Leitsatz (amtlich)
Arbeitslohn, der auf Dienstreisen in die DDR oder nach Berlin (Ost) entfällt, ist auch dann nach § 3 Nr.63 EStG steuerfrei, wenn der Arbeitnehmer täglich zu seiner Wohnung in Berlin (West) zurückkehrt und er solche Dienstreisen beinahe jeden Arbeitstag unternimmt.
Orientierungssatz
§ 3 Nr. 63 EStG (Steuerbefreiung von Einkünften der in § 49 EStG bezeichneten Art, wenn sie in der DDR oder in Berlin (Ost) bezogen worden sind) in Verbindung mit § 49 EStG ist nach den für DBA geltenden Regeln auszulegen. Maßgebend ist, ob die betreffenden Einkünfte, wenn sie in der BRD erzielt worden wären, bei einem hier beschränkt Steuerpflichtigen zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören würden. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ist für die Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG allein maßgebend, wo die nichtselbständige Arbeit i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG ausgeübt oder verwertet wurde. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Nr. 63 EStG sind die in der DDR bezogenen Einkünfte in der BRD auch dann steuerfrei, wenn die DDR von ihrem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat (Festhaltung an BFH-Rechtsprechung). Ausführungen zur schätzungsweisen Aufteilung des Arbeitslohns, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers in der DDR und in der BRD ausgeübt wird. Gewährung des Weihnachtsfreibetrages und Arbeitnehmerfreibetrages sowie des Werbungskostenpauschbetrages in vollem Umfang für die anteiligen steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, Ausschluß der auf den steuerbefreiten Arbeitslohn entfallenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung vom Sonderausgabenabzug.
Normenkette
EStG 1975 § 3 Nr. 63, § 49 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, § 9a Nr. 1, § 19 Abs. 3-4
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 29.09.1981; Aktenzeichen VII 324/80) |
Tatbestand
Die klagenden Eheleute (Kläger und Revisionsbeklagte --Kläger--) hatten im Streitjahr 1976 ihren Wohnsitz in Berlin (West). Der Ehemann (Kläger) war bei einer dort ansässigen Firma als Vertriebsingenieur nichtselbständig tätig. Seine Bruttobezüge betrugen im Streitjahr 1975 142 082 DM. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit unternahm der Kläger beinahe täglich Dienstreisen in die DDR oder nach Berlin (Ost), um dort Kunden seiner Arbeitgeberin mit dem Ziel aufzusuchen, deren Produkte, Systeme, Anlagen oder Dienstleistungen zu verkaufen. In den Betriebsräumen seiner Arbeitgeberin stand ihm ein Schreibtisch zur Verfügung. Zwecks Erledigung von büromäßigen Arbeiten hielt er sich dort etwa fünf Stunden in der Woche auf.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1976 legten die Kläger Einspruch ein mit dem Antrag, die Einkünfte des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit nach § 3 Nr.63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei zu lassen und die Jahressteuerschuld des Jahres 1976 auf 0 DM herabzusetzen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 398 veröffentlichten Urteil u.a. aus:
Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit seien nach § 3 Nr.63 EStG steuerfrei, da der Kläger sie in der DDR und in Berlin (Ost) bezogen habe.
Die Verwaltung habe zwar für Montagearbeiten in der DDR oder in Berlin (Ost) bestimmt (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 30.August 1977 IV B 4 - S 2300 - 34/77, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1977, 608; Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 3, Nr.174), daß Arbeitslohn von Arbeitnehmern, die dort weniger als 30 Tage zusammenhängend auf Montagestellen tätig seien, nicht nach § 3 Nr.63 EStG steuerfrei sei. Dies beruhe offenbar auf der Erwägung, daß die DDR-Behörden regelmäßig erst nach 30 Tagen Arbeitsanwesenheit Lohnsteuern erhöben. Arbeitslöhne, die für einen Arbeitseinsatz unter 30 Tagen gezahlt werden, seien nach den Verwaltungserlassen in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) von der Einkommensteuer nur freizustellen, wenn der Nachweis geführt werde, daß der Arbeitslohn in der DDR oder in Berlin (Ost) der Lohnsteuer unterworfen worden sei (vgl. Ländererlasse in StEK, Einkommensteuergesetz, § 3, Nr.221). Diese 30-Tage-Frist sei hier wie bei den Montagefällen nicht zu beachten, da sie im Gesetz keine Stütze finde. Es sei auch nicht darauf abzustellen, ob die DDR-Behörden von ihrem Besteuerungsrecht Gebrauch machten.
