Leitsatz (amtlich)

Titel i.S. des § 74 AO sind Zahlungstitel i.S. der §§ 259 ff. AO.

Zur Wirksamkeit einer Verfügung, mit der die Finanzbehörde Eigentümergrundschulden gepfändet hat auf der Grundlage eines Bescheides, der die Duldung der Zwangsvollstreckung in die (mit den Grundschulden belasteten) Grundstücke anordnete.

§ 1197 Abs. 1 BGB steht einer Zwangsvollstreckung durch den Pfandgläubiger der Eigentümergrundschuld nicht entgegen.

 

Normenkette

AO 1977 § § 259 ff., §§ 74, 281, 321 Abs. 6, §§ 124-125; BGB § 1197 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz

LG Mainz

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. Mai 1986 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte und seine Mutter waren als Gesellschafter bürgerlichen Rechts Eigentümer der im Grundbuch von D… Band 22 Blatt 970 eingetragenen Grundstücke lfd. Nr. 85 und 87; sie waren zugleich Gesellschafter der 1973 in Konkurs geratenen Philipp M… GmbH, der sie die Grundstücke zur Nutzung überlassen hatten. Wegen rückständiger Steuerschulden der GmbH in Höhe von 132.465,10 DM erließ das Finanzamt W… am 30. November 1977 einen an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichteten und dem Beklagten und seiner Mutter zugestellten Haftungs- und Duldungsbescheid gemäß § 115 RAO; darin wurde aufgegeben, die Zwangsvollstreckung u.a. in die vorgenannten Grundstücke zu dulden. Der Bescheid ist insoweit durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1983 bestätigt worden. Unter Bezugnahme auf diesen Bescheid pfändete das Finanzamt mit Pfändungsverfügung – zugleich Zahlungsaufforderung – vom 4. Januar 1978, gerichtet an den Beklagten und seine Mutter als Gesellschaft bürgerlichen Rechts („Vollstreckungsschuldner), die Eigentümergrundschulden Nr. 10 bis 13 auf den im Haftungsbescheid genannten Grundstücken lfd. Nr. 85 und 87; weiter ordnete es die Einziehung der gepfändeten Rechte an.

Die Pfändung wurde am 8. Februar 1978 in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 18. Dezember 1984 forderte das Finanzamt den Beklagten, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts inzwischen Alleineigentümer der Grundstücke Nr. 85 und 87 und als Gläubiger der gepfändeten Grundschulden im Grundbuch eingetragen ist, ohne Erfolg auf, zur Vermeidung einer Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung 120.507,84 DM aus dem gepfändeten Eigentümerrecht an das Finanzamt zu zahlen.

Mit der vorliegenden Klage hat das klagende Land beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in die beiden im Grundbuch von D… Band 22 Blatt 970 lfd. Nr. 85 und 87 eingetragenen Grundstücke auf Grund der unter lfd. Nr. 10, 11, 12 und 13 eingetragenen, gemäß Verfügung vom 4. Januar 1978 gepfändeten Eigentümergrundschulden zu dulden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.

Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte weiter die Abweisung der Klage. Das klagende Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Das klagende Land bedürfe wie jeder Pfändungsgläubiger zur Befriedigung aus den Grundstücken auf Grund der gepfändeten Eigentümergrundschulden eines dinglichen Titels nach § 1147 BGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Die Pfändungsverfügung des Finanzamts W… vom 4. Januar 1978 sei nicht etwa wegen Fehlens eines zur Vollstreckung geeigneten Titels nichtig, vielmehr sei der Haftungs- und Duldungsbescheid vom 30. November 1977 ein solcher Titel. Er sei zwar nicht auf Zahlung, sondern auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtet; das reiche aber aus. Geldforderung im Sinne der §§ 803 ff. ZPO sei nicht nur eine Forderung auf Leistung in Geld, sondern auch die Haftung für eine Geldleistung als Duldungsschuldner, wie sie hier gegeben sei. Der gemäß § 115 RAO ergangene Bescheid begründe eine persönliche Haftung des Beklagten, die allerdings dinglich beschränkt sei. Auch die Vorschrift des § 1197 Abs. 1 BGB stehe der Vollstreckung nicht entgegen. Sie hindere nur den Eigentümer selbst, die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück zu betreiben; für den Pfändungsgläubiger gelte die Beschränkung jedoch nicht. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens wegen des inzwischen beim Finanzgericht anhängigen Erlaßantrages des Beklagten nach § 227 AO komme nicht in Betracht; das Verfahren vor dem Finanzgericht sei nicht vorgreiflich.

Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das klagende Land hat Anspruch auf einen dinglichen Titel im Sinn des § 1147 BGB.

1. Zu Unrecht hält die Revision die Pfändung der Grundschulden für unwirksam, weil die rechtliche Grundlage hierfür gefehlt habe.

a) Die Revision rügt, der der Pfändung zugrundeliegende Haftungs- und Duldungsbescheid vom 30. November 1977 sei „rechtswidrig und deshalb unbeachtlich”, weil das Finanzamt fehlerhaft nach Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977 (AO) den Bescheid noch auf § 115 Reichsabgabenordnung (RAO) gestützt habe. Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil mit der rechtskräftigen Abweisung der Klage des (jetzigen) Beklagten auf Aufhebung dieses Bescheides durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1983 die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 30. November 1977 auch mit Wirkung für die Zivilgerichte bindend feststeht (BGHZ 86, 226, 232 f.; Senatsurt. v. 12. November 1986, V ZR 273/84, NJW 1987, 773 f. m.w.N.).

b) Unbegründet ist auch die Beanstandung der Revision, der Bescheid vom 30. November 1977 sei deshalb keine für die Pfändung der Eigentümergrundschulden geeignete Grundlage, weil es sich bei diesem Bescheid nur um einen Duldungstitel handle, zur Pfändung einer Grundschuld jedoch ein auf Zahlung lautender Titel erforderlich sei.

Die Zwangsvollstreckung in Grundschulden ist in der Abgabenordnung – in gleicher Weise wie in der ZPO – allerdings nur vorgesehen im Rahmen der Vollstreckung wegen Geldforderungen, nämlich gemäß §§ 321 Abs. 6 i.V.m. 310 AO, die in dem Abschnitt „Vollstreckung wegen Geldforderungen”, §§ 259 ff. AO, stehen (zur ZPO siehe die ebenfalls zu dem Abschnitt „Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen”, §§ 803 ff., gehörenden §§ 857 Abs. 6 i.V.m. 830). Es ist indes anerkannt, daß unter Geldforderung im Sinn der §§ 803 ff. ZPO nicht nur eine auf Leistung in Geld gerichtete Forderung zu verstehen ist, sondern auch die Haftung für eine Geldleistung als Duldungsschuldner (arg. §§ 794 Nr. 5 Satz 2, 592 Satz 2 ZPO; RGZ 103, 137, 139; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. Vorbemerkung vor § 803 Rdnr. 2; Wieczorek/Schütze, ZPO 2. Aufl. § 803 Anm. B 1. b; Baumbach/Hartmann, ZPO 45. Aufl. Grdz. vor § 803 Anm. 1; Thomas/Putzo, ZPO 14. Aufl. vor § 803 Anm. II 1.). Entsprechendes hat im Anwendungsbereich der Abgabenordnung zu gelten, da insoweit Gründe für ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs „Geldforderung” nicht ersichtlich sind. Haftungs- und Duldungstitel im Sinn des § 74 AO oder des früheren § 115 RAO, durch die eine persönliche, jedoch auf bestimmte Gegenstände beschränkte, Haftung für eine Steuerschuld begründet wird (FG Rh-Pf EFG 1978, 254; Nds FG EFG 1981, 58, 59; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO 8. Aufl. § 115 Rdnr. 2; Tipke/Kruse, AO § 74 Rdnr. 5), kommen daher nicht etwa schon grundsätzlich für eine Pfändung von Grundschulden nicht in Betracht, sondern sind Zahlungstitel im Sinn der §§ 259 ff. AO.

c) Der Bescheid vom 30. November 1977 lautet allerdings (soweit er im vorliegenden Zusammenhang von Belang ist) nur auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die Grundstücke Nr. 85 und 87, gepfändet und eingezogen wurden dagegen mit der Verfügung vom 4. Januar 1978 die auf diesen Grundstücken lastenden Eigentümergrundschulden Nr. 10 bis 13. Dies war unzulässig. Die Eigentümergrundschuld ist ein echtes Grundpfandrecht (BGHZ 64, 316, 318), also ein gegenüber dem Eigentum am Grundstück selbständiges Recht; die Verpflichtung, die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück zu dulden, begründet deshalb nicht auch die Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung in eine Eigentümergrundschuld, mit der das Grundstück belastet ist.

