Entscheidungsstichwort (Thema)
Altenteilsberechtigter Ehegatte als Bezieher von Einkünften aus wiederkehrenden Leistungen
Leitsatz (NV)
Überträgt der Alleineigentümer einen landwirtschaftlichen Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und werden hierbei Altenteilsleistungen auch zugunsten seiner Ehefrau als Gesamtberechtigter vereinbart, hat auch diese insoweit im Regelfall eigene Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen. Ihr steht daher der Pauschbetrag für Werbungskosten (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) gleichfalls zu.
Normenkette
EStG § 9a S. 1 Nr. 21, § 22 Nr. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden für das Streitjahr 1986 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie leben im gesetzlichen Güterstand.
Der Kläger war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes. Durch Vertrag vom 26. Juni 1986 übertrug er den Betrieb zum 1. Juli 1986 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mit Zustimmung seiner Ehefrau auf seinen Sohn. Als Gegenleistung übernahm dieser sämtliche Verbindlichkeiten seiner Eltern. Außerdem verpflichtete er sich, seinen Eltern als Gesamtberechtigten gemäß § 428 BGB lebenslängliche Altenteilsleistungen zu gewähren.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1986 rechneten sich die Kläger die Altenteilsleistungen jeweils zur Hälfte als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu und beanspruchten den Pauschbetrag für Werbungskosten (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) zweifach. Demgegenüber vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, nur der klagende Ehemann habe die Einkünfte bezogen. Der Kläger sei bis zur Übertragung Alleineigentümer des Hofes gewesen; nur ihm gegenüber habe der Hofübernehmer eine Gegenleistung erbringen können. Die Zuwendung eines anteiligen Anspruchs auf Altenteilsleistungen an die Klägerin sei eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Unterhaltsleistung (§ 12 Nr. 2 EStG).
Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage stattgegeben.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
1. Nach § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG ist von den Einnahmen im Sinne des § 22 Nr. 1 und 1a EStG ein Pauschbetrag für Werbungskosten von insgesamt 200 DM abzuziehen, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die Klägerin selbst Einnahmen aus wiederkehrenden Bezügen bezieht und daß ihr deswegen dieser Pauschbetrag zusteht.
Beziehen beide Ehegatten eine Rente, können sie beide den Pauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG beanspruchen (vgl. - zur Vorläufervorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1953 - Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 1958 VI 162/55 U, BFHE 66, 539, BStBl III 1958, 207). Nach der in der Literatur vertretenen herrschenden Meinung ist der Pauschbetrag bei Ehegatten auch dann zweimal zu berücksichtigen, wenn die wiederkehrenden Leistungen nur deshalb geleistet werden, weil einer von ihnen ein Wirtschaftsgut veräußert hat (von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9a Rdnr. B 33; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 9a Rdnr. 38; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl. 1993, § 9a Anm. 5; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 9a Rdnr. 14; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, § 9a Rdnr. 28). Zwar ist die Hofübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge steuerrechtlich kein entgeltlicher Veräußerungsvorgang, sondern eine unentgeltliche Vermögensübertragung. Auf diesen Unterschied kommt es hier indes nicht an. Nach Auffassung des Senats bezieht auch der Ehegatte des früheren Alleineigentümers jedenfalls dann eigene Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 1, wenn er bürgerlich-rechtlich Gläubiger einer Forderung auf Unterhalt ist und freiwillige Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 2 EStG) des Übernehmers an diesen Ehegatten deswegen nicht vorliegen, weil diese Leistungen durch die Betriebsübergabe notwendig geworden sind.
2. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften erfüllt. Auf der Grundlage dieses Rechtssatzes hat der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 29. November 1982 GrS 1/81 (BFHE 137, 433, 438f., BStBl II 1983, 272, 274) für die Zurechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Gewerbebetrieb (§ 20 Abs. 1 und 3 EStG) entschieden, daß den Tatbestand der Einkünfteerzielung nicht nur erfüllt, wer selbst ursprünglich Kapitalvermögen durch Entgelt zur Nutzung überlassen hat. Das gleiche gilt auch für dessen Nachfolger in dem Rechtsverhältnis, das der Überlassung des Kapitals zur Nutzung zugrunde liegt, soweit ihm die Einnahmen aus Kapitalvermögen gebühren. Durch die Folgerechtsprechung ist z.B. anerkannt worden, daß ein Kind aus einem geschenkten Guthaben steuerrechtlich eigene Einkünfte bezieht, wenn die Guthabenforderung endgültig in das Vermögen des Kindes übergegangen ist (BFH-Urteil vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539). Einem Gesamtgläubiger i.S. von § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen, soweit sie ihm bürgerlich-rechtlich gebühren (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BFHE 145, 538, BStBl II 1986, 342).
Diese Grundaussage über die Zurechnung von Einkünften gilt auch für die Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen. Aufgrund ihrer zivilrechtlichen Mitberechtigung als Gesamtgläubigerin (§ 428 BGB) hat die Klägerin gegenüber dem Verpflichteten eine eigene Forderung erlangt. Mit der Realisierung der ihr selbst aus dem Dauerschuldverhältnis geschuldeten Leistungen, die ihr gebühren, fließen ihr eigene Einkünfte zu.
