Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Veräußert eine von einem Einzelunternehmer abhängige GmbH ihre Schiffe zu einem über dem Buchwert liegenden Betrag, so ist der Veräußerungsgewinn nicht steuerbegünstigt.
Normenkette
EStG §§ 16, 34 Abs. 1, § 34/2; KStG § 6; KStDV § 15; KStG § 7a
Tatbestand
Der am 22. Oktober 1956 verstorbene Reeder S., dessen Erben von einem Testamentsvollstrecker vertreten werden, war 1953 Alleininhaber der Gebr. S., Viehimport- und Versicherungsunternehmen. Als aus veterinär-polizeilichen Gründen die Vieheinfuhr aus X auf dem Seeweg durchgeführt werden mußte, erwarb die Firma zu diesem Zweck ein deutsches Schiff. Die Umschreibung des Dampfers im Schiffsregister scheiterte daran, daß der Bf. nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Aus diesem Grund wurde die Reederei S. GmbH gegründet, deren alleiniger Gesellschafter der Bf. ab ... war. Im Jahr 1953 veräußerte die GmbH Schiffe, die praktisch ihren wesentlichen Gewerbebetrieb darstellten, wodurch gegenüber dem Buchwert ein Veräußerungsgewinn entstand. Dieser Betrag wurde an den Alleingesellschafter abgeführt.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH bestimmt in § 2, daß Gegenstand des Unternehmens der Betrieb von Reedereigeschäften in Diensten und nach Weisungen der Firma Gebr. S. ist, in deren Auftrag und Rechnung die GmbH im eigenen Namen handele, ohne jedoch eigenen Gewinn erzielen zu können.
Der Bf. beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung 1953 die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG auf den Veräußerungsgewinn, der aus dem Verkauf der der GmbH gehörenden Schiffe entstanden war. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag nicht. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Die GmbH sei nach dem Gründungsvertrag der Reederei eine Organgesellschaft mit Ergebnisausschlußvereinbarung der Firma Gebr. S. Nicht der Bf. als Organträger, sondern die subjektiv körperschaftsteuerpflichtige GmbH als Organ habe den Veräußerungsgewinn zu versteuern, könne aber den nur für Einkommensteuerpflichtige geltenden ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Anspruch nehmen. Der sogenannten Einheits- oder Filialtheorie, wonach die Organschaft als interne Betriebstätte der Obergesellschaft anzusehen sei, könne nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz schloß sich auch nicht der Auffassung des Bf. an, daß hier nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen besondere Verhältnisse zu berücksichtigen seien, die der Bf. in der erzwungenen Gründung der GmbH wegen des bestehenden Flaggenrechts erblickte. Das Finanzgericht entsprach auch nicht der Auffassung des Bf., daß die GmbH nur treuhänderisch für ihn tätig gewesen sei.
Mit der Rb. macht der Bf. folgendes geltend: Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Organschaft zeige keine einheitliche Linie. Die Rechtsfindung könne sich nicht, wie das Finanzgericht meint, auf eine einwandfreie Rechtsdogmatik gründen. Nach § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG entspreche in vielen Fällen die Fiktion einer "vorgeschobenen juristischen Person", in anderen Fällen, wie z. B. in dem hier vorliegenden, die Treuhänderschaft den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Der Bf. sei als Ausländer zur Einschaltung einer juristischen Person gezwungen worden, um sein Gewerbe überhaupt ausüben zu können. Nach dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit dürften ihm daher keine steuerlichen Nachteile aus einer "Theorie" erwachsen, die im gesetzten Recht überhaupt nicht festgelegt sei. Bei der Beurteilung der Rechtslage müsse auch von den Verhältnissen des Jahres der Gründung der GmbH ausgegangen werden. Man könne einem Steuerpflichtigen nicht zumuten, einmal geschaffene Tatbestände fortwährend der wechselnden Rechtsprechung anzupassen. Vor allem aber müsse auf atypische Fälle Rücksicht genommen werden. Wer sich der Vorteile einer selbstgewählten Organschaft bediene, müsse selbstverständlich auch deren Nachteile in Kauf nehmen. Da der Bf. zur Vorschaltung der GmbH durch das Flaggengesetz gezwungen worden sei, bedeute die darauf beruhende Organschaftsbesteuerung eine grundsätzlich verbotene Diskriminierung. Das hier vorliegende Treuhandverhältnis bestimme sich nicht nach der Organtheorie. Unzutreffend sei die Auffassung des Finanzgerichts, bei Treuhandschaft müßten alle Geschäftsvorfälle beim Treugeber verbucht und das Treugut in seiner Bilanz ausgewiesen werden. Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Tatbestandes hänge nicht von einem derartigen nirgends vorgeschriebenen Ausweis ab. Fehle er, so seien bei der Steuerveranlagung das Treugut und das Geschäftsergebnis beim Treuhänder herauszunehmen und dem Treugeber zuzurechnen. Organschaft und Treuhandschaft seien so eng miteinander verwandt, daß nur im Einzelfall darüber entschieden werden könne, was wirklich vorliege. Im Jahr der Gründung sei keine Ergebnisausschlußvereinbarung, sondern ein Treuhandverhältnis in der Satzung der GmbH verankert worden.
