Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Beitrags der Treuhandkommanditistin
Leitsatz (NV)
Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu unterscheiden zwischen Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden, und solchen, die als Gesellschafterbeitrag i.S. des § 706 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind und die durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden (Anschluß an BFH-Urteile vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622; vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757, und vom 7. November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269).
Dabei ist es unerheblich, ob die Leistung auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruht. Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973/1980 sind danach gegeben, wenn sie auf konkreten - auf den Austausch der Gesellschafterleistung gegen dafür gewährtes Entgelt gerichteten - Leistungsbeziehungen des Gesellschafters zur Gesellschaft beruhen. Nach den Gesamtumständen muß der leistende Unternehmer erkennbar um der Gegenleistung willen leisten.
Normenkette
UStG 1973/1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973/1980 § 2 Abs. 1; UStG 1973/1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Seeschiffahrtsunternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Kommanditistin war u.a. die X. Diese (im folgenden Treuhänderin genannt) beteiligte sich im Namen und für Rechnung von Treugebern. Nach dem Treuhandvertrag wurde das Treuhandverhältnis durch Unterzeichnung der Beitrittserklärung und Annahme derselben durch die Treuhänderin begründet. Darüber hinaus enthält der Treuhandvertrag Bestimmungen über die Weisungsrechte der Treugeber gegenüber der Treuhänderin und die der Beschlußfassung durch die Treugeber unterliegenden Gegenstände, die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) durch die Treugeber, die Verwaltung und Rechenschaftslegung durch die Treuhänderin sowie die Übertragung und Beendigung der Kommanditbeteiligung des Treugebers. Nach dem Treuhandvertrag erhält die Treuhänderin von der Fondsgesellschaft (= Klägerin) für ihre treuhänderische Tätigkeit eine jährliche Treuhandgebühr in Höhe von 0,5% ihres Kommandit- und Darlehenskapitals zuzüglich Mehrwertsteuer.
Die ihr von der Treuhänderin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer machte die Klägerin jeweils als abziehbare Vorsteuer geltend. Das Finanzamt (- FA -) folgte dem aufgrund der bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfungen nicht. Es lehnte in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 15. März 1982 für das Streitjahr 1979 und vom 13. August 1987 für die Streitjahre 1980 bis 1984 den Abzug der Vorsteuern aus Treuhandgebühren betreffend 1979 bis 1984 ab.
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, die Klägerin habe von ihrer Kommanditistin, der Treuhänderin, keine Leistung bezogen, bei der die Zahlung der Treuhandgebühr gemäß dem Treuhandvertrag als Leistungsentgelt i.S. des § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angesehen werden könnte. Der Treuhandvertrag stelle die alleinige Grundlage für das Tätigwerden der Kommanditistin dar. Jener aber regle allein die Beziehungen zwischen ihr als Treuhänderin und den einzelnen Anteilszeichnern als Treugebern. Träger der Gesellschaftsrechte sollten allein die Anteilszeichner selbst sein, während die Anteile nur treuhänderisch von der Treuhandkommanditistin gehalten werden sollten. Diese wirtschaftlichen Verhältnisse erlaubten nicht die Annahme, die Treuhandkommanditistin habe beim Erwerb der Gesellschaftsanteile die tatsächliche Funktion einer in die Leistungskette eingeschalteten Unternehmerin ausgeführt und jene in Ausübung eigener unternehmerischer Interessen an die Klägerin im Sinne einer umsatzsteuerlich relevanten Leistung weitergeleitet. Allenfalls sei der Treuhandkommanditistin die Rolle einer bloßen Geschäftsbesorgerin beizumessen, die als wirtschaftliche Stellvertreterin der Anteilszeichner tätig geworden sei und für sie die Gesellschaftsrechte erworben habe. Der Treuhandvertrag hätte es bei wirtschaftlicher Betrachtung nahegelegt, die Treugeber zu einer Vergütung zu verpflichten. Wenn der Treuhandvertrag diese Verpflichtung der Klägerin zuweise, erscheine das willkürlich, und das FA hebe mit Recht hervor, daß