbindlichen Zeitplan ausgeben müsse. Die KG könne als Gläubigerin von der Klägerin die fristgerechte Vornahme der Schönheitsreparaturen fordern und notfalls erzwingen. Da wirtschaftlich gesehen der andere Vertragspartner zeitlich vorgeleistet habe, müsse die Verbindlichkeit der Empfängerin im Jahresabschluß passiviert werden. Der Aufwand sei in der abgeschlossenen Periode verursacht (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 1970 I R 184/67, BFHE 100, 443, BStBl II 1971, 85; vom 26. Oktober 1970 III R 150/67, BFHE 100, 465, BStBl II 1971, 82).
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
1. Die Grundsätze des BFH-Urteils I R 121/69, auf die sich die Vorinstanz stützte, können in Fällen der vorliegenden Art nicht angewendet werden. Denn hier besteht eine selbständige Instandhaltungsverpflichtung, welche die Klägerin zu passivieren hat.
a) Die Rechtslage unterscheidet sich im Streitfall wesentlich von derjenigen im Urteil I R 121/69, dessen Grundsätze der erkennende Senat in dem Urteil vom 26. Mai 1976 I R 80/74 (BFHE 119, 261, BStBl II 1976, 622) bestätigt hat. Dort ist entschieden, daß gewerbliche Vermieter von Wohnungen keine Rückstellung für die Kosten künftiger Instandhaltungsarbeiten bilden dürfen. Denn die Verpflichtung zur Erhaltung der vermieteten Sache (§ 536 BGB) bildet einen untrennbaren Teil der Verpflichtung des Vermieters zur Überlassung der Mietsache an den Mieter zum vertragsgemäßen Gebrauch.
Der einheitlichen Verpflichtung des Vermieters steht die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung eines gleichermaßen einheitlichen Mietzinses gegenüber. Es kann insbesondere nicht von einem Teil des Mietzinses als einer Anzahlung für künftige Instandhaltungsleistungen des Vermieters die Rede sein. Vielmehr stehen grundsätzlich die Verpflichtungen des Vermieters und des Mieters einander als laufend wirtschaftlich ausgeglichen gegenüber. Sie werden deshalb nach den Grundsätzen der Behandlung schwebender Verträge nicht bilanziert. Die für die Deckung von Instandhaltungskosten bestimmten Mietzinsteile gehören zu dem Entgelt für die einheitliche vertragsgemäße Gebrauchsüberlassung. Erst wenn eine Vertragspartei mit einzelnen Verpflichtungen in Rückstand geraten ist, ist das Gleichgewicht des Vertragsverhältnisses gestört und muß daher eine Verpflichtung ausgewiesen werden.
b) Anders ist die Rechtslage im Streitfall. Hier sind bestimmte Obliegenheiten des Vermieters, die dieser als unselbständige Verpflichtungen gegenüber dem Mieter zu erfüllen hat, verselbständigt und zum Gegenstand eines eigenen, mit einem Dritten, der Klägerin, geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) gemacht. Die von der Klägerin eingegangene Verpflichtung gegenüber ihrer Auftraggeberin, der KG, betrifft die Erfüllung genau umrissener Leistungen, welche die KG ihren Mietern unter anderen zu erbringen hat. Es handelt sich um eine Dienst- und Werkleistung, die aus einer Vielzahl von Einzelleistungen besteht. Der Verpflichtung zu dieser Leistung stand für die Streitjahre der Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Deckungsbeträge gegenüber, welche auch einen kalkulatorischen Gewinn enthielten.
Durch diese rechtliche Verselbständigung der Instandhaltungspflicht, die in der Beschränkung auf eine bestimmte Leistung und deren Übernahme durch einen selbständigen Rechtsträger liegt, unterscheidet sich der von der Klägerin geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag sowohl vom Mietvertrag als auch von einem allgemeinen Vermögensverwaltungsvertrag, welcher eine unbestimmte Anzahl von Einzelgeschäftsbesorgungen verschiedenster Art gegen einheitliche Vergütung zum Gegenstand hat und bei dem es, ebenso wie bei einem Mietvertrag, in der Regel rechtlich nicht möglich wäre, Teile der laufenden Gesamtleistung und der laufenden Vergütung abzuspalten und gesondert zu bilanzieren.
2. Da die Klägerin die volle Vergütung bereits empfangen hat, muß die ihr gegenüberstehende Verpflichtung passiviert werden.
Da der Wert dieser künftigen Leistungen der Klägerin naturgemäß ungewiß ist, muß für diese Leistungen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Diese Rückstellung ist allerdings zu den einzelnen Bilanzstichtagen nicht mit dem vollen Wert der sich für die gesamte Vertragsdauer ergebenden Sachleistungsschuld zu bemessen, sondern nur insoweit, als diese Schuld in der Zeit bis zu den Bilanzstichtagen wirtschaftlich verursacht wurde. Denn es ist davon auszugehen, daß bei der hier gegebenen rechtlich verselbständigten Instandhaltungslast die wirtschaftliche Verursachung laufend erfolgt, auch in den Jahren, in denen noch keine Reparatur fällig wird.
Die Höhe der Rückstellung ist unter Berücksichtigung dieser Umstände zu schätzen (§ 217 AO § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da es schon aus technischen Gründen schwierig ist zu ermitteln, in welchem Umfang die künftigen Instandhaltungskosten einschließlich der Aufwendungen für Schönheitsreparaturen in den Streitjahren bereits wirtschaftlich verursacht waren, liegt es nahe, in einem solchen Falle von den von den Vertragsparteien selbst getroffenen Vereinbarungen und den ihnen zugrunde liegenden kalkulatorischen Vorstellungen auszugehen. Dementsprechend ist bei der Bemessung der Rückstellung zu berücksichtigen, daß nach den Vorstellungen der Vertragsparteien die Vollzahlung der Auftraggeberin an die Klägerin nicht nur dazu bestimmt war, die künftigen Instandhaltungsausgaben, sondern auch laufende allgemeine Geschäftsunkosten zu decken und einen Gewinnbestandteil zu gewähren.
3. Das FG ist von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Da es die Rückstellung versagt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an das FG zurückverwiesen. Das FG wird unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen festzustellen haben, in welcher Höhe die Klägerin die Rückstellung zu bilden und gegebenenfalls wegen tatsächlicher Instandhaltungsausgaben aufzulösen hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 72001 |
BStBl II 1976, 778 |
BFHE 1977, 32 |