So wie im umgekehrten Fall ein gesetzliches Besteuerungsrecht durch die Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) nach § 49 Abs.1 Nr.4 EStG bestehe, könne der Kläger von den DDR-Behörden ebenfalls jederzeit besteuert werden, was für ihn schon im Hinblick auf den Wegfall der Berlinzulage (§ 28 Abs.2 letzter Satz des Berlinförderungsgesetzes --BerlinFG--) mit höheren Belastungen verbunden wäre.
Das Gericht sei sich bewußt, daß diese Gesetzesauslegung entsprechende Berechnungen der auf die verschiedenen Arbeitsorte entfallenden Arbeitszeitanteile (wie z.B. bei gelegentlichen Dienstreisen zu Messen und Verhandlungen mit Firmen in der DDR) nach sich ziehen könne. Sollte die teilweise oder fast gänzliche Steuerbefreiung als unbefriedigend empfunden werden, sei es Aufgabe der dafür zuständigen politischen Körperschaften, dem durch eine Gesetzesänderung Rechnung zu tragen.
Die Kläger hätten allerdings keinen Rechtsanspruch auf Steuerbefreiung für den Teil des Arbeitslohnes, der auf die in Berlin (West) ausgeübte Tätigkeit von etwa fünf Wochenstunden entfalle. Der Lohn sei insoweit zeitanteilig zu ermitteln. Da eine genaue Arbeitszeitbelastung nicht feststellbar sei, schätze das Gericht den auf Berlin (West) entfallenden steuerpflichtigen Anteil auf 10 v.H. Die Sonderausgaben und Werbungskosten seien entsprechend aufzuteilen. Bei Berücksichtigung der vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Verluste bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergebe sich bei Anwendung der Splittingtabelle eine Einkommensteuerschuld von 0 DM.
Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) Revision ein. Das FA ist der Ansicht, die Vorentscheidung verletze § 3 Nr.63 EStG und Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG). Es führt hierzu u.a. aus:
Nach § 3 Nr.63 EStG seien Einkünfte der in § 49 EStG bezeichneten Art, wenn sie in der DDR oder in Berlin (Ost) bezogen würden, steuerfrei. Als "bezogene Einkünfte" im Sinne dieser Vorschrift könnten solche Einkünfte verstanden werden, die bereits in der DDR besteuert seien, oder solche Einkünfte, die dort noch keiner Besteuerung unterlegen hätten. Maßgebend sei die erstgenannte Auslegungsmöglichkeit, da nur sie mit dem Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG im Einklang stehe.
Nach der Begründung des Gesetzentwurfes habe der Gesetzgeber in § 3 Nr.63 EStG sicherstellen wollen, daß Einkünfte, die von in der Bundesrepublik und Berlin (West) unbeschränkt Steuerpflichtigen in der DDR oder in Berlin (Ost) bezogen worden seien, steuerlich nicht zweimal belastet würden. Da sich mit der DDR keine Vereinbarungen über einen Lohnsteuerabzug bei Tätigkeiten anläßlich von Dienstreisen treffen ließen, erhielten Steuerpflichtige, die Dienstreisen in die DDR oder nach Berlin (Ost) unternähmen, einen zusätzlichen ungerechtfertigten Steuervorteil, wenn man den Grundsätzen des FG folge. Soweit bekannt, ziehe die DDR Arbeitnehmer aus Berlin (West) oder aus der Bundesrepublik nur zur Besteuerung heran, wenn die Arbeitnehmer mit ihrer Tätigkeit für einen feststehenden Zeitraum an bestimmte Arbeitsstätten (Betriebsstätten) in der DDR oder Berlin (Ost) gebunden seien. Die Dienstreisen des Klägers fielen nicht hierunter, da er täglich nach Berlin (West) zurückkehre. Der Kläger sei daher von den DDR-Behörden für seine dort ausgeübte Berufstätigkeit nicht besteuert worden. Er habe auch entsprechende Überlegungen der DDR-Behörden mit dem Hinweis auf seine Besteuerung in Berlin (West) abwenden können. Es würde mit dem Sinn und Zweck des § 3 Nr.63 EStG, eine Doppelbelastung zu vermeiden, in Widerspruch stehen und mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sein, wenn der Kläger überhaupt keine Einkommensteuer zu zahlen hätte.
