Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Zollanmeldung; fehlende Erkennbarkeit des Handelns für einen Dritten; rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme eines Abgabenpflichtigen
Leitsatz (NV)
- Eine Zollanmeldung ist eine Willenserklärung des Zollbeteiligten, die in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze der §§ 133, 157 BGB auszulegen ist. Diese Auslegung obliegt grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz. Der BFH kann die Auslegung durch das FG daraufhin überprüfen, ob gesetzliche Auslegungsregeln, die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind.
- Soll eine Zollanmeldung in fremdem Namen und für fremde Rechnung abgegeben werden, muss nach dem sog. Offenheitsgrundsatz nach außen zweifelsfrei deutlich werden, dass die Erklärung für den Dritten abgegeben wird; Zweifel schließen die Annahme eines Handelns in fremdem Namen aus. Bei nicht hinreichend erkennbar hervorgetretenem Willen des Anmelders, für einen Dritten zu handeln, bleibt sein etwa fehlender Wille für eine Zollantragstellung in eigenem Namen außer Betracht. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn nicht zweifelsfrei erkennbar ist, welche Person vertreten werden soll.
- Die Inanspruchnahme eines Abgabenpflichtigen ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie im Widerspruch zu einem vorangegangenen nachhaltigen Verhalten oder einer nachdrücklichen Willensäußerung der Verwaltung steht, der Abgabenpflichtige wegen dieses bisherigen Verhaltens der Verwaltung auf ein entsprechendes künftiges Verhalten vertraut und vertrauen durfte und daher die Anforderung der Abgaben mit dem allgemeinen Rechtsempfinden unvereinbar ist. Die Anwendung dieser Grundsätze ist auf besonders gelagerte Fälle beschränkt, in denen das Vertrauen des Abgabenpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der gleichen Behandlung aller Abgabenpflichtigen zurücktreten müssen.
Normenkette
EWGV 3632/85 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 5; ZG § 10 Abs. 3 S. 2; BGB §§ 133, 157, 242
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) meldete am 6. März 1992 beim Hauptzollamt A Zuchtrinder aus Ungarn zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren an. Empfänger der Zuchtrinder sollte B sein, dessen Name und Anschrift zunächst maschinenschriftlich auch in dem für die Benennung des Hauptverpflichteten vorgesehenen Feld 50 der Versandanmeldung eingetragen waren. Diese Eintragungen wurden von dem Abfertigungsbeamten durchgestrichen und handschriftlich durch den Namen und die Anschrift des Klägers ersetzt. Ferner vermerkte der Abfertigungsbeamte in Feld 50 der Versandanmeldung die Nummer des Reisepasses des Klägers. Der Kläger fügte neben der Eintragung seines Namens seine Unterschrift hinzu. Der maschinenschriftlich in Feld 50 der Versandanmeldung zuvor aufgenommene Zusatz "i.A.u.V." blieb unverändert.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt ―HZA―) setzte gegen den Kläger mit Steuerbescheid vom … Juli 1993 insgesamt … DM Eingangsabgaben fest, weil er als Hauptverpflichteter die Waren bei der Bestimmungszollstelle nicht ordnungsgemäß gestellt habe. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger eine Bestätigung des B vor. Hiernach sei der Kläger bei der Einfuhr am 6. März 1992 für ihn tätig geworden und bevollmächtigt gewesen. Hauptverpflichteter sei er selbst gewesen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG gab der Klage statt und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kläger sei als Vertreter und nicht als Hauptverpflichteter aufgetreten. Dies ergebe sich aus dem Zusatz "i.A.u.V." in Feld 50 der Versandanmeldung. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zusatz nur versehentlich nicht gestrichen worden sei. Der Kläger habe als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt und gelte deshalb nach § 10 Abs. 3 Satz 2 des Zollgesetzes (ZG) vom 14. Juni 1961 (BGBl I, 737), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 25. Juli 1989 (BGBl I, 1541), als Zollbeteiligter. Der Kläger könne B nicht vertreten haben, weil dessen Name in Feld 50 der Versandanmeldung durchgestrichen gewesen sei, als er dort seine Unterschrift hinzugefügt habe. Für eine nachträgliche Veränderung des Versandscheins gebe es keine Anhaltspunkte. Es sei auch nicht ersichtlich, welche andere Person den Kläger mit ihrer Vertretung beauftragt haben solle. Gleichwohl sei die Inanspruchnahme des Klägers durch das HZA rechtsmissbräuchlich. Denn der Abfertigungsbeamte habe entscheidend dazu beigetragen, dass die Versandanmeldung in Feld 50 unvollständig und fehlerhaft ausgefüllt worden sei. Der Abfertigungsbeamte habe das Versandverfahren eröffnet, obwohl in Feld 50 der Versandanmeldung nur der Vertreter eines Hauptverpflichteten benannt worden sei. Ferner habe der Abfertigungsbeamte pflichtwidrig die handschriftlichen Eintragungen in der Versandanmeldung vorgenommen und sich dies vom Kläger unterschreiben lassen. Damit habe er beim Kläger die Vorstellung hervorgerufen, dass die Versandanmeldung ordnungsgemäß ausgefüllt worden und er lediglich Vertreter des Hauptverpflichteten sei. Der Abfertigungsbeamte habe den Kläger auch nicht auf die Folgen eines Auftretens als Vertreter ohne Vertretungsmacht hingewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision des HZA. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht Hauptverpflichteter gewesen sei. Die Umstände, allgemeinen Erfahrungssätze und Denkgesetze sprächen dafür, dass der Zusatz "i.A.u.V." in Feld 50 der Versandanmeldung nur versehentlich von dem Abfertigungsbeamten nicht gestrichen worden sei. Jedenfalls sei die Inanspruchnahme des Klägers als Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht rechtsmissbräuchlich. Der Abfertigungsbeamte habe zwar das Versandverfahren nicht ohne die Benennung eines Hauptverpflichteten eröffnen dürfen. Für diesen Fall treffe den Vertreter ohne Vertretungsmacht jedoch die Haftung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 ZG. Da es sich bei einer Zollanmeldung um eine Erklärung des Zollbeteiligten handele, trage dieser die Verantwortung für deren Richtigkeit und Vollständigkeit. Es könne einem Abfertigungsbeamten auch nicht vorgeworfen werden, wenn er im Einzelfall Änderungen in einer Zollanmeldung auf Wunsch eines Zollbeteiligten als Dienstleistung für diesen vornehme. Die Rückgabe der Versandanmeldung zur Unterzeichnung durch den Abfertigungsbeamten habe keinen Vertrauenstatbestand begründen können, weil kein Hauptverpflichteter benannt worden sei und der Kläger deshalb nicht habe annehmen dürfen, nur Vertreter für einen Hauptverpflichteten zu sein.
Das HZA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, das FG habe zutreffend angenommen, dass er kein Hauptverpflichteter sei. Er habe weder die Vorstellung noch die Absicht gehabt, die Versandanmeldung als Hauptverpflichteter zu unterschreiben. Er sei vielmehr davon ausgegangen, als Vertreter des B aufzutreten, von dem er bevollmächtigt worden sei. Dies sei dadurch zum Ausdruck gebracht worden, dass neben der Angabe "vertreten durch" in Feld 50 der Versandanmeldung der Zusatz "i.A.u.V." aufgenommen worden sei. Der Abfertigungsbeamte sei nicht berechtigt gewesen, den Namen B in Feld 50 der Versandanmeldung zu streichen. Als er die Versandanmeldung unterschrieben habe, seien die Streichungen auch noch nicht vorhanden gewesen. Folge man dem FG, dass nicht erkennbar sei, für wen er habe handeln wollen, könne § 10 Abs. 3 Satz 2 ZG keine Anwendung finden. Es habe vielmehr eine unwirksame Zollanmeldung vorgelegen, so dass der Zollbeamte die Zuchtrinder nicht hätte abfertigen dürfen. Ihn treffe zumindest entsprechend § 179 Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) keine Haftung, weil erkennbar gewesen sei, dass ein Hauptverpflichteter nicht benannt worden und er nur als Vertreter aufgetreten sei. Seine Inanspruchnahme sei jedenfalls rechtsmissbräuchlich. Er habe die handschriftlichen Änderungen in der Versandanmeldung weder gewünscht noch veranlasst. Wenn ein Abfertigungsbeamter von sich aus Änderungen in einer Zollanmeldung vornehme, dürfe der Anmelder darauf vertrauen, dass seine Position als Vertreter mit Vertretungsmacht nicht verändert werde.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Das FG hat den angefochtenen Steuerbescheid zu Unrecht aufgehoben. Die Sache ist nicht spruchreif, sie muss daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Anders als das FG meint, ist der Kläger vom HZA zutreffend als Hauptverpflichteter des am 6. März 1992 eröffneten Versandverfahrens in Anspruch genommen worden.
