Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Entnimmt der Steuerpflichtige ein Wohngebäude aus dem Betriebsvermögen, so werden durch den Ansatz des Teilwerts auch diejenigen stillen Reserven aufgedeckt, die durch die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG entstanden sind.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 4, § 7b
Tatbestand
Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob bei der überführung eines nach § 7b EStG begünstigten Gebäudes vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG in die durch den Unterschied zwischen höherem Teilwert und niedrigerem Buchwert aufgelösten Stillen Reserven auch die bis zur Entnahme vorgenommenen erhöhten Absetzungen einzubeziehen sind.
Der Bg. hatte auf ein in den Jahren 1951 und 1952 gebautes Doppelwohnhaus für die Veranlagungszeiträume 1952, 1953 und 1954 die gesetzlich zulässige Absetzung für Abnutzung (AfA) von 2 x 10 v. H. und 1 x 3 v. H., zusammen 23 v. H. im Veranlagungszeitraum 1954 in Anspruch genommen.
Es betrugen in DM --------------------- Grund und --------------------- Boden --- Gebäude --- zusammen die Entnahmewerte ---- 33.865 -- 213.000 -- 246.865 die Buchwerte -------- 21.199 -- 168.416 -- 189.615 die stillen Reserven 12.666 --- 44.584 --- 57.250.Der Bg. ist der Auffassung, daß die nachträgliche Heranziehung des Entnahmegewinns im ganzen gegen Treu und Glauben verstoße, weil ihn das Finanzamt nach Erklärung veranlagt habe und er bis zum Abschluß einer Betriebsprüfung am 12. November 1958 nicht mit höheren Steuernachforderungen zu rechnen gehabt habe. Hilfsweise beantragt er, den Entnahmegewinn um die § 7b-AfA von 44 320 DM zu kürzen.
Mit dem Hauptantrag hatte der Bg. keinen Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in "Entscheidungen der Finanzgerichte", 1963 S. 557 veröffentlicht ist, stützte seine Ablehnung darauf, daß - abgesehen von der Grundstücksentnahme - durch die Betriebsprüfung gewichtige neue Tatsachen festgestellt worden seien, die bei der nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO durchgeführten Berichtigungsveranlagung 1954 zur Wiederaufrollung des ganzen Steuerfalles berechtigt hätten. Ein Ausnahmefall, der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Wiederaufrollung nach Treu und Glauben nur insoweit zulasse, als die Aufdeckung der neuen Tatsachen reicht, liege hier nicht vor.
Die Vorinstanz gab jedoch dem Hilfsantrag des Bg. statt. Mit den tatsächlichen Wertberechnungen für Grund und Boden und Herstellungskosten erklärte sich das Finanzgericht einverstanden. Die Steuerforderung beruhte demnach im wesentlichen nur noch darauf, ob bei dem Teilwertansatz des entnommenen Grundstücks die vorher vorgenommene AfA nach § 7b EStG wieder der Besteuerung zugeführt würde. Das aber widerspricht nach Auffassung des Finanzgerichts dem Sinn des Gesetzes, das die Vergünstigung des § 7b EStG einem Steuerpflichtigen ohne Rücksicht darauf zubillige, ob das Wohngebäude zu seinem Betriebsvermögen oder zu seinem Privatvermögen gehöre. Es gehe nicht an, dem Steuerpflichtigen, einem Gewerbetreibenden, die Rechtswohltat der erhöhten AfA wieder zu nehmen. Zwar seien nach § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG stille Reserven grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Entstehungsursache zu erfassen. Zwischen einer zu hohen AfA nach § 7 EStG und der § 7b-Reserve bestehe aber insofern ein Unterschied, als die zu hohe Normal-AfA auf unrichtiger tatsächlicher Einschätzung, die § 7b- AfA jedoch auf einer Rechtsvorschrift beruhe, die im Fall der Entnahme in Konkurrenz mit § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG trete. Das Ziel, das der Gesetzgeber mit der Wohnungsbauförderung über § 7b EStG erreichen wolle, würde durch die Versteuerung der § 7b- Reserve bei der Entnahme beeinträchtigt werden. Es wäre unverständlich, wenn der nach dem Wunsch des Gesetzgebers dem den Wohnungsbau fördernden Steuerpflichtigen zugebilligte Steuervorteil durch die Entnahme wieder verloren würde, während er beim Bauen in privaten Bereich erhalten bliebe. Die objektive Bewertungsfreiheit nach § 7b EStG unterscheide sich von anderen subjektiven Bewertungsfreiheiten, etwa nach § 6 Abs. 2 EStG oder nach dem früheren § 7 a EStG. Bei sinnvoller Auslegung des Gesetzes habe § 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG bezüglich des über die normale AfA hinausgehenden Teils der § 7b-Absetzung zurückzutreten. Dementsprechend kürzte das Finanzgericht den Teilwert um die entsprechenden AfA-Beträge nach § 7b EStG.
