Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat verbleibt bei Rechtssatz 2 der Entscheidung I 113/52 U vom 10. Februar 1953.
Wird eine Pensionszusage erst nach Ablauf einer bestimmten Dienstzeit erteilt, so ist zu prüfen, ob die Pensionszusage teilweise zusätzliches Entgelt für die abgelaufene Dienstzeit darstellt. Soweit das der Fall ist, kann die Pensionslast im Jahre der Zusage in voller Höhe passiviert werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung einer Pensionsrückstellung der Höhe nach. Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) hat im Jahre 1952 drei Angestellten Pensionsversprechen gemacht. Als Muster für die drei gleichlautenden Zusagen reichte sie ein Schreiben dem Finanzgericht ein, in dessen erstem Absatz folgendes ausgeführt wird: "Als Nachleistung für die von Ihnen in unserer Firma seit März 1909 verbrachte Dienstzeit und in Anerkennung Ihrer Verdienste um die Firma sowie im Bestreben, Ihre Verbundenheit mit unserem Betrieb weiter zu fördern, geben wir Ihnen folgendes Pensionsversprechen ....." Anschließend sind Altersversorgung, Invalidenrente, Hinterbliebenenversorgung, Abfindung, Erlöschen des Versorgungsversprechens und weitere Einzelpunkte geregelt.
In der Bilanz zum 31. Dezember 1952 hat die OHG für die drei Pensionszusagen auf Grund eines versicherungsmathematischen Gutachtens gewinnmindernde Pensionsrückstellungen in folgender Weise gebildet: Die Rückstellungen bestehen in zwei Teilen, und zwar aus
einem Anteil, der für den in der Vergangenheit erworbenen Anspruch gedacht ist und
einem Anteil, der zur Abdeckung der noch in der Zukunft zu verdienenden Versorgung benötigt wird.
Der unter a) aufgeführte Anteil vermehrt sich bis zum Eintritt des Versorgungsfalles nur noch um den Zinsertrag, vergrößert sich also nur geringfügig. Der unter b) geschilderte Rückstellungsbetrag wird in der Zukunft weiter aufgestockt (Zinsen zuzüglich normale Zuführung) bis beide Beträge zusammen das benötigte Kapital beim Pensionsalter ergeben.
Die OHG stellte auf der Grundlage dieses Gutachtens in der Bilanz zum 31. Dezember 1951 82 118 DM zurück.
Das Finanzamt erkannte die Berechnungsmethode der Firma der Höhe nach nicht an, sondern nur insoweit, als sie sich nach einer gleichmäßigen Bildung der Rückstellung vom Datum der Pensionszusage ab bis zum Eintritt des Pensionsfalles berechnet. Nach dieser Berechnungsmethode ergibt sich eine Pensionsrückstellung zum 31. Dezember 1952 von 10 870 DM.
Das Finanzgericht sah die Sprungberufung als sachlich begründet an. Es nahm hierbei wie folgt Stellung:
Sofern einem Arbeitnehmer erst nach Ablauf einer gewissen Dienstzeit eine Pensionszusage gemacht werde, halte das Finanzgericht in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil I 113/52 U vom 10. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 254, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 102) die Prüfung für notwendig, ob die Pension erst durch die künftigen Arbeitsleistungen verdient werden solle oder ob die Pensionszusage teilweise ein zusätzliches Entgelt für die bereits abgeleistete Dienstzeit darstelle. Soweit das letztere der Fall sei, könne dieser Betrag bereits im Jahre der Pensionszusage passiviert werden. Im vorliegenden Falle seien an drei Angestellte Pensionszusagen gemacht worden. Der Tatbestand ergebe eindeutig, daß die Pensionszusagen teilweise Nachleistungen für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste darstellten. Gegen das versicherungsmathematische Gutachten bestünden keine Bedenken. Die Rückstellung zum 31. Dezember 1952 in Höhe von 82 118 DM sei somit berechtigt.