Im übrigen würde eine Berechnung nach Arbeitszeitanteilen je nach Arbeitsorten bei den täglichen Unabwägbarkeiten des Arbeitsablaufs zu einem unökonomischen Aufwand für die Verwaltung führen. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 3 Nr.63 EStG sicherlich nicht kaum praktikable Tatsachenfeststellungen ins Leben rufen wollen.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Denn das FG hat den Teil der Bezüge des Klägers, der auf seine Tätigkeit in der DDR und in Berlin (Ost) entfiel, zu Recht nach § 3 Nr.63 EStG 1975 als steuerfrei behandelt.
Nach der letztgenannten Vorschrift sind die Einkünfte der in § 49 EStG bezeichneten Art einkommensteuerfrei, wenn sie in der DDR oder in Berlin (Ost) bezogen worden sind. Maßgebend ist, ob die betreffenden Einkünfte dann, wenn sie in der Bundesrepublik erzielt worden wären, bei einem hier beschränkt Steuerpflichtigen zu den inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG gehören würden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 3 EStG Anm.377). Das ist bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus einem privaten Dienstverhältnis nach § 49 Abs.1 Nr.4 EStG der Fall, wenn die Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird ("Arbeitsortprinzip"). Da § 3 Nr.63 EStG eine doppelte Besteuerung vermeiden und damit ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ersetzen soll, ist diese Vorschrift in Verbindung mit § 49 EStG nach den für DBA geltenden Regeln auszulegen.
Nach dem vorgenannten Urteil des Senats in BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530 kommt es nicht darauf an, wo der Arbeitslohn ausgezahlt wird. Denn der in § 3 Nr.63 EStG verwandte Begriff des "Beziehens" der Einkünfte in der DDR oder in Berlin (Ost) ist kein besonderes Abgrenzungstatbestandsmerkmal. Der Ausdruck kann --entgegen der Ansicht des FA-- nicht dazu verwandt werden, die Frage zu beantworten, ob nur in der DDR tatsächlich besteuerte Arbeitslöhne der Steuerbefreiung nach § 3 Nr.63 EStG unterliegen. Für die Anwendung dieser Vorschrift ist vielmehr allein maßgebend, wo die nichtselbständige Arbeit i.S. des § 49 Abs.1 Nr.4 EStG ausgeübt oder verwertet wurde.
Wie der Senat im Urteil vom 21.Januar 1983 VI R 87/79 (BFHE 137, 352, BStBl II 1983, 224) hervorgehoben hat, wird eine Arbeit nicht nur dann in der DDR "ausgeübt", wenn sie dort eine gewisse Mindestzeit andauert. Denn beim Tätigwerden eines beschränkt Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik unterliegt dieser auch dann der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs.1 Nr.4 EStG, wenn er hier nur kurzfristig seine Arbeit ausübt. Dem Begriff des "Ausübens" genügen nämlich auch einzelne Handlungen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 49 EStG Anm.28 und 27 a; Scholtz in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 49 Rz.43 und 39; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 49 Anm.4; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 49 Rz.102).