a) Dahinstehen kann, ob die Zollschuld nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 (ZollschuldVO) des Rates vom 13. Juli 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 201/5), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 4108/88 vom 21. Dezember 1988 (ABlEG Nr. L 361/2), oder nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d ZollschuldVO entstanden ist (vgl. hierzu die Senatsurteile vom 26. August 1997 VII R 82/96, BFH/NV 1998, 1008, 1009, sowie vom 16. Juni 1998 VII R 34/97, BFHE 186, 171, 174). In seiner Eigenschaft als Hauptverpflichteter ist der Kläger als die Person, welche die Verpflichtungen aus der Inanspruchnahme des gemeinschaftlichen Versandverfahrens einzuhalten hatte, entweder nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 (ZollschuldnerVO) des Rates vom 18. April 1988 (ABlEG Nr. L 102/5), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1716/90 vom 20. Juni 1990 (ABlEG Nr. L 160/6), oder nach Art. 5 ZollschuldnerVO Zollschuldner geworden. Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Februar 1991 (BGBl I, 350) für die Einfuhrumsatzsteuer und nach § 2 Abs. 1 des Abschöpfungserhebungsgesetzes vom 25. Juli 1962 (BGBl I, 453), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 12. September 1980 (BGBl I, 1695), für die Abschöpfung.
b) Hauptverpflichteter ist nach Art. 11 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 222/77 des Rates vom 13. Dezember 1976 über das gemeinschaftliche Versandverfahren (ABlEG Nr. L 38/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 474/90 vom 22. Februar 1990 (ABlEG Nr. L 51/1), die Person, die selbst oder durch einen befugten Vertreter durch eine zollamtlich geprüfte Anmeldung die Abfertigung zum gemeinschaftlichen Versandverfahren beantragt. Dies ist der Kläger, der in dem dafür vorgesehenen Feld 50 der Versandanmeldung eingetragen ist, weil sich aus der Versandanmeldung nicht ergibt, für wen er tätig geworden ist.
aa) Nicht zu beanstanden ist zwar die Auslegung des Zusatzes "i.A.u.V." in Feld 50 der Versandanmeldung durch das FG dahin, dass der Kläger nicht als Hauptverpflichteter, sondern als dessen Vertreter auftreten wollte. Diese Auslegung ist nahe liegend und verstößt ―anders als das HZA meint― nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze. Eine Zollanmeldung ist eine Willenserklärung des Zollbeteiligten, die in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze der §§ 133, 157 BGB auszulegen ist (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 1990 VII R 130-131/87, BFHE 161, 266, 268). Diese Auslegung obliegt grundsätzlich dem FG als Tatsacheninstanz. Der Bundesfinanzhof (BFH) ist aber als Revisionsgericht nicht gehindert, die Auslegung des FG daraufhin zu überprüfen, ob gesetzliche Auslegungsregeln, die Denkgesetze und mögliche Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 17. Februar 1988 VII R 91/85, BFH/NV 1988, 814, 815; vom 23. März 2000 VII R 12/99, BFH/NV 2000, 1263, 1264).