Es sei auch nicht zutreffend, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs einen völligen Bruch mit der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bedeute. Auch der Reichsfinanzhof habe bei Zusagen an Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausscheidens die Rückstellung mit einem einmaligen Betrag zugelassen (Urteile des Reichsfinanzhofs VI 387/39 vom 2. August 1939, Slg. Bd. 47 S. 215, Reichssteuerblatt - RStBl. - S. 1078, und I 233/39 vom 16. Januar 1940, RStBl. S. 489). Nach Auffassung des Finanzgerichts sei erst durch den § 6 a des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1955 die Rechtsgrundlage geändert worden.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist der Ansicht, daß es den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten am besten Rechnung trage, wenn in jedem Jahre bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers der Unterschied zwischen dem versicherungsmathematischen Gegenwartswert am Beginn und Ende des Wirtschaftsjahres der Rückstellung zugeführt werde. Sie stützt sich im einzelnen auf Ausführungen von Lenski in der Deutschen Steuerzeitung 1953 A S. 385. Die gleiche Auffassung habe bisher eine Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Hamburg vertreten, die sowohl von den Finanzverwaltungen wie von der Wirtschaft anerkannt worden sei. Die Auffassung des Finanzgerichts habe zur Folge, daß eine Firma die Möglichkeit habe, in Jahren besonders hoher Gewinne durch Pensionszusagen ihr Ergebnis wesentlich zu mindern.
Die Firma tritt in ihrer Stellungnahme der Auffassung des Finanzamts entgegen, daß die Wirtschaft ebenfalls die gleichmäßige Verteilung, wie sie vom Finanzamt beantragt werde, als zutreffend ansehe. Das Gegenteil sei der Fall. Dies komme insbesondere in einem Aufsatz des Versicherungsmathematikers Dr. Heubeck in "Die Wirtschaftsprüfung" Nr. 9/1955 S. 205-207 zum Ausdruck.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat unter anderem folgende Ausführungen gemacht:
"Nach der herrschenden handelsrechtlichen Praxis hat der Unternehmer die Möglichkeit zu entscheiden, ob er der aus einer Pensionszusage entstehenden Verpflichtung bereits in den Bilanzen bis zum Eintritt des Versorgungsfalls Rechnung tragen will oder ob er bei Eintritt des Versorgungsfalls aus dem laufenden Gewinn die Pensionszahlung bestreiten möchte. Dieses von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannte Wahlrecht schließt aber m. E. von vornherein aus, daß in der Pensionszusage Aufwand für die vorangegangene Dienstzeit liegen kann; denn bei Vorliegen von Aufwand der vorangegangenen Wirtschaftsjahre müßte die sofortige erfolgswirksame Verbuchung verlangt werden.
Hoffmann (Sonderdienst für betriebliche Altersversorgung 1954 S. 41) will deshalb auch insbesondere in den Fällen, in denen die Pensionszusage wenige Jahre vor der Pensionierung gegeben wird und eine gleichmäßige Verteilung der Rückstellungsbeträge auf die Restdienstzeit einen unangemessenen Lohn ergibt, einen Zwang zur Einmalrückstellung aussprechen. Dem Steuerpflichtigen soll es also nicht möglich sein, die Bildung der Rückstellung voll auf die restliche Aktivitätszeit zu verteilen, weil in der Pensionszusage Aufwand für die zurückliegende Zeit enthalten sei.
Diese neue Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs über die Passivierungspflicht der Einmalrückstellung in bestimmten Fällen bedeutet eine wesentliche Einschränkung des bisherigen Wahlrechts.
In dem Fachgutachten Nr. I/1951 - in der Fassung von 1953 - des Instituts der Wirtschaftsprüfer über die Bilanzierung von Pensionsverbindlichkeiten (Wirtschaftsprüfung 1953 S. 356) wird nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung die Bilanzierungspflicht für Pensionsverbindlichkeiten vorausgesetzt, aber nur eine gleichmäßige Verteilung der Rückstellung bis zum Eintritt des Versorgungsfalls gefordert. Es heißt dort in Ziff. I Abs. 3 des Gutachtens: "Erwirbt der Berechtigte zunächst nur eine Pensionsanwartschaft, so ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung der Aufwand, den die Erfüllung der Pensionsverbindlichkeit voraussichtlich erfordern wird, auf die Geschäftsjahre vom Zeitpunkt der Pensionszusage ab bis zum vereinbarten oder üblichen Pensionierungsalter durch entsprechende Rückstellungsbildung zu verteilen".
