Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung eines Gewerbesteuermessbescheides bei verdeckter Mitunternehmerschaft
Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens kommt der besondere Abzug nach § 118 Abs.1 Nr.3 BewG nur dann in Betracht, wenn das Wirtschaftsjahr des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmt.
Orientierungssatz
Der Begriff des Wirtschaftsjahres i.S. des § 35 Abs. 2 BewG entspricht dem des ertragsteuerlichen Wirtschaftsjahres (vgl. RFH-Urteil vom 19.12.1928 VI A 398/27).
Normenkette
BewG 1974 § 118 Abs. 1 Nr. 3, § 35 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (Gemüseanbau). Das für die Gewinnermittlung maßgebliche Wirtschaftsjahr des buchführenden Betriebs ist das Kalenderjahr.
In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des Vermögens von Gemeinschaften auf den 1.Januar 1983 gaben die Kläger ihr land- und forstwirtschaftliches Vermögen in Höhe des Einheitswerts mit 71 700 DM und das sonstige Vermögen mit 7 291 DM an. Als Abzüge machten die Kläger sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von 1 671 DM sowie den besonderen Abzug für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft nach § 118 Abs.1 Nr.3 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 37 372 DM geltend, dessen Berechnung sie in einer Anlage darlegten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) versagte bei der gesonderten Feststellung des Vermögens durch Bescheid vom 22.Juni 1984 den geltend gemachten besonderen Abzug nach § 118 Abs.1 Nr.3 BewG. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter. Sie rügen die Verletzung des § 118 Abs.1 Nr.3 i.V.m. § 35 Abs.2 BewG und beantragen, unter Aufhebung des Feststellungsbescheids des FA vom 22.Juni 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie des Urteils der Vorinstanz das Vermögen auf den 1.Januar 1983 um 37 372 DM niedriger festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat den von den Klägern geltend gemachten besonderen Abzug nach § 118 Abs.1 Nr.3 BewG zu Recht versagt.
1. Nach dieser Vorschrift sind zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens vom Rohvermögen abzuziehen "bei Inhabern von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft zur Abgeltung des Überschusses der laufenden Betriebseinnahmen über die laufenden Betriebsausgaben, der nach dem Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (§ 35 Abs.2 BewG) entstanden ist, ein Achtzehntel des Wirtschaftswerts des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft; bei buchführenden Inhabern von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft kann statt dessen auf Antrag der nachgewiesene Überschuß der laufenden Betriebseinnahmen über die laufenden Betriebsausgaben abgezogen werden, soweit er am Veranlagungszeitpunkt noch vorhanden ist oder zur Tilgung von Schulden verwendet worden ist, die am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres bestanden haben und mit dem Wirtschaftsteil des Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen."
Durch diese Regelung soll eine doppelte vermögensteuerliche Erfassung vermieden werden, die sich daraus ergeben kann, daß einerseits im Einheitswert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft die umlaufenden Betriebsmittel nach dem Stand vom Ende des Wirtschaftsjahres erfaßt werden und sich andererseits aus der Veräußerung umlaufender Betriebsmittel zwischen dem Ende des Wirtschaftsjahres und dem Veranlagungszeitpunkt ein Einnahmeüberschuß ergibt, der am Veranlagungszeitpunkt noch im sonstigen Vermögen enthalten ist. Das bedeutet, daß der besondere Abzug nach § 118 Abs.1 Nr.3 BewG nur dann in Betracht kommt, wenn das Wirtschaftsjahr des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Denn nur in diesem Fall kann zwischen dem ―vom 31.Dezember abweichenden― Abschlußzeitpunkt und dem Veranlagungszeitpunkt (1.Januar) ein Einnahmeüberschuß entstehen. Die Vorschrift des § 118 Abs.1 Nr.3 BewG stellt hierbei auf das Wirtschaftsjahr des einzelnen Betriebs ab. Dies folgt aus der Bezugnahme auf § 35 Abs.2 BewG, wonach für die umlaufenden Betriebsmittel der Stand am Ende des Wirtschaftsjahres entscheidend ist, das dem Feststellungszeitpunkt vorangegangen ist. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, entspricht der Begriff des Wirtschaftsjahres i.S. des § 35 Abs.2 BewG dem des ertragsteuerlichen Wirtschaftsjahres; dessen letzter Tag ist der maßgebende Zeitpunkt für die Ermittlung der über den normalen Bestand hinausgehenden Überbestände an umlaufenden Betriebsmitteln nach § 33 Abs.3 Nr.3 BewG. Hiervon ist bereits der Reichsfinanzhof (RFH) in seiner Entscheidung vom 19.Dezember 1928 VI A 398/27 (RFHE 25, 17, RStBl 1929, 165) zur Frage des Überbestands an umlaufenden Betriebsmitteln ausgegangen. Auch soweit in anderen Vorschriften des BewG zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Begriff des Wirtschaftsjahres verwendet wird (vgl. § 51 Abs.1 und § 54 Abs.1 BewG), wird auf das im Einzelfall für die Ertragsteuer maßgebende Wirtschaftsjahr abgestellt.
