Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Angemessener Bruchteil analog der Regelvergütung. Prozentualer Aufschlag bei Bestimmung zum starken vorläufigen Verwalter. Tätigkeitsvergütung
Leitsatz (amtlich)
a) Ein Vergütungssatz von 25 % der Staffelvergütung gem. § 2 InsVV ist beim vorläufigen Insolvenzverwalter als Ausgangssatz angemessen. Von diesem kommen je nach Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit Zu- oder Abschläge in Betracht.
b) Allein die Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter rechtfertigt nicht generell einen Vergütungszuschlag.
Normenkette
InsVV § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer des LG Hannover v. 29.8.2002 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 5.306 Euro.
Gründe
I.
Der weitere Beteiligte war v. 20.3.2002 bis zum 4.7.2002 vorläufiger Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner betrieb eine Arztpraxis mit vier Mitarbeitern. Die Verfügungsbefugnis des Schuldners war nach den Anordnungen des Insolvenzgerichts auf den weiteren Beteiligten übergegangen. Dieser führte den Betrieb fort und richtete ein Sonderkonto ein, über das der Zahlungsverkehr abgewickelt wurde.
Das Insolvenzgericht setzte die Vergütung des weiteren Beteiligten nach einem Massewert von 41.072,13 Euro auf 30 % des Regelsatzes gem. § 2 InsVV zzgl. Mehrwertsteuer und Auslagen, mithin auf den Gesamtbetrag von 5.610,02 Euro fest. Dabei wurden 25 % für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters und 5 % für die Unternehmensfortführung (Zuschlag analog § 3 InsVV) angesetzt. Den weiter gehenden Vergütungsantrag wies das Gericht zurück. Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der weitere Beteiligte beantragt, seine Vergütung auf 10.916,55 Euro zu erhöhen. Er hat geltend gemacht, die Vergütung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters sei im Regelfall mit 50 % der Staffelvergütung des § 2 InsVV festzusetzen. Für die Unternehmensfortführung sei außerdem ein Zuschlag von 10 % zu gewähren.
Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte seinen Erhöhungsantrag aus der Beschwerdeinstanz weiter.
II.
Die gem. §§ 7 und 4 InsO i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO, §§ 575, 576 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 InsVV soll die - gesondert zuzusprechende - Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters - wegen des begrenzten zeitlichen und sachlichen Rahmens - einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters nicht überschreiten. Ergänzend gelten nach § 10 InsVV die §§ 1 bis 9 InsVV über dessen Vergütung entsprechend, d. h. soweit dies mit den Aufgaben und Tätigkeiten des erst vorläufigen Verwalters vereinbar ist. Den Unterschieden zwischen den beiderseitigen Aufgaben- und Pflichtenkreisen ist angemessen Rechnung zu tragen. Die Festlegung des angemessenen Bruchteils der Vergütung, die dem vorläufigen Insolvenzverwalter zuzubilligen ist, fällt in den Bereich tatrichterlicher Würdigung (BGH, Urt. v. 4.7.2002 - IX ZB 31/02, BGHReport 2002, 1064 = WM 2002, 1694 [1695]). In welcher Höhe der angemessene Bruchteil analog der Regelvergütung des Verwalters für den Regelfall der vorläufigen Verwaltung bestehen soll, sagt § 11 Abs. 1 InsVV - im Gegensatz etwa zu § 12 Abs. 1 InsVV (Vergütung des Sachwalters) - nicht.
2. In der Praxis werden dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Regelfall 25 % der Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters zugebilligt (OLG Braunschweig ZInsO 2000, 336; OLG Celle ZInsO 2001, 948 [950]; OLG Stuttgart v. 1.3.2001 - 8 W 376/00, ZIP 2001, 2185 [2187]; OLG Dresden v. 26.6.2002 - 13 W 0144/02, ZIP 2002, 1365; LG Baden-Baden v. 21.12.1998 - 3 T 43/97, ZIP 1999, 1138; LG Braunschweig ZInsO 2001, 552; AG Göttingen NZI 1999, 469; Hess, InsVV, 2. Aufl., § 11 Rz. 9, 15; Blersch, InsVV § 11 Rz. 32). Das ist auch nach Ansicht des Senats der angemessene Ausgangssatz, von dem je nach Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit Zu- oder Abschläge in Betracht kommen (vgl. BGH v. 14.12.2000 - IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165 [178 f.] = MDR 2001, 592 = BGHReport 2001, 263).
Umstritten ist in Rechtsprechung und Schrifttum, ob allein die Bestimmung zum starken vorläufigen Verwalter einen prozentualen Aufschlag - unabhängig von der konkret entfalteten Tätigkeit - rechtfertigt. Teilweise wird diese Frage bejaht, wobei unterschiedliche Gesamtprozentsätze (25 % "Regelsatz" + Zuschlag für starken vorläufigen Verwalter) angegeben werden (OLG Stuttgart v. 1.3.2001 - 8 W 376/00, ZIP 2001, 2185 [2187]: insgesamt 1/3 [für schwachen Verwalter mit Zustimmungsvorbehalt bei faktischer Entsprechung mit den Aufgaben des starken Verwalters]; Eickmann, Vergütungsrecht, 2. Aufl., § 11 Rz. 14: insgesamt 40 %; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2000, Rz. 184: insgesamt 40 %; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, § 63 Rz. 35: insgesamt 40 bis 50 %; Hess, InsVV, 2. Aufl., § 11 Rz. 6: wohl insgesamt 50 %). Andere lehnen einen solchen generellen Zuschlag ab (OLG Braunschweig ZInsO 2000, 336; OLG Celle ZInsO 2001, 948 [950]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 32, 33).
3. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
a) Für die Richtigkeit dieser Ansicht spricht zunächst der Wortlaut des § 11 InsVV, der keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, die Höhe der Vergütung an eine bloße Rechtsstellung zu knüpfen. In § 11 Abs. 1 S. 1 InsVV ist festgelegt, dass Gegenstand der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters allein dessen Tätigkeit ist. Folgerichtig schreibt § 11 Abs. 1 S. 3 InsVV vor, dass bei der Festsetzung der Höhe Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit zu berücksichtigen sind.
b) Der Systematik einer solchen Tätigkeitsvergütung (vgl. Haarmeyer, ZinsO 2001, 577) entspricht es, für die Bemessung der Vergütung darauf abzustellen, welche konkreten Tätigkeiten der vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen der gerichtlichen Bestellung tatsächlich wahrgenommen hat (vgl. Haarmeyer, ZInsO 2000, 317 [319]). Mit der Bestellung zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter sind zwar eine größere Handlungsbefugnis und ein höheres Haftungsrisiko verbunden. Dieses gesteigerte Handlungspotenzial hat jedoch für sich gesehen keine unmittelbaren gebührenrechtlichen Konsequenzen. Diese treten erst ein, wenn sich die weiter reichende Rechtsmacht in konkreten Tätigkeiten niederschlägt. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass die Vergütung des starken vorläufigen Verwalters höher zu bemessen ist als die eines schwachen. Umgekehrt kann aber die Vergütung eines schwachen vorläufigen Verwalters die eines starken übersteigen, wenn die von ihm entfaltete Tätigkeit umfangreicher war (vgl. Haarmeyer, ZInsO 2000, 320).
Zum Haftungsrisiko hat der weitere Beteiligte nicht dargetan, dass seine Stellung als starker Insolvenzverwalter zu erhöhten Aufwendungen, insbesondere zu gesteigerten Versicherungsprämien geführt hat. Deshalb braucht hier nicht entschieden zu werden, ob eine solche Mehrbelastung bei der Höhe der Vergütung oder im Rahmen von § 4 Abs. 3 InsVV zu berücksichtigen ist.
c) Die Anknüpfung an die konkrete Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters begegnet der mit der Gegenmeinung verbundenen Gefahr, dass das Schuldnervermögen auf Grund pauschaler Vergütung nicht tätigkeitsbezogener Merkmale schon vor der Verfahrenseröffnung durch eine zu hohe Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters erschöpft wird (vgl. dazu BGH v. 14.12.2000 - IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165 [176] = MDR 2001, 592 = BGHReport 2001, 263).
d) Die Amtliche Begründung zu § 11 InsVV (abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster a. a. O. vor § 1 InsVV) steht dem nicht entgegen. Hier heißt es zwar: "Neben der Dauer und dem Umfang ist insbesondere die Art der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters von Bedeutung. In der Höhe der Vergütung sollte sich auch widerspiegeln, dass zwischen einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und einem solchen ohne diese Kompetenz unterschieden werden muss. Erster ist für die Fortführung des Geschäfts verantwortlich und trägt insgesamt ein deutlich höheres Haftungsrisiko. Dies muss sich auch vergütungserhöhend auswirken". Dass sich das höhere Handlungs- und Haftungspotenzial des starken vorläufigen Insolvenzverwalters vergütungsrechtlich auch dann auswirken soll, wenn es sich nicht in konkreten Tätigkeiten verwirklicht hat, ist der Begründung aber nicht zu entnehmen. Der Verzicht des Verordnungsgebers auf Festsetzung einer bestimmten Regelvergütung bei der vorläufigen Insolvenzverwaltung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass für eine bestimmte Art der vorläufigen Insolvenzverwaltung - losgelöst von der konkret entfalteten Tätigkeit - pauschal ein bestimmter Regelsatz angenommen wird.
4. Danach ist die dem weiteren Beteiligten hier bewilligte Vergütung nicht zu beanstanden. Gegen die Bewilligung von insgesamt nicht mehr als 30 % der Staffelvergütung des § 2 InsVV (25 % für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter und 5 % für die Fortführung der Arztpraxis) ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Soweit die Rechtsbeschwerde für die Fortführung des Betriebes weitere 5 % begehrt, hat sie nicht aufgezeigt, dass das LG bei seiner Entscheidung den ihm als Tatsachengericht eingeräumten Spielraum zur Beurteilung des angemessenen Bruchteils der Vergütung nicht eingehalten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 972517 |
BB 2003, 2085 |
NJW 2004, 292 |
NWB 2003, 3588 |
BGHR 2003, 1245 |
NJW-RR 2003, 1417 |
KTS 2004, 63 |
WM 2003, 1869 |
WuB 2004, 629 |
ZIP 2003, 1759 |
DZWir 2003, 471 |
InVo 2004, 96 |
MDR 2003, 1252 |
NZI 2003, 547 |
Rpfleger 2003, 608 |
ZInsO 2003, 791 |
ZVI 2003, 484 |
LMK 2003, 240 |