Der Senat hat es deshalb in diesem nach Erlaß der Vorentscheidung ergangenen Urteil abgelehnt, der Auffassung der Finanzverwaltung zu folgen, daß Arbeitslohn von Arbeitnehmern, die weniger als 30 Tage zusammenhängend in der DDR oder in Berlin (Ost) tätig sind, in der Bundesrepublik nur dann nach § 3 Nr.63 EStG steuerfrei ist, wenn nachgewiesen wird, daß der Arbeitslohn dort versteuert worden ist. Er hat betont, daß beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Nr.63 EStG die in der DDR bezogenen Einkünfte in der Bundesrepublik auch dann steuerfrei sind, wenn die DDR von ihrem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. auch Abschn.6 Abs.20 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1975 --EStR--).
An diesen Grundsätzen hält der Senat unverändert fest. Ihnen ist inzwischen auch die Finanzverwaltung gefolgt. So betont z.B. die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Bremen vom 2.Juli 1984 S 2342-St 210 (Internationale Wirtschaftsbriefe --IWB--, Fach 1, 1985 S.773 Nr.3/1985) zu Recht, daß auch vorübergehende Tätigkeiten in der DDR oder in Berlin (Ost), wie z.B. bei Dienstreisen, steuerbegünstigt sein können.
Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen. Das FG hat zu Recht den Teil des Arbeitslohns des Klägers, der auf Dienstreisen in die DDR und nach Berlin (Ost) im Streitjahr 1976 entfiel, nach § 3 Nr.63 EStG einkommensteuerfrei gelassen. Denn hätte der Kläger im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S. des § 1 Abs.3 EStG gehabt, so hätte er beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S. des § 49 Abs.1 Nr.4 EStG erzielt, wenn er Dienstreisen in der Bundesrepublik oder in Berlin (West) unternommen hätte. Die Ausführung solcher Dienstreisen wäre als "Ausübung" einer nichtselbständigen Tätigkeit im Inland zu werten (vgl. zum Begriff des Ausübens einer Arbeit in Italien, wenn ein Arbeitnehmer dorthin Dienstreisen unternimmt, auch das zu Art.7 Abs.1 DBA-Italien ergangene BFH-Urteil vom 20.Oktober 1982 I R 104/79, BFHE 137, 29, BStBl II 1983, 402).
Da eine Tätigkeit in der DDR gemäß dem Urteil in BFHE 137, 352, BStBl II 1983, 224 nicht eine gewisse Mindestzeit anzudauern braucht, ist es nicht schädlich, daß die Dienstreisen des Klägers in die DDR und nach Berlin (Ost) in der Regel nur einen ganzen Tag oder weniger stattgefunden haben (so auch Offerhaus, Betriebs-Berater --BB--- 1983, 561, 563; Feuerbaum, Der Betrieb --DB-- 1984, 1059, 1062). Das entspricht im Ergebnis dem ebenfalls vom Arbeitsortprinzip beherrschten DBA-Italien, wo die Rechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 137, 29, BStBl II 1983, 402; Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 30.November 1984 IX 260/82, EFG 1985, 301) und nunmehr auch die Verwaltung (ländereinheitliche Erlasse, s. z.B. Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 6.Mai 1985 S 1301-9-332, BB 1985, 982, in Abänderung früherer Erlasse) ebenfalls Tätigkeiten in Italien von weniger als 24 Stunden als steuerbegünstigt ansehen.
Wie der Streitfall zeigt, kann eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr.63 EStG dazu führen, daß ein mehr oder minder großer Teil der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eines Steuerpflichtigen weder in der Bundesrepublik noch in der DDR bzw. Berlin (Ost) der Einkommensteuer unterworfen wird. Dies ist jedoch hinzunehmen, weil das Gesetz es so vorschreibt und die Bundesrepublik keinen Einfluß darauf hat, inwieweit die DDR von ihrem Besteuerungsrecht als Tätigkeitsstaat Gebrauch macht.