Mit der Rb. wendet sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz, die im vorliegenden Fall einen neuen Rechtsbegriff angewandt habe, der dem zwingenden Charakter des § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG widerspreche. Der Bg. erklärte das Grundstück aus betrieblichen Gründen aus dem Betriebsvermögen herausgenommen zu haben, ohne daß ihm eine andere Wahl gelassen war. Wäre ihm damals bekannt gewesen, daß die Herausnahme des Grundstücks in das Privatvermögen später zu Steuernachzahlungen führen würde, so hätte er zusätzlich zu den Kredit- und sonstigen Kosten, die er einer Gemeinde als säumiger Schuldnerin für einen Schulhausbau in Rechnung gestellt und ersetzt bekommen habe, auch die Erstattung der Steuernachzahlungen von der Gemeinde verlangt, deren Zahlungsschwäche ihn zu der Grundstücksentnahme veranlaßt habe. Angesichts der vollständigen Klarstellung seiner Verhältnisse durch den unübersehbaren Vermerk in der Bilanz 1954 unter Aktiva Anlagevermögen "übernahme in Privatvermögen am 31. Dezember 1954 DM 166 013" liege nach Auffassung des Bg. entgegen dem Urteil des Finanzgerichts ein nach Treu und Glauben entscheidendes Versäumnis des Finanzamts vor.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Anschlußbeschwerde des Bg. ist unzulässig. Sie richtet sich nicht gegen das Ergebnis, sondern nur gegen die Begründung des Berufungsurteils. Da es sich bei sinngemäßer Auslegung nur um die Wiedergabe des Rechtsstandpunktes des Bg. in der Rb. handelt, hat die Verwerfung der Anschlußbeschwerde keine Kostenfolge.
Die nachträgliche Heranziehung des Entnahmegewinns verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Die Voraussetzungen für eine Berichtigungsveranlagung im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO liegen hier vor. Der Bundesfinanzhof hält an der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unverändert fest, daß grundsätzlich der ganze Steuerfall neu aufzurollen ist. Zu den bereits im Urteil der Vorinstanz angeführten Entscheidungen des erkennenden Senats I 176/57 U vom 18. November 1958, BStBl 1959 III S. 52, Slg. Bd. 68 S. 137, und I 90/57 U vom 3. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 53, Slg. Bd. 68 S. 140, hat der Bundesfinanzhof weiter entschieden, daß der Steuerfall auch dann neu aufzurollen ist, wenn die neuen Tatsachen und die durch die Wiederaufrollung sich ergebenden Mehrsteuern zahlenmäßig stark voneinander abweichen (Urteil des Bundesfinanzhofs V 275/60 U vom 23. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 540, Slg. Bd. 80 S. 185). Der Grundsatz von Treu und Glauben kommt hier regelmäßig nur dann zum Zug, wenn besondere nachweisbare Umstände hinzutreten, die die Wiederaufrollung des ganzen Falles als unbillig erscheinen lassen. Solche Umstände liegen aber nach der für den Bundesfinanzhof bindenden und dem Inhalt der Akten nicht widersprechenden Feststellung des Finanzgerichts nicht vor. Das Finanzamt hat weder vor noch bei der Veranlagung eine ausdrückliche Zusage abgegeben oder eine als solche zu wertende Rechtsauffassung erklärt, die den Bg. zu bedeutsamen geschäftlichen, wirtschaftlichen oder finanziellen Maßnahmen veranlaßt hat. Es ist sicher, daß dem Finanzamt bei genauerer überprüfung der Einkommensteuererklärung 1954 der Fehler nicht hätte unterlaufen dürfen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann nicht darin erblickt werden, daß das Finanzamt die nach der Rechtsauslegung bestehende Möglichkeit zur Fehlerberichtigung wahrnimmt. Mit Recht hat also auch die Vorinstanz abgelehnt, die vom Bg. angeführten, bei sofortiger richtiger Besteuerung unterlassenen geschäftlichen Maßnahmen als unmittelbare Auswirkungen der vom Finanzamt wider Treu und Glauben erzeugten Sicherheit vor Steuernachforderungen zu beurteilen. Die Tatbestandswürdigung des Finanzgerichts, das nach den in Betracht kommenden Größenordnungen und dem geschäftlichen Erfolg der Baumaßnahmen solche nachteiligen geschäftlichen Dispositionen als Auswirkungen der ursprünglich falschen Besteuerung verneint hat, ist nicht zu beanstanden.