Der Vorsteher des Finanzamts hält an der Ansicht fest, daß es sich hier um ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisausschlußvereinbarung handele. Weder die GmbH noch der Bf. hätten in den Jahren nach Gründung der GmbH ihr Verhältnis als Treuhänderschaft aufgefaßt. Die dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich Buchführung und Bilanzierung, hätten nicht vorgelegen. Auch ein sogenanntes atypisches Organschaftsverhältnis könne nicht anerkannt werden. Dazu gebe auch die durch das Flaggenrecht herbeigeführte Gründung der GmbH keine Veranlassung. Es bestehe kein völkerrechtlicher Grundsatz, der die einzelnen Staaten verpflichte, das Recht zur Flaggenführung auch fremden Staatsangehörigen zuzubilligen. Dieses Recht sei erst durch die mit dem Sitz in Deutschland gegründete GmbH erlangt worden. Die Anerkennung einer bloßen Schein-GmbH komme der steuerrechtlichen Billigung der Umgehung flaggenrechtlicher Vorschriften gleich. Auf das Motiv der GmbH- Gründung könne es, wie auch sonst im Steuerrecht, nicht ankommen. Der Bf. werde genau so besteuert wie jeder steuerpflichtige deutsche Staatsangehörige. Eine bevorzugte Behandlung könne er nicht verlangen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß zwischen dem Bf. und der von ihm gegründeten GmbH ein Organschaftsvertrag mit Ergebnisausschlußvereinbarung bestand. Alle dazu erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Abhängigkeit der GmbH von dem Bf. und die für längere Zeit getroffene und durchgeführte Ergebnisausschlußvereinbarung, seien erfüllt. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob bei dem von der Vorinstanz anerkannten Abhängigkeitsverhältnis ein Ergebnisabführungsvertrag steuerlich anzuerkennen wäre. Auch wenn diese Frage zu bejahen wäre, könnte der Bf. seine Auffassung allenfalls mit der Einheits- oder Filialtheorie bei der Organschaft begründen, nach der der Organträger als alleiniger Steuerpflichtiger und das Organ als seine unselbständige Betriebstätte zu behandeln wären. Diese Theorie ist aber in der Rechtsprechung der höchsten Steuergerichte zum Ertragsteuerrecht zu keinem Zeitpunkt vertreten worden. Das Organ ist stets als Steuersubjekt angesehen worden. Wenn auf Grund der Ergebnisausschlußvereinbarung eine Zurechnung des Ergebnisses des Organs beim Organträger erfolgte, so ist nie zugelassen worden, daß bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch das Organ beim Organträger ein nach § 34 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn entstehen könnte. Was dem Bf. zugeflossen ist, erhielt er auf Grund der Ergebnisausschlußvereinbarung und nicht auf Grund einer Geschäftsveräußerung. Diese liegt nicht einmal bei der GmbH vor. Die GmbH befand sich während des Veranlagungszeitraums nur im Stadium der Abwicklung. Mit Wirkung vom 1. Januar 1954 sind nur der Organvertrag und die Ergebnisausschlußvereinbarung erloschen. Selbst wenn eine Geschäftsveräußerung der GmbH anzunehmen wäre, könnte die Steuervergünstigung der §§ 16 Abs. 4, 5 und 34 Abs. 1 EStG auf die GmbH nicht angewendet werden, da diese Vorschriften für die Körperschaftsteuer nicht gelten (§ 15 KStDV).
Es mag dahingestellt bleiben, ob der vom Finanzgericht für möglich gehaltene, vom Bf. als nutzlos bezeichnete Weg der vorherigen Auflösung der GmbH mit anschließender übernahme ihres Vermögens durch den Bf. und der dann erst vorgenommenen Veräußerung der Schiffe zu einem für den Bf. steuerlich vorteilhafteren Ergebnis geführt hätte. Der Vorgang hat sich nicht in dieser Weise abgespielt, so daß er außer Betracht bleiben muß.
Der Bf. macht geltend, daß zwischen ihm und der GmbH ein Fall der unechten Stellvertretung durch Begründung einer Treuhänderschaft (§ 11 Ziff. 3 StAnpG) bestanden hat. Diese komme der Organschaft mit Ergebnisausschlußvereinbarung, die der Bundesfinanzhof im Urteil I 73/54 U vom 8. März 1955 (BStBl 1955 III S. 187, Slg. Bd. 60 S. 489) als " eine Art Treuhandverhältnis" kennzeichnet, ohnehin nahe. Mit der Abgrenzung der Treuhandschaft vom Organverhältnis befaßt sich eingehend das zur Bewertung ergangene Urteil des Reichsfinanzhofs III 58/41 vom 15. Januar 1942 (RStBl 1942 S. 507). Soweit die Ertragsteuern in Frage kommen, muß in übereinstimmung mit diesem Urteil gefordert werden, daß das Treuhandvermögen in der Bilanz des Treugebers dargestellt wird. Bei Vorliegen einer Treuhandschaft muß im Interesse der Bilanzwahrheit aus der Bilanzierung zu erkennen sein, daß die Treuhänderschaft nur nach außen besteht, daß aber im Innenverhältnis der Treugeber (hier der Bf.) der Eigentümer und Berechtigte ist. Das aber ist hier niemals geschehen, und das Finanzamt hat in allen Jahren aus der nach der Behauptung des Bf. allein richtigen Rechtslage niemals entsprechende steuerliche Folgen gezogen. Im vorliegenden Falle sind das Vermögen der GmbH und ihre Gewinne aus ihrer zweckbestimmten Tätigkeit nicht treuhänderisch verwaltet worden.
Dem Umstand, daß sich der Bf. durch die flaggenrechtliche Regelung veranlaßt gesehen hat, eine inländische GmbH zu gründen, hat die Vorinstanz mit Recht keine Bedeutung für die hier zu entscheidende Rechtsfrage beigemessen. Der Senat vermag in der dadurch entstandenen Steuerpflicht weder eine völkerrechtliche Diskriminierung noch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 des Grundgesetzes) noch gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit zu erblicken.
Fundstellen
Haufe-Index 411587 |
BStBl III 1965, 440 |
BFHE 1965, 531 |
BFHE 82, 531 |
BB 1965, 856 |
DB 1965, 1125 |
DStR 1965, 509 |