es an einer konkreten Leistungsbeziehung zwischen der Treuhandkommanditistin und der Klägerin fehle, aufgrund derer erstere das Entgelt beanspruchen könnte. Die Rechnungserteilung allein vermöge diesen Mangel nicht zu beseitigen. Dem FA dürfte auch darin zu folgen sein, daß im wirtschaftlichen Ergebnis nicht die Klägerin, sondern die Anteilszeichner mit der Treuhandgebühr belastet würden, wenn diese als Betriebsausgaben der Klägerin mindernden Einfluß auf den zu verteilenden Gewinn an die Gesellschafter habe. Der Klägerin möge zuzugestehen sein, daß ein derartiges Tätigwerden der Treuhandkommanditistin innerhalb der Gesamtgesellschaft zur Erreichung des Gesellschaftszwecks (insbesondere dem der Kapitalbeschaffung) sinnvoll und sogar erforderlich sei. Letztlich stelle sich jedoch all dies als Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft der Klägerin dar, begründe dagegen bei den bestehenden vertraglichen Beziehungen nicht die eigenständige Unternehmerstellung der Treuhandkommanditistin und ein entsprechendes Leistungsverhältnis gegenüber der Klägerin. Die Treuhandkommanditistin erbringe ihren Beitrag - Einzahlung der Kommanditeinlage nach Gewinnung der Fondszeichner - nicht als sonstige Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn, sondern allein im Rahmen ihrer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung. Dabei sei für eine Gegenleistung in Gestalt der Treuhandgebühr kein Raum. Die Rechte der Kommanditistin beruhten auf dem Gesellschaftsvertrag und seien folglich gesellschaftsrechtlicher Natur und stellten keine Entgeltsansprüche aus einem Leistungsaustausch dar. Die der Kommanditistin zustehende Gegenleistung sei der Gewinn (oder Verlust) eines Geschäftsjahres. Sie habe nicht die Befugnis, die laut Treuhandvertrag anfallenden Treuhandgebühren von der Klägerin zu fordern. Wenn die Kommanditistin dies im Treuhandvertrag gleichwohl tue, fehle einer solchen Regelung die wirtschaftliche Grundlage und könne daher umsatzsteuerlich nicht anerkannt werden.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.
Die Auffassung des FG, wonach die Leistungen der Treuhänderin nicht für sie (Klägerin), sondern für die Treugeber erbracht würden, beruhe auf einer unvollständigen und damit unzutreffenden Würdigung der vorgetragenen Tatsachen. Sie bediene sich bei der Abgabe der Jahressteuererklärungen der Treuhänderin, welche das entsprechend ausgebildete Personal beschäftige und die EDV-mäßige Bearbeitung der Besteuerungsgrundlagen vorbereite. Die einzelne Schiffsgesellschaft sei normalerweise nicht in der Lage, sich das erforderliche Fachpersonal zu leisten. Die Treuhänderin übernehme außerdem die Berichterstattung der Schiffsgesellschaft an die Zeichner über die allgemeine Frachtenmarktsituation, die Beschäftigung des Schiffes und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung hinsichtlich der Vermögens- und Ertragssituation. Für die Treugeber werde durch die Vertretung aufgrund ausdrücklicher Vollmacht in der Gesellschafterversammlung, der Mitwirkung bei den Beschlüssen über die Feststellung des Jahresabschlusses, der Entlastung der Geschäftsführung und der übrigen Beschlüsse, die nach dem Gesellschaftsvertrag der Abstimmung durch die Gesellschafter unterlägen, eine relativ unbedeutende Teilleistung erbracht. Diese sei von so geringem Gewicht, daß die Abzugsfähigkeit der in Rechnung gestellten Vorsteuer dadurch nicht ausgeschlossen werde. Allenfalls wären lediglich geringfügige Teile der Vorsteuer nicht abzugsfähig, weil insoweit die Leistung nicht gegenüber dem Rechnungsempfänger erbracht worden wäre. Im übrigen sei der mündliche Vortrag in der Verhandlung vor dem FG nicht entsprechend gewürdigt worden. Dort sei vorgetragen worden, daß über den Umfang der von der Treuhänderin gegenüber der Schiffsgesellschaft zu erbringenden Leistungen mündliche Abmachungen beständen, die die Höhe und Angemessenheit des Entgelts zum Gegenstand hätten. Die Ausrichtung des Umsatzsteuerrechts auf die Besteuerung tatsächlicher wirtschaftlicher Vorgänge gebiete es, nicht die Treuhandvereinbarung allein zu sehen und diese bei der Bestimmung des Leistungsverhältnisses ausschließlich ihrem Wortlaut nach zugrunde zu legen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Juni 1989 V R 72/84, BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677).