Mit Recht wird in dem Gutachten ein Zusammenhang zwischen dem Lohn des Pensionsberechtigten bis zum Eintritt des Versorgungsfalls und der Pensionsanwartschaft nicht hergestellt. Es wird nur verlangt, daß der Aufwand, den die Erfüllung der Pensionsverbindlichkeit in der Zukunft voraussichtlich erfordert, auf die künftigen Geschäftsjahre verteilt wird. Es wird angeregt, die Spitzenverbände der Wirtschaft oder das Institut der Wirtschaftsprüfer gutachtlich zu hören.
Geht man aber davon aus, daß eine Pensionszusage Aufwand für die vorangegangene Dienstzeit enthalten kann, weil die Pension nicht "erst durch die künftigen Arbeitsleistungen erdient werden soll", dann dürfte in der überwiegenden Zahl der Fälle die Vermutung bestehen, daß die Pensionszusage auch im Hinblick auf die bisherige längere Dienstzeit und Betriebstreue gegeben wurde. Grundsätzlich sollte das Motiv für die Pensionszusage bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen keine Rolle spielen. Wird aber das Motiv berücksichtigt, dann würde in der Mehrzahl der Fälle, in denen die Pensionszusage während eines laufenden Arbeitsverhältnisses gegeben wird, die Vermutung bestehen, daß durch die Pensionszusage auch die zurückliegenden Dienstjahre anerkannt werden sollen. Es kann dann nicht nur darauf ankommen, welche Wortfassung die Pensionszusage im Einzelfall enthält. Wird z. B. einem Arbeitnehmer nach 15-jähriger Betriebszugehörigkeit eine Pension von 50 % des Endgehalts zugesagt, die nach weiteren zehn Jahren fällig werden soll, so kann m. E. dieser Tatbestand bei allen Arbeitnehmern nur einheitlich beurteilt werden. Es erscheint mir nicht angängig, wenn ein Betrieb in diesem Fall bei der Berechnung der Pensionsrückstellung eine Berücksichtigung der rückliegenden Dienstzeit zugrunde legen kann, während ein anderer Betrieb lediglich von einer Belastung der Zukunft ausgeht. Hoffmann a. a. O. will die Entscheidung von der Frage abhängig machen, ob die "künftige Pension in der Restdienstzeit oder in der Gesamtdienstzeit erdient wird". Man müsse "den künftigen Lohn mit den Anwartschaften ermitteln und zu diesem Zweck prüfen, ob die Gesamtsumme (Barlohn und Anwartschaft) keine übersetzten Beträge ergibt". Diese Prüfung wird in den Fällen nicht weiter helfen, in denen zwischen der Pensionszusage und dem vereinbarten Beginn der Pensionszahlungen ein größerer Zeitraum liegt. In diesem Fall werden in der Regel "Barlohn plus Anwartschaften" keinen unangemessenen Lohn ergeben, so daß die Verteilung der Pensionsrückstellungen verlangt werden müßte. Bedenklich ist auch bei diesem Verfahren, daß die Verwaltung die Angemessenheit des Lohns nachprüfen soll".
Der Senat hat dem Deutschen Industrie- und Handelstag die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben. Dieser hat sich u. a. wie folgt geäußert:
"I. Nicht folgen können wir den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen, nach denen die neue Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs eine wesentliche Einschränkung des Wahlrechts bedeuten soll. Zunächst vermögen wir dem einschlägigen Teil der Begründung des Urteils vom 10. Februar 1953 nichts über eine Passivierungspflicht insoweit zu entnehmen. Es wird dort nur von einer Passivierungsmöglichkeit gesprochen ("kann"). Das Wahlrecht wird hierdurch in keiner Weise angetastet. Es soll vielmehr fortan auch sinngemäß angewendet werden auf die Fälle, in denen der Unternehmer sich auf Grund der Verhältnisse seines Betriebes für die Passivierung seiner Pensionsverpflichtungen entschieden hat und in der Pensionszusage Anwartschaften auch für den bereits abgelaufenen Teil der gesamten Dienstzeit des Arbeitnehmers im Betrieb zuerkennt.