Das FG hat in Ermangelung entsprechender Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass der Name B in Feld 50 der Versandanmeldung durchgestrichen war, als der Kläger dort seine Unterschrift hinzugefügt hat. Von daher ist es unerheblich, ob der Abfertigungsbeamte den Zusatz "i.A.u.V." lediglich versehentlich nicht gestrichen hat. Der Kläger hat jedenfalls durch seine Unterschrift die handschriftlich veränderten Angaben in Feld 50 der Versandanmeldung als seine Erklärung gebilligt. Dies umfasste auch den unverändert gebliebenen Zusatz "i.A.u.V.", den das FG mithin bei seiner Auslegung berücksichtigen durfte.
bb) Rechtsfehlerhaft ist indessen die Auffassung des FG, der Kläger sei trotz der fehlenden Benennung eines Hauptverpflichteten in der Versandanmeldung ein Vertreter ohne Vertretungsmacht i.S. des § 10 Abs. 3 Satz 2 ZG gewesen. Die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB stellt sich deshalb von vornherein nicht. Denn in Anbetracht der Streichung des Namens des B in Feld 50 der Versandanmeldung ist ―wie das FG für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat― nicht ersichtlich, wen der Kläger vertreten wollte. Daraus folgt, dass der Kläger ―anders als das FG meint― selbst Hauptverpflichteter geworden ist.
Soll eine Zollanmeldung in fremdem Namen und für fremde Rechnung abgegeben werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 3632/85 ―ZollanmelderVO― des Rates vom 12. Dezember 1985 ―ABlEG Nr. L 350/1―), muss nach dem sog. Offenheitsgrundsatz nach außen zweifelsfrei deutlich werden, dass die Erklärung für den Dritten abgegeben wird; Zweifel schließen die Annahme eines Handelns in fremdem Namen aus (vgl. Senatsurteile vom 12. September 1978 VII R 97/75, BFHE 126, 94, 96; vom 19. März 1985 VII R 83/82, BFH/NV 1985, 59, 60; vom 4. Juli 1996 VII R 75/95, BFH/NV 1997, 75, 76). Bei nicht hinreichend erkennbar hervorgetretenem Willen des Anmelders, für einen Dritten zu handeln, bleibt sein etwa fehlender Wille für eine Zollantragstellung in eigenem Namen entsprechend § 164 Abs. 2 BGB außer Betracht (vgl. Senatsurteile in BFHE 126, 94, 97, sowie in BFH/NV 1997, 75, 77).
Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn ―wie im Streitfall― nicht zweifelsfrei erkennbar ist, welche Person vertreten werden soll (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 18. Januar 1990 IV 97/87 N, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1991, 83). In diesem Fall ist die Angabe eines Vertretungsverhältnisses unbeachtlich; der vorgebliche Vertreter gilt selbst als Zollbeteiligter - hier Hauptverpflichteter. Dies ergibt sich bereits aus Art. 3 Abs. 5 Unterabs. 1 ZollanmelderVO, wonach in der Zollanmeldung der Name und die Anschrift der Person genau anzugeben ist, für deren Rechnung gehandelt wird. Der in Feld 50 der Versandanmeldung unverändert gebliebene Zusatz "i.A.u.V." lässt sich daher allenfalls als ein Hinweis auf eine "Selbstvertretung" des Klägers verstehen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1997, 75, 77).
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Abfertigungsbeamte berechtigt war, den Namen B in Feld 50 der Versandanmeldung zu streichen. Der Kläger hat nach den vom FG getroffenen Feststellungen seine Unterschrift hinzugefügt, nachdem die maschinenschriftlich vorhanden gewesenen Angaben in Feld 50 der Versandanmeldung von dem Abfertigungsbeamten teilweise abgeändert worden waren und diese Angaben damit als seine Erklärung gebilligt. Da der Kläger demnach selbst Hauptverpflichteter geworden ist, ist die Versandanmeldung vom 6. März 1992 auch nicht wegen Fehlens wesentlicher Angaben unwirksam.