Dieses Ergebnis widerspricht entgegen der Ansicht des FA nicht dem Sinn und Zweck des § 3 Nr.63 EStG, der --wie dargelegt-- ein DBA mit der DDR ersetzen soll. Ein DBA hat stets den Zweck, eine doppelte Besteuerung von Einkünften desselben Arbeitnehmers in zwei verschiedenen Staaten zu vermeiden; es kann selbst aber kein Besteuerungsrecht für den einen oder anderen Staat begründen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12.Oktober 1978 I R 69/75, BFHE 126, 209, BStBl II 1979, 64; Feuerbaum, DB 1984, 1059, 1062). Steuerbefreiungen aufgrund eines DBA sind daher auch dann zu gewähren, wenn dies im Einzelfall dazu führt, daß Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in keinem der beiden vertragschließenden Staaten besteuert werden (vgl. BFH-Urteile vom 31.Juli 1974 I R 27/73, BFHE 113, 437, BStBl II 1975, 61; vom 28.April 1982 I R 151/78, BFHE 135, 526, BStBl II 1982, 566, und in BFHE 137, 29, BStBl II 1983, 402).
Von der Möglichkeit einer gänzlichen Nichtbesteuerung ging der Gesetzgeber auch bei Schaffung des § 3 Nr.63 EStG aus. Denn nach der Regierungsbegründung zu dieser Vorschrift (BTDrucks 7/1470 S.243) braucht "bei der inländischen Besteuerung im Einzelfall nicht ermittelt zu werden, ob die fraglichen Einkünfte bereits in den vorbezeichneten Gebieten besteuert worden sind".
Daß Arbeitnehmer bei Tätigkeit im Ausland unter Umständen überhaupt keine Einkommensteuer zu zahlen haben, soweit der Tätigkeitsstaat von dem ihm zustehenden Besteuerungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, verletzt entgegen der Ansicht des FA nicht den Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG im Verhältnis zu solchen Arbeitnehmern, die ausschließlich im Inland beschäftigt sind. Denn es handelt sich um unterschiedliche Sachverhalte, die nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Vergleichbar sind in diesem Zusammenhang nur die Verhältnisse bei Tätigkeiten inländischer Arbeitnehmer im Ausland. Insoweit wird jedoch in der Bundesrepublik --wie dargelegt-- einheitlich der Grundsatz beachtet, daß der Verzicht auf die inländische Besteuerung nicht davon abhängt, ob der ausländische Staat von seinem ihm zustehenden Besteuerungsrecht Gebrauch gemacht hat.
Die Vorentscheidung ist auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als das FG den Arbeitslohn des Klägers, der auf seine Tätigkeit in Berlin (West) entfällt, zeitanteilig geschätzt hat. Eine solche ggf. schätzungsweise Aufteilung des Arbeitslohns führt entgegen der Ansicht des FA nicht zu unüberwindlichen Schwierigkeiten, wie der Streitfall zeigt. Sie ist auch in anderen Fällen vorzunehmen (vgl. z.B. bezüglich der zeitanteiligen Aufteilung von Arbeitslöhnen nach dem früheren Montageerlaß, Abschn.3 zweitletzter Absatz der Begründung des BFH-Urteils vom 10.Juli 1970 VI R 48/67, BFHE 99, 376, BStBl II 1970, 728). An die Höhe der Schätzung durch das FG ist der Senat im Streitfall gebunden, da die Beteiligten hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht haben (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat ferner rechtsirrtumsfrei von den insoweit steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit u.a. den Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrag von zusammen 580 DM und den Werbungskostenpauschbetrag von 564 DM in vollem Umfang gewährt, andererseits aber zu Recht die auf den steuerbefreiten Arbeitslohn entfallenden Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht nach § 10 Abs.2 Nr.2 EStG als Sonderausgaben abgezogen (vgl. Urteil des Senats in BFHE 133, 64, BStBl II 1981, 530).
Fundstellen
Haufe-Index 61060 |
BStBl II 1986, 64 |
BFHE 144, 556 |
BB 1986, 180-181 (ST) |
DB 1986, 205-205 (ST) |
HFR 1986, 55-56 (ST) |