Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann der Anbau von Fabrikgebäuden an bereits vorhandene Baulichkeiten eine Selbstverbrauchsteuerpflicht begründet.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsklägerin) stellt Badeöfen her. Sie errichtete 1968 auf ihrem Betriebsgrundstück eine zweite Produktionshalle. Diese Halle ist 75m lang und 25m breit. Sie wurde nordwestlich versetzt zu einer bereits vorhandenen Halle errichtet, die 130m lang und 20m breit ist. Beide Hallen verlaufen in Süd-Nordrichtung auf 25m nahe nebeneinander, ohne sich zu berühren. Sie sind über einen Zwischenbau miteinander verbunden, der sich westlich an der alten Halle befindet und an den sich nach Norden die neue Halle anschließt. Die alte Halle und der Zwischenbau gehen ohne Wand ineinander über. Vom Zwischenbau in die neue Halle führt ein 6,25m breiter Durchgang. Die Steuerpflichtige betreibt in beiden Hallen eine fortlaufende Produktion. Ein Transportband führt von der alten Halle über den Zwischenbau in die neue Halle. Die neue Halle ist ohne selbständige Heiz- und elektrische Anlagen. Sie wird von Sammelversorgungsanlagen geheizt und mit Strom versorgt.
Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) unterwarf die Ingebrauchnahme der neuen Produktionshalle der Selbstverbrauchsteuer. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat ausgeführt: Die neue Halle könne nicht als Erweiterung der alten Halle beurteilt werden. Sie sei - weil mit eigenen Außenmauern und Zugängen versehen - unabhängig von der alten Halle nutzbar. Es fehle an der von der Rechtsprechung geforderten Verschachtelung (Urteil des BFH VI 62/65 U vom 20. Oktober 1965, BFH 84, 234, BStBl III 1966, 86). Die neue Halle sei nur über den Durchgang von 6,25m Breite mit der alten Halle verbunden, obwohl eine Verbindung über ca. 50m hinweg möglich gewesen wäre. Der Annahme, die alte Halle sei erweitert worden, stehe auch entgegen, daß das Volumen der neuen Halle im Verhältnis zu der alten Halle erheblich sei.
Die Steuerpflichtige macht mit der Revision geltend: Sie habe die neue Halle nur deswegen seitlich versetzt zu der alten Halle errichtet, weil deren geradlinige Verlängerung nach Norden über die Grundstücksgrenze geführt hätte. Es reiche aus, daß sich die neue Halle an den Zwischenbau anschließe, der bewertungsrechtlich als Teil der alten Halle angesehen worden sei. Der gesamte Hallenkomplex einschließlich der neuen Halle sei auf die Fabrikation von Badeöfen im Fließbandverfahren ausgerichtet. Die Einheitlichkeit komme auch dadurch zum Ausdruck, daß die neue Halle in die zentralen Ringversorgungsanlagen einbezogen worden sei (außer Heizung und Stromversorgung auch die Heiß- und Kaltwasserversorgung, die Gasaufbereitung und Absaugvorrichtung). Es wäre unwirtschaftlich gewesen, sämtliche an die neue Halle anschließenden Mauern der alten Halle und des Zwischenbaus einzureißen, um dann an deren Stelle Trennwände einzubauen. Der 6,25m breite Durchlaß genüge den betrieblichen Erfordernissen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Selbstverbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, im Inland der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt (§ 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967). Hier ist nur streitig, ob die neue Halle ein selbständiges Wirtschaftsgut oder eine Erweiterung der alten Halle ist. Im ersten Fall liegt Selbstverbrauch, im zweiten Fall eine nicht steuerbare Erweiterungsinvestition vor (BFH-Urteil V R 18/71 vom 19. August 1971, BFH 103, 282, BStBl II 1972, 75).
Zutreffend hat das FG die neue Halle als ein selbständiges Wirtschaftsgut angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, wie der Hallenkomplex bewertungsrechtlich behandelt worden ist. Bewertungsrechtliche Grundsätze sind bei der Bestimmung des Begriffs Wirtschaftsgut für Zwecke der Selbstverbrauchbesteuerung nur insoweit heranzuziehen, als sie mit einkommensteuerlichen Grundsätzen übereinstimmen (BFH-Urteil V R 48/71 vom 19. August 1971, BFH 103, 286, BStBl II 1972, 76). Während einkommensteuerlich Gebäude und Grund und Boden verschiedene Wirtschaftsgüter sind (BFH-Beschluß Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968, BFH 94, 124, BStBl II 1969, 108), bilden sie bewertungsrechtlich eine Einheit. Die bewertungsrechtliche Zusammenfassung der beiden Hallen mag aber im Hinblick auf das sie verbindende Fabrikhofgelände gerechtfertigt sein. Einkommensteuerlich und damit auch für Selbstverbrauchsteuerzwecke ist nur auf das Verhältnis der Baukörper zueinander abzustellen.