Der Senat vermag dem FG auch nicht zu folgen, soweit es gemeint hat, die Inanspruchnahme des Klägers durch das HZA sei rechtsmissbräuchlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verstößt die Inanspruchnahme eines Abgabenpflichtigen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist deshalb rechtsmissbräuchlich, wenn sie im Widerspruch steht zu einem vorangegangenen nachhaltigen Verhalten oder einer nachdrücklichen Willensäußerung der Verwaltung, der Abgabenpflichtige wegen dieses bisherigen Verhaltens der Verwaltung auf ein entsprechendes künftiges Verhalten vertraut und vertrauen durfte und daher die Anforderung der Abgaben mit dem allgemeinen Rechtsempfinden unvereinbar ist (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 1987 VII R 115/84, BFH/NV 1988, 137, 139). Die Anwendung dieses Grundsatzes führt dazu, dass im Einzelfall eine bestimmte Vorschrift dem Recht weichen muss. Außerdem entsteht ein Konflikt mit dem Gleichheitssatz, der insbesondere in Fällen, in denen wie hier wirtschaftslenkende Abgaben (Eingangsabgaben) in Frage stehen, besonders augenfällig wird, weil die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu einer Wettbewerbsverschiebung zugunsten desjenigen führt, der sich auf ihn beruft. Daher kann die Anwendung dieses Grundsatzes nur dann in Frage kommen, wenn es sich um einen besonders gelagerten Fall handelt, in dem das Vertrauen des Abgabenpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der gleichen Behandlung aller Abgabenpflichtigen zurücktreten müssen (Senatsurteil in BFH/NV 1988, 137, 139). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
Unzutreffend ist bereits der Ausgangspunkt des FG, wonach der Abfertigungsbeamte entscheidend dazu beigetragen haben soll, dass die Versandanmeldung in Feld 50 unvollständig und fehlerhaft ausgefüllt worden sei. Wie bereits ausgeführt, war die Versandanmeldung in Feld 50 nicht unvollständig oder fehlerhaft, weil der Kläger darin letztlich als Hauptverpflichteter benannt worden ist. Das FG hat zudem festgestellt, dass es für nachträgliche Veränderungen der Versandanmeldung durch den Abfertigungsbeamten keinerlei Anhaltspunkte gebe. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Abfertigungsbeamte pflichtwidrig die handschriftlichen Eintragungen in der Versandanmeldung vorgenommen hat. Der Kläger hat diese Änderungen jedenfalls durch seine Unterschrift in Feld 50 der Versandanmeldung gebilligt und muss sich diese Änderungen als seine Erklärung zurechnen lassen. Der Kläger hätte die Versandanmeldung nicht unterschreiben dürfen, falls die darin gemachten Angaben nicht seinem Willen entsprochen hätten. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Abfertigungsbeamte beim Kläger die Vorstellung hervorgerufen haben soll, dass er lediglich Vertreter des Hauptverpflichteten sei. Hiervon konnte der Kläger nach der Streichung des Namens des B in Feld 50 der Versandanmeldung gerade nicht mehr ausgehen. Das FG hat überdies nicht festgestellt, dass zwischen dem Kläger und dem Abfertigungsbeamten besondere Absprachen getroffen worden sind. Der Abfertigungsbeamte musste den Kläger schon deshalb nicht auf die Folgen eines Auftretens als Vertreter ohne Vertretungsmacht hinweisen, weil die Haftungsbestimmung des § 10 Abs. 3 Satz 2 ZG im Streitfall nicht zum Tragen kam. Für den Kläger musste zudem in Anbetracht der Eintragung seines Namens und seiner Anschrift sowie der Nummer seines Reisepasses in Feld 50 der Versandanmeldung klar sein, dass sein Auftreten gegenüber der Zollbehörde besondere Verpflichtungen zur Folge hatte.
Da das angefochtene Urteil zu den aufgezeigten Grundsätzen in Widerspruch steht, ist es aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit ist deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Dort wird der Kläger Gelegenheit haben, zur von ihm beanstandeten Höhe der mit dem angefochtenen Steuerbescheid festgesetzten Eingangsabgaben vorzutragen. Dies ist bislang unterblieben, weil das FG zum Ausdruck gebracht hat, dass es der Klage bereits aus anderen Gründen stattgeben werde.
Fundstellen
Haufe-Index 1053835 |
BFH/NV 2004, 99 |