II. Nach unserer Auffassung ist das Ergebnis, zu dem der Bundesfinanzhof gekommen ist, auf den folgenden betriebswirtschaftlich einwandfreien und auch steuerrechtlich nicht angreifbaren Gedankengang zurückzuführen, den wir nachstehend an Hand eines Beispiels entwickeln:
Beispiel Wird einem Angestellten, der mit 30 Jahren in den Betrieb eingetreten ist und dort voraussichtlich bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres tätig sein wird, nach 15 Dienstjahren eine Pensionszusage erteilt, so steht ihm voraussichtlich eine weitere Dienstzeit von 20 Jahren noch bevor.
Wird die Pensionszusage nun auch im Hinblick auf die bereits zurückgelegten 15 Dienstjahre erteilt, so ist es gerechtfertigt, daß der Unternehmer die Pensionsverpflichtung als eine sich aus der gesamten 35jährigen Dienstzeit ergebende Belastung betrachtet. Allein aus diesem Gesichtspunkt ist es in diesen Fällen betriebswirtschaftlich geboten, für das Zusagejahr eine verstärkte Rückstellung, nämlich eine Einmalrückstellung, für den auf die bereits abgeleisteten Dienstjahre entfallenden Teil der Gesamtverpflichtung zu gestatten. Die vom Bundesfinanzhof zugelassene Einmalrückstellung ist mithin berechtigt und gewährleistet eine befriedigende und gerechte Lösung.
Ob im Einzelfall die Pensionszusage auch im Hinblick auf die schon geleisteten Dienstjahre gegeben wird, kann sich aus einer ganz eindeutigen Erklärung bei der Zusage ergeben. So liegt der Fall hier. Ein anderes eindeutiges Kriterium wäre z. B., daß sich die Höhe der Pension nach der Zahl der Dienstjahre richtet und hierbei auch die vor der Zusage liegenden Dienstjahre Berücksichtigung finden. Es kann sich aber auch aus sonstigen betrieblichen Umständen ergeben.
Auch nach den Grundsätzen der dynamischen Bilanz ist es berechtigt, eine Pensionszusage unter Einbeziehung der bereits abgeleisteten Dienstzeit in erster Linie im Zusagejahr zu berücksichtigen, da dann in diesem der Schwerpunkt des betrieblichen Aufwandes des Unternehmers für das Eingehen der Pensionsverpflichtung liegt. Hierzu darf vor allem auf die Ausführungen von Hoffmann, Steuerberater-Jahrbuch 1954/55 S. 33 verwiesen werden.
Die Berücksichtigung der bereits abgeleisteten Dienstzeit bei der Pensionszusage gehört überdies u. E. nicht zu den "Motiven" der Pensionszusage, wie der Bundesminister der Finanzen anzunehmen scheint, sondern zu deren Bedingungen und muß daher auf jeden Fall auch bei der steuerrechtlichen Behandlung berücksichtigt werden.
III. In der Rechtsbeschwerdebegründung des Finanzamts wird als Argument gegen die vom Bundesfinanzhof zugelassene Einmalrückstellung angeführt, daß bisher weder von der Wirtschaft noch von den Sachverständigen eine derartige Finanzierungsmethode gefordert worden ist. Hierzu ist folgendes zu sagen:
Die Pensionsrückstellungen sind eines der Rechtsgebiete, auf denen der frühere Reichsfinanzhof im Rahmen der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften bahnbrechend tätig war und erst die Grundlagen für deren steuerrechtliche Behandlung erarbeitet hat. Gerade auf solchen Rechtsgebieten ist es vornehmste Aufgabe DER höchstrichterlichen Rechtsprechung, diese nicht erstarren zu lassen, sondern sie den jeweiligen wirtschaftlichen Tatbeständen anzupassen und die erst später anerkannten Lücken zu schließen. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Wirtschaft kann dem Bundesfinanzhof nur dankbar sein, daß er die Tradition des Reichsfinanzhofs auch in dieser Beziehung fortführt und in dem Urteil vom 10. Februar 1953 eine Lösung gefunden hat, die weder handels- noch steuerrechtlich angreifbar sein dürfte".