Eine andere Frage ist indes, ob diese Fehlerhaftigkeit der Pfändung der Revision zum Erfolg verhelfen kann. Ein im Anwendungsbereich der Abgabenordnung (§ 1 a.a.O.) ergangener Verwaltungsakt bleibt nach § 124 Abs. 2 AO (gleichlautend mit § 43 Abs. 2 VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist; nur bei Nichtigkeit ist er unwirksam, § 124 Abs. 3 AO (gleichlautend § 43 Abs. 3 VwVfG). Nichtig aber ist nach § 125 Abs. 1 AO (gleichlautend § 44 Abs. 1 VwVfG) ein Verwaltungsakt dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umständen offenkundig ist (die in § 125 Abs. 2 AO aufgeführten Nichtigkeitsgründe kommen hier nicht in Betracht; ebensowenig fällt der hier vorliegende Verstoß unter die in § 125 Abs. 3 AO aufgeführten Fälle, in denen Nichtigkeit zu verneinen ist). Ein Vollstreckungsakt, dessen Nichtigkeit nach § 125 AO nicht festgestellt werden kann, bleibt also auch bei Fehlerhaftigkeit wirksam, solange er nicht von Amts wegen oder auf entsprechenden Rechtsbehelf hin in dem dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben worden ist (vgl. auch Tipke/Kruse a.a.O. § 124 Rd. 7); bei Wirksamkeit aber muß der Vollstreckungsakt trotz Aufhebbarkeit auch von den Zivilgerichten hingenommen werden (BGHZ 30, 173, 175; 66, 79, 80 f.; Senatsurt. v. 6. April. 1979, V ZR 216/77, NJW 1979, 2045).

Gemessen an der Generalklausel des § 125 Abs. 1 AO (siehe dazu auch BFH BStBl. 1982 II, 133, 135; Kühn/Kutter/Hofmann a.a.O. § 125 Anm. 1; Tipke/Kruse a.a.O. § 125 Rdnr. 2 und 3) und der allgemeinen Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten (siehe auch hierzu die bereits angeführten Urteile BGHZ 30, 173, 175; 66, 79, 80; Senatsurt. v. 6. April 1979), die von gleichen Grundsätzen ausgeht und daher auch im Anwendungsbereich der Abgabenordnung berücksichtigt werden kann, hält der Senat die Pfändungsverfügung vom 4. Januar 1978 nicht für nichtig. Der fehlerhafte Zugriff auf Eigentümergrundschulden aufgrund eines Titels, der nur den Zugriff auf die damit belasteten Grundstücke gestattet, ist nicht etwa mit dem Fall vergleichbar, daß schon der äußeren Form nach ein Titel fehlt, für den allgemein Nichtigkeit angenommen wird (RGZ 56, 70, 71; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. vor § 704 Rdnr. 129 bis 131; Thomas/Putzo a.a.O. vor § 704 Anm. IX.; Kühn/Kutter/Hofmann, AO 15. Aufl. § 254 Anm. 2), ebensowenig mit dem Fall, daß den an den Inhalt der Pfändungsverfügung selbst zu stellenden Anforderungen nicht Genüge getan ist (Senatsurt. v. 25. Januar 1980, V ZR 161/76, NJW 1980, 1754). Dem hier zur Erörterung stehenden Fehler ist vielmehr ähnliches Gewicht beizumessen wie etwa den Fällen der Pfändung des Kontos einer BGB-Gesellschaft, obschon nur ein Titel gegen einen Gesellschafter vorlag (BGH Urt. v. 5. Mai 1977, II ZR 13/75, WM 1977, 840, 841), der Anordnung von Zwangsverwaltung, ohne daß der Vollstreckungstitel auf den eingetragenen Eigentümer oder dessen Erben gelautet hätte (BGHZ 30, 173), oder einer die Vorschrift des § 831 ZPO außer acht lassenden Pfändung (BGH Urt. v. 21. Mai 1980, VIII ZR 284/79, WM 1980, 870, 871 f.); in diesen Fällen aber wurde der Verwaltungsakt jeweils nur als in dem dafür vorgesehenen Verfahren anfechtbar angesehen. Da die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 4. Januar 1978 nicht auf diesem Wege beseitigt worden ist, hat der Senat somit von ihrem Bestand auszugehen.