Das FA trägt vor, die Treuhänderin erhalte das Entgelt für ihre treuhänderische Tätigkeit. Die einzelnen Treugeber würden am Ende jedes Wirtschaftsjahres bei der Gewinnverteilung mit den Treuhandgebühren belastet; diese stellten zweifelsfrei Betriebsausgaben der Treugeber dar, die durch deren Beteiligung über die Treuhandkommanditistin an der Klägerin verursacht seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann ein Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Ob eine Leistung für das Unternehmen desjenigen erbracht wurde, der den Vorsteuerabzug begehrt, richtet sich grundsätzlich danach, welche Person aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt und verpflichtet ist. Im Rahmen der Ermittlung des Leistungsempfängers ist das Abrechnungspapier nur ein Beweisanzeichen (BFH-Urteile vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524, und vom 26. November 1987 V R 85/83, BFHE 151, 479, BStBl II 1988, 158, jeweils m.w.N.). Die zivilrechtlichen Vereinbarungen sind allerdings nicht allein maßgebend für den Vorsteuerabzug; denn das UStG knüpft an tatsächliche wirtschaftliche Vorgänge an, ohne daß diese die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen darstellen müßten. Leistungsempfänger kann auch derjenige sein, demgegenüber der Leistende - unter Mißachtung des vertraglichen Anspruchs eines anderen - die Leistung tatsächlich erbracht hat (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 V R 72/84, BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677). Die bloße Kostenübernahme für Leistungen, ohne Leistungsempfänger zu sein, führt nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteile vom 29. Januar 1987 V R 112/77, BFH/NV 1987, 472, und vom 24. März 1987 X R 27/81, BFH/NV 1987, 473).
Bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu unterscheiden zwischen Leistungen, die gegen (Sonder-) Entgelt ausgeführt werden, und solchen, die als Gesellschafterbeitrag i.S. des § 706 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind und die durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden (BFH-Urteile vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622; vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757, und vom 7. November 1991 VR116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269). Dabei ist es unerheblich, ob die Leistung auf gesellschaftsrechtlicher Verpflichtung beruht. Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sind danach gegeben, wenn sie auf konkreten - auf den Austausch der Gesellschafterleistung gegen dafür gewährtes Entgelt gerichteten - Leistungsbeziehungen des Gesellschafters zur Gesellschaft beruhen. Nach den Gesamtumständen muß der leistende Unternehmer erkennbar um der Gegenleistung willen leisten.
Entgegen den vorgenannten Rechtsgrundsätzen ist das FG davon ausgegangen, daß es für die Frage, für welche Leistungen die Treuhandgebühr gezahlt wurde und wer Empfänger dieser Leistungen war, allein auf den Treuhandvertrag ankommt, und daß es sich bei Leistungen der Treuhänderin gegenüber der Klägerin um Gesellschafterbeiträge handelt. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht geprüft, ob und in welchem Umfang die Klägerin die Treuhandgebühr auch für von der Treuhänderin ihr gegenüber tatsächlich erbrachte steuerbare entgeltliche Leistungen gezahlt hat. Sollte dies der Fall gewesen sein, so steht der Klägerin für den Teil der Treuhandgebühr, der dem Leistungsaustausch zwischen der Treuhänderin und der Klägerin zuzuordnen ist, der Vorsteuerabzug zu.
Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen darüber hinaus nicht aus, um für alle Streitjahre die Frage der Verjährung beurteilen zu können. Schließlich fehlen Feststellungen des FG dazu, ob im übrigen die Voraussetzungen für eine Änderung bestandskräftiger Umsatzsteuerbescheide vorlagen.
Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt und auf deren Grundlage erneut entscheidet.
Fundstellen