Auf die Ausführungen des Bundesministers der Finanzen hinsichtlich der Bedeutung des Fachgutachtens des Institutes der Wirtschaftsprüfer erwidert die Steuerpflichtige folgendes:
Der Hinweis des Bundesministers der Finanzen auf das Fachgutachten sei fehl am Platze. Das Fachgutachten ziehe offensichtlich Folgerungen aus einem Fall, der von einer Versorgungszusage beim Eintritt in ein Dienstverhältnis ausgehe. über den Fall, daß Pensionszusagen erst nach Ablauf gewisser Dienstjahre gewährt würden, und den sich daraus ergebenden handels- und bilanzrechtlichen Folgen sei noch nichts ausgesagt. Auch stehe nicht in den Fachgutachten, daß die Pensionslast auf die zukünftige Dienstzeit gleichmäßig verteilt werden solle. Es stehe darin nur, daß sie verteilt werden solle. Wie sie zu verteilen sei, sei eine Frage der versicherungsmathematischen Berechnung.
Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung, inwieweit die Pension erst in der Zeit nach Zusage des Pensionsrechtes erdient werde, bestreitet die Firma. In den neuerdings für ganze Belegschaften aufgestellten Pensionsordnungen sei meist eindeutig klargestellt, in welchem Umfange bei Schaffung der Pensionsordnung die Dienstleistungen der rückliegenden Jahre nachträglich honoriert würden. So heiße es in der Pensionsordnung der eisenschaffenden Industrie, die vor einigen Jahren für alle aus der Konzernentflechtung entstandenen Einheitsgesellschaften geschaffen worden sei, daß sich die Renten aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammensetzten. Dabei werde der Steigerungsbetrag für alle anrechnungsfähigen Dienstjahre gewährt. Als anrechnungsfähige Dienstzeit gelte die Zeit, die der Werksangehörige nach Vollendung des 20. Lebensjahres im Werk verbracht habe.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat für die buchmäßige Behandlung der Pensionsverpflichtungen dem Arbeitgeber ein Wahlrecht eingeräumt. Er kann für seine Verpflichtung gegenüber Arbeitnehmern, die sich noch im Dienst befinden, eine Rückstellung in der Bilanz bilden, oder er kann die künftigen Pensionszahlungen als laufende Unkosten der Jahre der Pensionszeit betrachten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 247, 248/33 vom 3. Juli 1934, Slg. Bd. 36 S. 252, RStBl. S. 1121; I A 110/36 vom 31. August / 23. November 1937, Slg. Bd. 42 S. 327, RStBl. 1938 S. 85; I 143/38 vom 25. Oktober 1938, Slg. Bd. 45 S. 103, RStBl. 1939 S. 175). Der Senat hat, wie sich aus Ziff. 3 des Urteils I 113/52 U vom 10. Februar 1953, Slg. Bd. 57 S. 254, BStBl. III S. 102, ergibt, an dem Wahlrecht des Kaufmannes festgehalten. Die umstrittene Frage berührt das Rechtsproblem des Wahlrechts nicht. Es handelt sich ausschließlich darum, wie die Rückstellung zu bemessen ist, wenn ein Kaufmann sich für das System der Bildung einer Rückstellung entschieden hat.
