Rn 41
Ist der Geschäftsbetrieb eingestellt worden oder ist hiervon im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung mit hinreichender Sicherheit und in naher Zukunft auszugehen, muss die Eröffnungsbilanz unter Zugrundelegung von Zerschlagungswerten erstellt werden; ggfl. muss auch – unter den Voraussetzungen von § 247 Abs. 2 HGB – das Anlage- in das Umlaufvermögen umgegliedert werden, wenn die Veräußerung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums beabsichtigt ist (§§ 270 Abs. 2 Satz 3 AktG, 71 Abs. 2 Satz 3 GmbHG). Der Geschäftsbetrieb kann bereits durch den Schuldner oder aber den vorläufigen Insolvenzverwalter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens – notwendigerweise mit Zustimmung des Gerichts (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) – eingestellt worden sein. Die Einstellung des Geschäftsbetriebs kann allerdings auch durch den Insolvenzverwalter selbst noch vor dem Berichtstermin erfolgen, dies unter den Voraussetzungen von § 158 (Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. Billigung des Gerichts).
Rn 42
Der Zerschlagungswert (Veräußerungswert, Liquidationswert, Versilberungswert, Versteigerungswert, Barwert) ist derjenige Wert eines Wirtschaftsgutes, der voraussichtlich bei einer Trennung aller Vermögensgegenstände und ihrer anschließenden Einzelverwertung durch Verkauf erzielt werden kann. Hierfür sind allerdings stille Reserven grundsätzlich aufzudecken. Dieser Wert ist sowohl von den gegenstandsbezogenen Faktoren (Art, Anschaffungspreis, Nutzungsdauer, Zustand, verwertbare Menge usw.) als auch der (konkreten wie generellen) Marktsituation abhängig, aber insbesondere auch von dem Umstand, dass der Gegenstand in einer Zwangssituation durch den Insolvenzverwalter möglichst schnell verwertet werden muss; letztlich auch von der Verwertungsstrategie des Verwalters und seiner Erfahrung. Der Zerschlagungswert bildet den Mindestwert eines jeden Massegegenstandes.
Rn 43
Nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB müssen die Wertansätze bei der nachfolgenden Bilanz grundsätzlich mit denen der vorausgegangenen Bilanz übereinstimmen. Ob die Wertansätze in der Schlussbilanz des letzten Rumpfgeschäftsjahres vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit denen in der Eröffnungsbilanz auch dann zwingend übereinstimmen müssen, wenn Letztere auf der Grundlage der Einstellung des Geschäftsbetriebs erstellt worden ist, ist streitig. Die wohl überwiegende Meinung im insolvenzrechtlichen Schrifttum hält das für erforderlich. Damit stellt die (spätere) Geschäftseinstellung für die Schlussbilanz ggf. eine werterhellende Tatsache dar, die dort ebenfalls zum Ansatz von Zerschlagungswerten führen muss. Das führt dazu, dass sich die wirtschaftlichen Besonderheiten der Liquidation grundsätzlich bereits im (Rumpf-)Geschäftsjahr vor Insolvenzeröffnung niederschlagen (namentlich der Anfall von Liquidationsaufwand und die Aufdeckung von stillen Reserven bis an die Grenze der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten [§ 253 Abs. 1 Satz 1 HGB]); hierauf gründende Steueransprüche stellen dann ggf. nur Insolvenzforderungen nach § 38 dar.
Rn 44
Das Prinzip der Bewertungsstetigkeit kann dementsprechend bereits mit der Schlussbilanz (berechtigtermaßen: § 252 Abs. 2 HGB) durchbrochen werden. Für diese Auffassung spricht, dass Schlussbilanz und Eröffnungsbilanz auf den gleichen Stichtag abstellen (müssen); zwangsläufig muss dann die (Prognose-)Entscheidung über die Fortführung oder aber Einstellung des Geschäftsbetriebs in beiden Fällen gleich ausfallen. Zudem verbessert eine derartige Rechnungslegung den Schutz der Gläubiger. Dabei ist hinzunehmen, dass die Abbildung der besonderen Liquidationseffekte (namentlich der Abwicklungskosten) bereits im (Rumpf-)Geschäftsjahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ggf. zulasten derjenigen gehen, die wirtschaftlich an diesem Geschäftsergebnis partizipieren.