Die Einkommensteuersenate des BFH haben die Frage, ob Gebäudeanbauten selbständig sind, vor allem im Rahmen des § 7b EStG erörtert. Wenn auch der Begriff Wohngebäude in § 7b EStG in gewissen Beziehungen vom sonstigen Gebäudebegriff abweicht (BFH-Urteil VI 240/61 S vom 27. November 1962, BFH 76, 313, BStBl III 1963, 115) und überdies Wohngebäude nur bedingt mit den hier zu beurteilenden Fabrikgebäuden vergleichbar sind, lassen sich der Rechtsprechung zu § 7b EStG allgemeine Grundsätze dafür entnehmen, welche baulichen und sonstigen Bindungen vereinheitlichend wirken. Gebäude und Anbau müssen in einem starken Ausmaß miteinander verschachtelt sein (Durchlässe, gemeinsame Mauern usw.). Ergänzen sich die Baulichkeiten in ihrer Nutzung, spricht dies für Einheitlichkeit. Gemeinsame Anlagen (Heizung, Elektrizität usw.) begründen hingegen für sich genommen noch keine Einheit (BFH-Urteile IV 532/54 U vom 21. April 1955, BFH 60, 478, BStBl III 1955, 183; VI 62/65 U vom 20. Oktober 1965, a. a. O.). Unabhängig von § 7b EStG hat der IV. Senat des BFH für Betriebsgebäude ausgeführt, die Selbständigkeit eines an die Giebelwand des Altbaus gesetzten Anbaus werde nicht dadurch beeinträchtigt, daß beide durch das Herausbrechen der Giebelwand des Altbaus miteinander verbunden würden (Urteil IV 358/62 U vom 3. Dezember 1964, BFH 81, 463, BStBl III 1965, 168). Der Senat hält es in Übereinstimmung mit der angeführten Rechtsprechung für gerechtfertigt, eine Gebäudeerweiterung anzunehmen, wenn der angefügte Neubau als Teil des schon vorhandenen Gebäudes erscheint. Der Neubau muß im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude wert- und größenmäßig untergeordnet sein. Gebäude und Anbau müssen miteinander verschachtelt sein. Sind sie in ihrer Nutzung aufeinander abgestimmt, so spricht dies für Einheitlichkeit. In Grenzfällen wird die Entscheidung letztlich nur nach den Umständen des Einzelfalls getroffen werden können.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die neue Halle der alten Halle - wie das FG meint - wert- und größenmäßig untergeordnet ist. Gegen die Auffassung des FG könnte sprechen, daß die alte Halle und der Zwischenbau eine Einheit bilden dürften, die wesentlich größer als die neue Halle wäre. Der Steuerpflichtigen ist auch einzuräumen, daß die Baulichkeiten in ihrer fabrikmäßigen Nutzung aufeinander abgestimmt sind (Fließbandproduktion). Es fehlt jedoch an einer ausreichenden baulichen Verschachtelung. Die neue Halle ruht gänzlich auf eigenen Fundamenten und hat eigene Wände. Die einzige Verbindung ist der Durchlaß zum Zwischenbau von 6,25m Breite, der zwar den betrieblichen Erfordernissen genügen mag, jedoch bautechnisch gesehen verhältnismäßig klein ist. Die neue Halle hat nach den Feststellungen des FG an ihrer westlichen Seite eine eigene Laderampe und ein großes Tor, so daß ihre Nutzung nicht von diesem Durchlaß abhängig ist. Während die neue Halle und der Zwischenbau wenigstens aneinanderstoßen, sind die beiden Hallen, soweit sie in der Längsrichtung auf ca. 25m nebeneinanderlaufen, sogar durch einen Zwischenraum getrennt. Die neue Halle steht seitlich versetzt zur alten Halle, so daß sie auch äußerlich nicht das Bild einer Erweiterung bietet. Es kann dahingestellt bleiben, ob die neue Halle als Erweiterung zu beurteilen gewesen wäre, wenn sie im Anschluß an die alte Halle hätte fortgeführt werden können und fortgeführt worden wäre. Die Besteuerung kann sich nur an den tatsächlichen Verhältnissen ausrichten. Die Ringversorgungsanlagen schaffen eine Verbindung schon deswegen nicht, weil sie nach Darstellung der Steuerpflichtigen von einer Zentrale aus gespeist werden, also dem gesamten Fabrikationsbetrieb dienen und sonach nicht gerade eine Zuordnung der neuen zur alten Halle begründen können.
Fundstellen
BStBl II 1972, 681 |
BFHE 1972, 409 |