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs können Rückstellungen für die Pensionsverpflichtungen gebildet werden. Die Rb. ist der Ansicht, daß die Zuführungen zu dem Passivposten vom Zeitpunkt der Pensionszusage bis zum Eintritt des Pensionsfalls jährlich im wesentlichen gleichmäßig bemessen werden müssen. Dieser Auffassung liegt der Gedanke zugrunde, bei der Firma einen Fond bis zum Eintritt des Pensionsfalles anzusammeln, der die erforderlichen Gelder zur Zahlung der Pensionen sicherstellt. Die Rb. will deshalb die Beträge für die Zuführungen auf der Grundlage einer gedachten Rückversicherung des Betriebes bei einem Versicherungsunternehmen bemessen.
Das Wesen der Rückstellung besteht in einer Verpflichtung zu einer dritten Person oder in einer sonstigen bilanzierungsfähigen Last i. S. der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 149/54 S vom 19. Juli 1955, BStBl. III S. 266. Eine Rückstellung setzt ein selbständig bewertungsfähiges Gut voraus, für das Anschaffungskosten und für das ein Teilwert gegeben sind. Die Ansammlung von Mitteln zur Sicherung der Abdeckung künftiger Ausgaben in der Bilanz hat die Rechtsprechung nicht als eine gewinnmindernde Rückstellung anerkannt, sondern als eine Rücklage, d. h. als einen Teil des Kapitals angesehen. Die Unterscheidung hat eine wesentliche Rolle bei der Bilanzierung der unterlassenen Instandhaltungsaufwendungen gespielt (siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 309/30 vom 22. Juli 1932, RStBl. S. 832, und Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 54/54 U vom 15. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 448, BStBl. III S. 172). Der Passivposten für die Pensionsverpflichtungen erfüllt die rechtlichen Voraussetzungen einer Rückstellung. Auf Grund der Pensionszusage besteht eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber einem Dritten, dem Arbeitnehmer. Diese Verpflichtung hat einen Teilwert. Jeder Käufer des Unternehmens würde sie bei Bemessung des Kaufpreises berücksichtigen. Es sind auch Anschaffungskosten gegeben. Sie bestehen in den Leistungen des Arbeitnehmers, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob sie in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen.
Die wirtschaftliche Beurteilung des Vorganges durch die Rb. gründet sich auf Gedankengängen für die Bildung einer Rücklage. Sie übersieht, daß eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer in der Bilanz ausgewiesen werden soll. Handelt es sich um eine Rückstellung, so müssen die allgemeinen Grundsätze des Handels- und Steuerrechtes für Rückstellungen angewendet werden.
Nach § 40 HGB sind Schulden nach dem Werte anzusetzen, der ihnen am Bilanzstichtag zukommt. § 133 des Aktiengesetzes enthält keine ausdrückliche Vorschrift für Verbindlichkeiten. § 129 des Aktiengesetzes fordert aber allgemein, daß die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beachtet werden. Hieraus ergibt sich, daß Verbindlichkeiten mindestens mit ihrem Teilwert in der Bilanz anzusetzen sind. Man könnte bei Pensionsverpflichtungen gegen diese Grundsätze hinsichtlich der Passivierungspflicht Einwendungen erheben, die man auf das in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs anerkannte Wahlrecht des Kaufmannes stützt. Aber nach dem Wortlaut des Gesetzes muß jedenfalls auch für Pensionsverpflichtungen das Recht des Kaufmannes anerkannt werden, die Verpflichtungen mit ihrem tatsächlichen Wert anzusetzen und es kann steuerlich nicht geltend gemacht werden, daß dieser Wert dem § 6 Ziff. 3 EStG widerspreche. Es wird die steuerlich vorgeschriebene Wertgrenze nicht überschritten.
Für die Pensionsverpflichtungen hat die Rechtsprechung anders als bei dem sogenannten Zwischenwert (Wertansatz zwischen den Anschaffungskosten und dem Teilwert der Anlagegüter, Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 179/39 vom 21. Juni 1939, RStBl. S. 970) das freie Ermessen des Kaufmannes bei den Zuführungen zur Rückstellung eingeschränkt. Der Reichsfinanzhof hat insbesondere das Verbot der Nachholung unterlassener Rückstellungen ausgesprochen. Der Kaufmann soll nicht in die Lage versetzt werden, die für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr getroffene Wahl auf diese Weise in späteren Jahren zu ändern (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 880/28 vom 5. Februar 1929, RStBl. S. 331). Es muß deshalb die Frage geprüft werden, ob im Streitfalle durch die Firma gegen diese Grundsätze verstoßen worden ist. Sie ist zu verneinen.