2. Die Revision kann auch nicht mit der Beanstandung durchdringen, der Haftungs- und Duldungsbescheid vom 30. Januar 1977 sei mit der Auflösung der BGB-Gesellschaft am 27. November 1978 „wirkungslos” geworden. Das Finanzamt hat schon vor dem behaupteten Zeitpunkt der Auflösung der BGB-Gesellschaft aufgrund des gegen diese gerichteten Haftungs- und Duldungsbescheides die damals im Gesamthandsvermögen der BGB-Gesellschaft befindlichen Eigentümergrundschulden gepfändet. Es ist damit unabhängig davon, ob und wie sich die BGB-Gesellschaft auseinandergesetzt hat, Pfändungsgläubiger dieser Grundpfandrechte geblieben; der Beklagte hat das Grundstückseigentum und die Grundschulden mit dem zugunsten des Finanzamts begründeten Pfandrecht erworben.

3. Dem Anspruch des klagenden Landes steht auch nicht die Vorschrift des § 1197 Abs. 1 BGB entgegen, wonach bei einer Eigentümergrundschuld die Zwangsvollstreckung nicht vom Eigentümer zum Zweck seiner Befriedigung betrieben werden kann.

Ob diese Vorschrift auch für den Pfändungsgläubiger gilt, ist umstritten (desgleichen ihre Geltung für den Vertragspfandgläubiger, was hier jedoch nicht geprüft zu werden braucht). Im Anschluß an die für den Vertragspfandgläubiger vom Reichsgericht (Recht 1916 Nr. 1910) und der sonstigen älteren Rechtsprechung vertretene Auffassung wird dies bejaht – hauptsächlich mit dem Hinweis auf den Gesetzestext sowie dem Argument, daß der Pfändungsgläubiger keine weitergehenden Rechte haben könne als der Rechtsinhaber selbst – von OLG Düsseldorf, NJW 1960, 1723 ff. und LG Darmstadt, MDR 1958, 853; ebenso Wolff/Raiser, Sachenrecht 10. Aufl. § 146 I 1 S. 604; Blomeyer, DRWiss 1941, 110, 123 f.; Horber, NJW 1955, 184 f. Die heute überwiegende Meinung verneint dagegen die Geltung des § 1197 Abs. 1 BGB für den Pfändungsgläubiger: OLG Köln NJW 1959, 2167; LG Bremen NJW 1955, 184; LG Hof Rpfleger 1965, 369 mit zust. Anm. Stöber; BGB-RGRK/Schuster, 11. Aufl. § 1197 Anm. 3; Erman/Räfle, BGB 7. Aufl. § 1197 Anm. 3; Staudinger/Scherübel, BGB 12. Aufl. § 1197 Rdnr. 5; MünchKomm/Eickmann, BGB 2. Aufl. § 1197 Rdnr. 1, 6; Palandt/Bassenge, BGB 46. Aufl. § 1197 Anm. 3 b; Soergel/Baur 11. Aufl. § 1197 Rdnr. 1; H. Westermann NJW 1960, 1723 (abl. Anm. zu OLG Düsseldorf); Kollhosser, JA 1979, 232, 235; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 857 Rdnr. 109). Der Senat schließt sich dieser heute vorherrschenden Meinung an, für die vor allem die vom OLG Köln und von H. Westermann, jeweils a.a.O., dargelegten Gesichtspunkte sprechen:

Schon der Wortlaut des § 1197 Abs. 1 BGB „… so kann er” (d.h. der Eigentümer) „nicht die Zwangsvollstreckung zum Zweck seiner Befriedigung betreiben” (nicht etwa: „so kann die Zwangsversteigerung nicht betrieben werden”), spricht dafür, daß es sich nur um eine für den Eigentümer als Grundschuldgläubiger persönlich geltende Beschränkung handelt. Das entspricht auch der dinglichen Rechtslage und den in Betracht kommenden Interessen. Wie der Senat bereits in BGHZ 64, 316, 318 f. ausgesprochen hat, ist die Eigentümergrundschuld echtes Grundpfandrecht und gewährt grundsätzlich dieselben Rechte wie eine Fremdgrundschuld, insbesondere das Recht, die Zahlung einer bestimmten Geldsumme aus dem Grundstück zu verlangen (§§ 1196, 1191, 1192, 1113 BGB); die Beschränkung des § 1197 Abs. 1 BGB ist demjenigen, der gleichzeitig Grundstückseigentümer und Inhaber der Grundschuld ist, als rein persönliche Beschränkung auferlegt, um die Ausschaltung nachrangiger Gläubiger zu verhindern, die in der Zwangsversteigerung mit ihren Rechten ausfallen könnten. Dieser „Selbstbetrieb” des Eigentümers, so die Motive zum Entwurf des BGB III S. 679, 734, könne nicht gestattet werden, weil dieser dabei eine doppelte, in sich widerspruchsvolle Rolle übernehmen würde. Noch deutlicher heißt es in den Protokollen III 573, der Eigentümer könne mit der Zwangsvollstreckung nur den Nebenzweck verfolgen, sein Grundstück für einen möglichst geringen Preis wiederzuerstehen und die nachfolgenden Rechte zum Erlöschen zu bringen; das sei mißbräuchlich. Danach aber besteht kein rechtfertigender Grund dafür, die Vorschrift des § 1197 Abs. 1 BGB auch auf den Pfändungsgläubiger anzuwenden, da die Interessenlage in diesem Fall anders ist. Der Pfändungsgläubiger vollstreckt zu seiner eigenen Befriedigung, nicht zu einem – im Hinblick auf nachrangige Gläubiger nicht gerechtfertigten – Vorteil des Eigentümers. Daß der Pfändungsgläubiger und der Eigentümer zusammenwirken könnten, um § 1197 Abs. 1 BGB zu umgehen (OLG Düsseldorf a.a.O.), kann eine abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen; eine Umgehung ist durch Abtretung der Eigentümergrundschuld an einen Strohmann des Eigentümers ebenso leicht zu erreichen. Soweit es in BGHZ 64, 316, 318 unten/319 oben heißt, daß erst die Umwandlung in eine Fremdgrundschuld die Möglichkeit einer Vollstreckung in das belastete Grundstück eröffne, sollte damit, wie aus dem Zusammenhang ersichtlich, nicht die Frage einer Vollstreckung durch den Pfändungsgläubiger angesprochen werden.

4. Der inzwischen beim Finanzgericht anhängige Antrag des Beklagten, ihm zu erlassen, die Zwangsvollstreckung gemäß dem Haftungs- und Duldungsbescheid vom 30. November 1977 zu dulden, und die Bezahlung der Steuerschuld bis zur Entscheidung über den Erlaßantrag zu stunden, hindert das klagende Land auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht, seinen Anspruch nach § 1147 BGB zur Vorbereitung der Zwangsvollstreckung aus den gepfändeten Eigentümergrundschulden durchzusetzen. Der Erlaß- und Stundungsantrag hat keine aufschiebende Wirkung; er bleibt jedenfalls solange ohne Einfluß auf die weiteren Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörde, als das Finanzgericht nicht zumindest eine vorläufige Regelung nach § 114 FGO erlassen hat (vgl. BFH BStBl. 1968 II, 443, 444; 1982 II, 307, 308 f.; Tipke/Kruse a.a.O. § 227 Rdnr. 76; Kühn/Kutter/Hofmann a.a.O. § 227 Anm. 8 d). Mit der Zuerkennung eines dinglichen Duldungstitels ist auch nicht der Entscheidung der Finanzbehörden vorgegriffen, ob die Zwangsversteigerung tatsächlich durchgeführt werden soll.

5. Schließlich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht dem Antrag des Klägers nicht stattgegeben, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen bis zur Entscheidung des Finanzgerichts über den Erlaßantrag. Diese Rüge ist unzulässig. Die Ablehnung einer beantragten Aussetzung kann, auch wenn sie, wie hier, in den Gründen des Berufungsurteils erfolgt ist, mit der Revision nicht angefochten werden. Wäre die Aussetzung durch Beschluß abgelehnt worden, wäre der Beschluß unanfechtbar (§§ 148, 252, 548, 567 Abs. 3 ZPO). Für die Frage der Anfechtbarkeit ist die unterschiedliche Form der Entscheidung jedoch ohne sachliche Bedeutung (BGH Urt. v. 1. April 1954, III ZR 296/52, LM ZPO § 252 Nr. 1).

Nach alledem ist die Revision des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609412

BGHZ, 30

NJW 1988, 1026

ZIP 1988, 403

DNotZ 1988, 777

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