Der Wortlaut des § 35 Abs.2 BewG läßt insoweit keine Zweifel offen. Er schließt sich an die entsprechenden Vorschriften des § 14 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) 1925 und des § 32 Abs.2 RBewG 1934 an. Danach war hinsichtlich der umlaufenden Betriebsmittel zwar grundsätzlich "der 30.Juni des Jahres maßgebend, das dem Feststellungszeitpunkt vorangeht". Sowohl in § 14 Abs.2 RBewG 1925 als auch in § 32 Abs.2 RBewG 1934 war jedoch ausdrücklich festgelegt, daß an die Stelle des 30.Juni der letzte Tag des maßgebenden Wirtschaftsjahres tritt, wenn für den buchführenden Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ein Wirtschaftsjahr maßgebend ist, das nicht mit dem 30.Juni endet. Die Neufassung des § 35 Abs.2 BewG brachte insoweit keine inhaltliche Änderung; wie aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, wurde lediglich zur redaktionellen Vereinfachung allgemein der letzte Tag des dem Feststellungszeitpunkt vorangehenden Wirtschaftsjahres als Bewertungsstichtag bestimmt (BRDrucks 256/63 S.41).
2. Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es nicht darauf an, welcher Zeitpunkt bei der Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs als Stichtag für den Umfang und den Wert der umlaufenden Betriebsmittel allgemein zugrunde gelegt wurde. Zwar trifft der Hinweis der Kläger zu, daß es sich bei der Einheitsbewertung um ein typisierendes Verfahren handelt. Die Bewertung des Wirtschaftsteils eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft erfolgt regelmäßig nach dem in einem vergleichenden Verfahren zu ermittelnden Ertragswert (§ 37 Abs.1 BewG). Dabei sind die Ertragsbedingungen des zu bewertenden Betriebs durch einen unmittelbaren Vergleich mit den gegendüblichen Ertragsbedingungen der nach Maßgabe des § 39 BewG festgelegten Haupt-, Landes- oder Ortsbewertungsstützpunkte zu beurteilen. Das bedeutet jedoch nicht, daß damit bezüglich der umlaufenden Betriebsmittel auch der für den zum Vergleich herangezogenen Bewertungsstützpunkt maßgebliche Abschlußzeitpunkt ―das ist bei einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in der Regel der 30.Juni (vgl. § 4a Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―)― als Abschlußzeitpunkt für den zu bewertenden Betrieb fingiert wird. Dagegen spricht ―wie oben unter Nr.1 dargelegt wurde― sowohl der eindeutige Wortlaut des § 35 Abs.2 BewG, wonach ―bezogen auf den einzelnen Betrieb (vgl. auch § 35 Abs.1 BewG)― für die umlaufenden Betriebsmittel der Stand am Ende des Wirtschaftsjahres maßgebend ist, das dem Feststellungszeitpunkt vorangegangen ist, als auch die Überlegung, daß anderenfalls jeder Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unabhängig vom Ende des im Einzelfall geltenden Wirtschaftsjahres den besonderen Abzug nach § 118 Abs.1 Nr.3 BewG zumindest in Höhe von einem Achtzehntel des Wirtschaftswerts beanspruchen könnte. Damit würde im Ergebnis bei der Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens ein zusätzlicher allgemeiner Freibetrag gewährt. Dies widerspräche jedoch der Systematik des § 118 BewG, der einen Schuldabzug nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe der Verhältnisse des Einzelfalles zuläßt.
3. Beim Vergleich der Ertragsbedingungen werden die tatsächlichen Gegebenheiten nur bezüglich der in § 38 Abs.2 Nr.1 BewG genannten natürlichen und wirtschaftlichen Ertragsbedingungen zugrunde gelegt. Hinsichtlich aller übrigen wirtschaftlichen Ertragsbedingungen (vgl. § 38 Abs.2 Nr.2 BewG) werden dagegen ungeachtet der tatsächlichen Gegebenheiten die regelmäßigen Verhältnisse der betreffenden Gegend berücksichtigt. Abweichungen gegenüber diesen unterstellten gegendüblichen Verhältnissen (z.B. bezüglich stehender oder umlaufender Betriebsmittel) können nur unter den Voraussetzungen des § 41 Abs.1 BewG durch Ab- und Zuschläge ausgeglichen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7.Oktober 1955 III 77/54 U, BFHE 61, 453, BStBl III 1955, 375, 377). Hierfür ist der Stand am Bewertungsstichtag entscheidend; dies ist bezüglich der umlaufenden Betriebsmittel nach § 35 Abs.2 BewG das Ende des maßgebenden Wirtschaftsjahres, im Streitfall also der 31.Dezember 1982. Individuelle Besonderheiten hinsichtlich des gegendüblichen Bestands an umlaufenden Betriebsmitteln, der allein im Ertragswert als erfaßt gilt, sind daher regelmäßig schon beim Ertragswert berücksichtigt; denn Veräußerungen aus diesem Bestand, deren Erlös im sonstigen Vermögen erfaßt werden könnte, sind nicht denkbar. Ebensowenig ist eine Doppelerfassung hinsichtlich des Überbestandes möglich. Während bei einem Ende des Wirtschaftsjahres zum 30.Juni der Überbestand zu diesem Stichtag festgestellt wird, spätere Erlöse aber im sonstigen Vermögen erfaßt werden, ist bei einem Ende des Wirtschaftsjahres zum 31.Dezember eine Veränderung des Überbestandes an umlaufenden Betriebsmitteln nicht mehr möglich, da diese Größe zu dem Feststellungszeitpunkt ermittelt wird (§ 35 Abs.2 BewG). Ob bei der Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ein Abschlag nach § 41 BewG wegen der von den Klägern bezüglich der umlaufenden Betriebsmittel geltend gemachten Abweichung von den gegendüblichen Verhältnissen in Betracht kommt, war im Streitfall bei der Feststellung des Vermögens jedoch nicht zu prüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 63632 |
BFH/NV 1991, 42 |
BStBl II 1991, 560 |
BFHE 164, 110 |
BFHE 1992, 110 |
BB 1991, 1184 (L) |
DB 1991, 1814 (LT) |
HFR 1991, 582 (LT) |
StE 1991, 214 (K) |