Hat ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Pensionszusage gegeben, die zum Teil in der bisherigen Dienstzeit begründet ist, so scheidet die Frage der Nachholung unterlassener Rückstellungen für dieses Jahr aus. Die Verpflichtung ist erst durch die Zusage entstanden. Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß bereits der Reichsfinanzhof von dieser Ansicht ausgegangen ist. Er hat in den vom Finanzgericht angeführten Entscheidungen VI 387/39 und I 233/39 anerkannt, daß Pensionsverpflichtungen zu Lasten des Ausscheidungsjahres im vollen Umfang passiviert werden können, wenn die Pensionszusage erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers gegeben wird.
Auch vom Standpunkt einer ordnungsmäßigen Aufwandsverteilung im Sinne der dynamischen Bilanzauffassung können, wie der Industrie- und Handelstag ausführt, keine Bedenken gegen die Grundsätze des Rechtssatzes 2 der Entscheidung I 113/52 geltend gemacht werden. Wirkt sich die Pensionszusage zum Teil als Gehaltsnachzahlung oder als Sonderleistung für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr aus, so ist sie wirtschaftlich insoweit Aufwand des Jahres der Zusage. Es trifft dieses Jahr der Aufwand aus der Pensionslast, der durch die künftigen Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers nicht ausgeglichen ist. Wie die Steuerpflichtige ausführt, kann man aus dem Fachgutachten des Institutes der Wirtschaftsprüfer keinen einwandfreien Schluß für einen gegenteiligen Standpunkt ziehen. Im übrigen wäre das Gutachten für den Bundesfinanzhof auch nicht bindend.
Auch der Reichsfinanzhof hat die Streitfrage in seinen Entscheidungen nicht ausdrücklich behandelt. Es mag zutreffen, daß man aus den Ausführungen des Reichsfinanzhofs über die Bedeutung der Versicherungsprämien für die Zuführungen zu der Rückstellung Schlüsse im Sinne der Ansicht der Rb. ziehen könnte. Es darf aber auch hier nicht übersehen werden, daß der Reichsfinanzhof die sogenannte Einmal-Prämie bei Pensionszusagen an ältere Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt hat (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I A a 164/29 vom 26. März 1929, RStBl. S. 337; I 191/41 vom 24. September 1941, RStBl. S. 853). Diese Rechtsprechung ist mit der Ansicht nicht vereinbar, daß die Zuführungen zur Rückstellung auf die restliche Dienstzeit des Arbeitnehmers gleichmäßig verteilt werden müssen. Des weiteren hat der Reichsfinanzhof in übereinstimmung mit den oben mitgeteilten Entscheidungen über die Einmalrückstellung bei einer Pensionszusage im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers in der Entscheidung I A a 880/28 vom 5. Februar 1929, RStBl. S. 331, ausgesprochen, daß bei einer freiwilligen Erhöhung einer Pension die hierdurch bewirkte Erhöhung der Pensionslast im Jahre der Zusage mit ihrem vollen kapitalisierten Betrage passiviert werden darf.