Zivilrechtlich haben die Unterhaltsansprüche beider Altenteiler dieselbe Rechtsqualität. Die Begründung jeweils selbständiger Forderungsrechte der Kläger auf Unterhalt war, wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 428 BGB ergibt, von den Vertragschließenden gewollt. Nach dieser Vorschrift darf, soweit sich nicht aus § 429 BGB Besonderheiten ergeben, jeder von mehreren Gläubigern die ganze Leistung fordern. Werden höchstpersönliche Leistungen - z.B. Wart und Pflege- geschuldet, kann jeder Gläubiger die Leistung an den verlangen, für den sie inhaltlich bestimmt ist. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat in seinem Beschluß vom 21. Mai 1975 BReg. 2 Z 29/75 (BayObLGZ 1975, 191, 194f.) hierzu ausgeführt, diese Rechtsgestaltung biete sich gerade für Austragsleistungen an Pflegebedürftige an, ermögliche sie doch jedem der Gläubiger, die Leistung auch hinsichtlich solcher Mitberechtigter zu verlangen, die wegen ihrer Pflegebedürftigkeit zur Geltendmachung und Durchsetzung ihres Anspruchs nicht mehr in der Lage seien.
3. Die Versorgungsleistungen sind der Klägerin nicht i.S. von § 12 Nr. 2, § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG zugewendet.
Die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe z.B. eines Hofes vereinbarten Altenteilsleistungen sind eine besondere Art von Versorgungsleistungen, die durch die Betriebsübergabe notwendig geworden sind (vgl. Großer Senat des BFH, Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 2. Februar 1956 IV 217/54 U, BFHE 62, 235, BStBl III 1956, 88, und vom 28. Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97). Zur Charakterisierung der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge hat sich der Große Senat des BFH (a.a.O.) u.a. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 1. Februar 1933 VI A 2056/32 (RStBl 1933, 583) bezogen, nach welchem es wirtschaftlich auch so angesehen werden könne, als ob die Eltern sich von ihrem Vermögen an Ertragswert das zurückbehielten, was für sie zur Lebenshaltung nötig ist. Bereits der RFH habe in dieser Entscheidung anerkannt, daß Sinn und Zweck der Versorgungsleistungen regelmäßig nicht die (selbständige) Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht ist, sondern die Folgerung aus der Übergabe von Vermögen seitens der Eltern an die Kinder. Die Aussage des IV.Senats des BFH in BFHE 139, 367, 373, BStBl II 1984, 97, 100, bei Altenteilsleistungen handele es sich um eine besondere Art von privaten Versorgungsleistungen, die durch die Betriebsübergabe notwendig geworden sind, entspricht allgemeiner Auffassung.
Auszugehen ist von der typischen Situation der Altenteiler bei einer Hofübergabe. Bezogen auf den Altenteiler, der nicht Hofeigentümer war, bedeutet dies: Seinen Anspruch auf Unterhalt, der bislang gegen den Ehegatten gerichtet war, kann jener nicht mehr erfüllen; infolge der Hofübergabe muß der Übernehmer des Vermögens beide Eltern unterhalten. Deren beider Ansprüche gegen den Übernehmer auf Unterhalt haben ihre Ursache in der Hofübergabe; die vertragliche Regelung dieser Ansprüche dient der wirtschaftlichen Sicherung beider Elternteile gleichermaßen. Indem der Ehegatte, der nicht Hofeigen- tümer ist, der Übergabe des Hofes an die nächste Generation zustimmt, nimmt er eine Minderung späterer erbrechtlicher Ansprüche und - freilich nur möglicher - Ansprüche aus der Beendigung des Güterstandes in Kauf. Ist der Hof die wirtschaftliche Grundlage der Familie, muß der Unterhalt durch Versorgungsleistungen sichergestellt werden. Aus diesem Grunde räumt § 14 Abs. 2 der Höfeordnung (HöfeO), dem Ehegatten, der als Miterbe oder Pflichtteilsberechtigter u.a. auf die Abfindung nach dem Erbfall (§ 12 HöfeO) verzichtet, ein gesetzliches Altenteil ein. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß der überlebende Ehegatte, der nicht Hoferbe wird, aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft und der auf dieser Grundlage für den Hof regelmäßig erbrachten Arbeitsleistungen eine bsondere Sicherstellung verdient (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Das Landwirtschaftserbrecht, 5. Aufl. 1988, A. Das Höferecht, § 14 Rdnr. 1). Dieser Rechtsgedanke trägt die Annahme, daß dieser Ehegatte, der durch seine Mitwirkung bei Weitergabe der Existenzgrundlage an die Kinder zumindest im wirtschaftlichen Sinne über eigenes Vermögen verfügt, ein originär eigenes Altenteilsrecht hat. Die Vorstellung des FA, nur der frühere Hofeigentümer erhalte vom Übernehmer Unterhaltsleistungen, die er - teilweise - mittels nichtsteuerbarer Zuwendung (§ 22 Nr. 1 Satz 2 EStG) an den Ehegatten weiterleite, ist mit der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Hofübergabe gegen Versorgungsleistungen nicht vereinbar.
Die Einkünfte sind auf die Eltern - in der Regel je zur Hälfte - aufzuteilen (im Ergebnis ebenso Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 1755).
Fundstellen
Haufe-Index 64527 |
BFH/NV 1994, 235 |