Der Senat kann jedoch nicht der Auffassung der Vorinstanz über das Verhältnis des § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG zu § 7b EStG folgen. überführt ein Steuerpflichtiger ein zu seinem Betriebsvermögen gehöriges Wirtschaftsgut in das Privatvermögen, so ist die Entnahme mit dem Teilwert anzusetzen. Handelt es sich um ein Wohngebäude, für das - wie im Streitfall - die besonders in den ersten Jahren ins Gewicht fallenden erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG voll in Anspruch genommen sind, so wird - insbesondere unter dem Einfluß der ständig gestiegenen Grundstücks- und Gebäudepreise - der Teilwert regelmäßig höher sein als der Buchwert. Der Teilwert des Gebäudes von 213 000 DM darf zur Ermittlung des Buchgewinns nicht um die in Anspruch genommenen erhöhten AfA nach § 7b EStG von 44 320 DM gekürzt werden. Der Senat vermag insofern weder der Rechtsauslegung der Vorinstanz über das Verhältnis des § 6 Abs. 1 Ziff. 4 zu § 7 b EStG noch der weiteren aus dem Sinn und Zweck der Wohnungsbauförderung nach § 7 b abgeleiteten freien Rechtsschöpfung des Finanzgerichts zu folgen. Der Ausgangspunkt dieser Betrachtung trifft nicht zu. Die beiden Vorschriften sind im Verhältnis zueinander weder vorrangig noch nachrangig, sie konkurrieren überhaupt nicht miteinander. Sie lösen nur auf Grund ihrer selbständigen Tatbestandsmäßigkeit bestimmte steuerliche Wirkungen aus, durch deren Aufeinanderfolge die zunächst in Anspruch genommene steuerliche Vergünstigung auf Grund eines neuen Sachverhaltes im Ergebnis wieder beseitigt wird. Diese Auswirkungen verschiedener Steuervorschriften sind aber nicht ungewöhnlich und nicht auf § 7b-Zusammenhänge beschränkt.
Auf keinen Fall berechtigen solche Sachverhalte zu einer vom klaren Wortlaut abweichenden Auslegung des Gesetzes um zu einer angeblich sinnvolleren rechtlichen Beurteilung zu gelangen. Auch aus der allgemeinen Zielsetzung des § 7 b EStG läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Die von der Vorinstanz vorgenommene vage Unterscheidung zwischen der "objektiven" Bewertungsfreiheit des § 7b EStG und den "subjektiven" sonstigen Bewertungsfreiheiten kann die Abweichung von einem Eckpfeiler des Bilanzsteuerrechts, nämlich dem Ansatz des Teilwerts für Entnahmen aus dem Betriebsvermögen nicht begründen. Die einmal erlangte Steuervergünstigung des § 7b EStG geht durch die Besteuerung stiller Reserven im Fall einer Entnahme aus dem Betriebsvermögen nicht wieder verloren, wie auch aus der gesetzlichen Regelung über den Wertansatz bei Entnahmen folgt (§ 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG). Zu Recht weist der Bf. darauf hin, daß auch der Veräußerer geringwertiger, bei ihrer Anschaffung sofort nach § 6 Abs. 2 EStG über Unkosten abgeschriebener Wirtschaftsgüter mit dem gleichen Recht die Beibehaltung dieser Vergünstigung verlangen könnte, wenn auf den objektiven volkswirtschaftlichen Zweck des § 6 Abs. 2 EStG abgestellt werden müßte.
Würde der Auffassung der Vorinstanz gefolgt werden, so verdient auch der Einwand des Bf. Beachtung, daß ein Steuerpflichtiger durch die hinsichtlich der § 7b-AfA erfolgsneutrale überführung von Wohngebäuden ins Privatvermögen und ihre spätere nicht der Einkommensteuer unterliegende Veräußerung einen weiteren Vorteil gegenüber demjenigen Steuerpflichtigen erlangen würde, die wegen unmittelbarer Veräußerung aus dem Betriebsvermögen den vollen Veräußerungsgewinn einschließlich des aus der aufgelösten § 7b-AfA bestehenden Anteils versteuern müssen. Mit § 6 StAnpG wäre hier kaum eine Steuerpflicht zu begründen, wenn bei der Entnahme der Teilwert in der von der Vorinstanz zugelassenen Weise gekürzt werden dürfte und die Veräußerung, wie dies für solche Fälle angenommen werden kann, nach Ablauf der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Ziff. 1 a EStG erfolgen würde.
Die Weiterführung der Rechtsauffassung des Finanzgerichts könnte sogar den Gedanken nahelegen, auch bei Veräußerungen von betrieblichen Wohngebäuden durch den Ersteller diesem die Vergünstigung des § 7 b EStG durch entsprechende Kürzung des Veräußerungsgewinns um die bisher bereits in Anspruch genommenen Sonder-AfA nach § 7 b zu belassen.
Im Schrifttum ist bisher der vorliegende Sachverhalt nicht ausführlich behandelt worden. Das beruht wohl darauf, daß an der Eigenständigkeit des § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG gegenüber § 7 b EStG kein ernsthafter Zweifel aufgetreten ist. Vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 21b zu § 7b; Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, Anm. 15b zu § 7b; Längsfeld, Betriebs-Berater 1958 S. 731 (S. 735 linke Spalte 3. Abs.). Der Vorschlag von Diehl in Finanz-Rundschau 1960 S. 551, sich bei der Entnahme aus dem Betriebsvermögen auf die Auflösung derartiger stiller Reserven zu beschränken, die nicht durch die Steuervergünstigung nach § 7b EStG entstanden sind, entspricht dem Vorgehen der Vorinstanz, ist aber, wie der Verfasser nicht verkannt hat, mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren.
Fundstellen
Haufe-Index 411600 |
BStBl III 1965, 380 |
BFHE 1965, 363 |
BFHE 82, 363 |
BB 1965, 736 |
DB 1965, 956 |
DStR 1965, 428 |