Den inneren Zusammenhang zwischen den Zuführungen zur Rückstellung und den Anwartschaften des Arbeitnehmers als Teil seiner Gehaltsbezüge hat der Reichsfinanzhof bei der Frage der verdeckten Gewinnausschüttung an Gesellschafter-Geschäftsführer nachdrücklich unterstrichen "Pensionsansprüche, die sich Gesellschafter als Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer einer Erwerbsgesellschaft für ihre bei der Gesellschaft geleisteten Tätigkeit haben zusichern lassen, sind für die Körperschaftsteuer nur insoweit zu berücksichtigen, als die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitgliedes und Geschäftsführers (also insbesondere Gehalt und zugesicherte Pension) sich als angemessene Gegenleistung darstellen" (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 180/33 vom 15. Mai 1934, RStBl. S. 950). Diese Grundsätze könnten bei einer Verteilung der Zuführungen zur Rückstellung in einer Form, die nicht dem Rechtssatz 2 der Entscheidung I 113/52 U entspricht, nicht mehr ordnungsgemäß angewandt werden. Im übrigen darf nicht übersehen werden - worauf bereits der Deutsche Industrie- und Handelstag hingewiesen hat -, daß die buchmäßige Behandlung der Pensionsanwartschaften im Rahmen der Erfolgsrechnung, wie allgemein die Anwendung der dynamischen Bilanz auf das Steuerrecht (siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 149/54 S vom 19. Juli 1955, BStBl. III S. 266) erst allmählich einer Klärung zugeführt worden ist. Der Reichsfinanzhof glaubte seinerzeit in den an Versicherungsunternehmen zu zahlenden Prämien eine den praktischen Bedürfnissen am besten entsprechende Unterlage für die Zuführungen zu den Rückstellungen gefunden zu haben. Daß die Berechnung auf der Grundlage der Prämien zu einem mathematisch einwandfreien Ergebnis führt, ist bestritten (siehe im einzelnen Mahn, Steuer und Wirtschaft 1940 Sp. 483). Nach der überwiegenden Auffassung müssen die Rückstellungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnet werden, sofern man sich nicht mit Schätzungswerten begnügen will (siehe auch Abschnitt 40 der Steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz).
Die Rb. macht des weiteren auch Bedenken geltend, die nicht rechtlicher Natur sind.
Die Aufwandsverteilung im Sinne der Entscheidung I 113/52 U bereite in tatsächlicher Hinsicht große Schwierigkeiten. Es mag zutreffen, daß bei der Pensionsrückstellung ähnlich wie bei vielen Bilanzansätzen, so insbesondere bei Bemessung des Teilwertes und der Abnutzungsabsetzungen ein Schätzungsspielraum des Kaufmannes besteht. Eine Reihe von Bilanzposten kann nicht rein mathematisch errechnet werden. Rechtsprechung und Verwaltungsübung haben bisher im allgemeinen davon abgesehen, den hierdurch gewährten Schätzungsspielraum des Kaufmannes einzuschränken. Die Schätzung in der Streitfrage wirkt sich auf eine Reihe von Jahren aus. Der Kaufmann kann die steuerliche Wirkung seiner Schätzung für die Zukunft nicht zuverlässig überblicken.
Die Frage, inwieweit die Pensionslast in den Anwartschaften des Arbeitnehmers als Teil seiner künftigen Bezüge ihren Ausgleich findet, ist auf der Grundlage der sich nach der Schätzung ergebenden Gesamtbezüge (Barlohn + Anwartschaft) zu beantworten. Im allgemeinen wird man davon ausgehen können, daß jüngere Arbeitnehmer im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die kurz vor dem Ausscheiden aus dem Betriebe stehen, das Recht durch ihre Arbeitsleistungen in den künftigen Jahren erdienen.
Auch gegen den Gesichtspunkt, daß der Kaufmann durch Pensionszusagen im Gewinnjahre das steuerliche Ergebnis willkürlich beeinflussen könne, werden Einwendungen erhoben. Die Rückstellung setze die übernahme einer Verpflichtung voraus, die von wesentlich größerem Gewicht sei als die als Folge der Verpflichtung bewirkte Minderung des steuerlichen Ergebnisses. Es sei auch für den Kaufmann vor Ablauf des Wirtschaftsjahres nur beschränkt möglich, das Jahresergebnis und damit die Wirkung derartiger Pensionszusagen zuverlässig zu übersehen.
Der Senat verbleibt bei den Grundsätzen der Entscheidung I 113/52 U vom 10. Februar 1953. Die Rb. muß insoweit ohne Erfolg bleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 408283 |
BStBl III 1955, 366 |
BFHE 1956, 431 |
BFHE 61, 431 |
BB 1955, 1078 |
DB 1955, 1154 |