Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15 000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen als Kraftfahrzeugüberführer für die Klägerin.
Die klagende GmbH ist auf die Überführung von Kraftfahrzeugen spezialisiert. Sie setzte den Beigeladenen zu 3. je einmal im Dezember 2010 und im Januar 2011, den während des Berufungsverfahrens verstorbenen Beigeladenen zu 2. bis Juli 2011 und den Beigeladenen zu 1. bis November 2012 zur Überführung von Kraftfahrzeugen ein. Dazu stellte sie auf einer Internetplattform, teilweise auf registrierte Personen beschränkt, Ausschreibungen ein, die die Beigeladenen jeweils beantworteten. Mit den Beigeladenen zu 1. und 2. unterhielt sie Nachunternehmervereinbarungen, auf deren Grundlage sie ihnen auch telefonisch oder per E-Mail Fahrzeugüberführungen anbot, die binnen 10 bzw 15 Minuten anzunehmen waren. Die Details zu Zeit, Ort, Inhalt und Nebenleistungen wurden von der Klägerin per E-Mail mitgeteilt, sie gab den Ablauf der Überführung (Schadensfeststellung, Meldung, usw) vor. Die Abrechnung erfolgte aufgrund der Luftlinienentfernung zwischen Abhol- und Abgabeort plus 15 Prozent. Die Kosten für die Anfahrt zum Abholort, die Rückfahrt vom Abgabeort und evtl Übernachtungskosten trugen die Beigeladenen selbst.
Die beklagte DRV Bund stellte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung seit dem 3.2.2011 (Statusfeststellungsbescheid vom 17.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 16.2.2012) und die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung des Beigeladenen zu 2. seit 4.1.2011 (Statusfeststellungsbescheid vom 28.9.2011, Widerspruchsbescheid vom 11.4.2012) sowie des Beigeladenen zu 3. seit 18.12.2010 fest (Statusfeststellungsbescheid vom 7.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.4.2012).
Die dagegen gerichteten, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen und die Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Halle vom 24.2.2015, Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 13.12.2022). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, eine Beiladung weiterer Sozialversicherungsträger sei nicht erforderlich, § 75 Abs 2b SGG sei auf obligatorische Statusfeststellungsverfahren beschränkt. § 7a SGB IV finde in seiner bis zum 31.3.2022 geltenden Fassung Anwendung. Es sei nicht Ziel der Gesetzesänderung gewesen, bereits erlassene Statusfeststellungsentscheidungen gegen die ein Rechtsstreit anhängig sei, völlig neu aufzurollen; die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide sei nicht nach neuem, sondern nach dem bis zum 31.3.2022 geltenden Recht zu beurteilen. Die Beklagte sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladenen bei der Klägerin beschäftigt gewesen seien. Sie habe die Sozialversicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in den Zweigen der Sozialversicherung und die Versicherungsfreiheit der Beschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. wegen Entgeltgeringfügigkeit rechtmäßig eingeordnet.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). In der Beschwerdebegründung muss eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert werden (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, inwieweit sich weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben. Auch wenn eine Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden ist, so ist sie als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Schließlich ist im Rahmen der Klärungsfähigkeit darzulegen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Dies ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen beziehen müssen.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin wirft in ihrer Beschwerdebegründung die Fragen auf,
"ob § 7a Abs. 1 SGB IV in der am 1. April 2022 in Kraft getretenen Fassung auf vor dem In-Kraft-Treten der Neufassung von Seiten des Rentenversicherungsträgers abgeschlossene Statusfeststellungsverfahren Anwendung findet, wenn die mündliche Verhandlung in der Berufungsinstanz nach dem 1. April 2022 stattfindet",
"ob ein im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV a.F. durch den Rentenversicherungsträger erlassener Bescheid, der als Anfangsdatum der zu prüfenden Tätigkeit nur das Datum des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung und darüber hinaus keinerlei Angaben zu einzelnen Zeiträumen enthält, in denen die Einzelaufträge durchgeführt worden sind, dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 33 Abs. 1 SGB X genügt",
"ob ein im Statusfeststellungsverfahren durch den Rentenversicherungsträger erlassener Bescheid, der als Anfangsdatum der zu prüfenden Tätigkeit nur das Datum des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung und darüber hinaus keinerlei Angaben zu einzelnen Zeiträumen enthält, in denen die Einzelaufträge durchgeführt worden sind, bei Anwendung der am 1. April 2022 in Kraft getretenen neuen Regelung des § 7a Abs. 1 SGB IV den Vorgaben dieser Regelung und dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 33 Abs. 1 SGB X genügt" und
"ob das Berufungsgericht bei Prüfung einer im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV ergangenen Entscheidung bei Feststellung, dass die tatsächlichen Verhältnisse bei Ausübung der zu prüfenden Tätigkeiten den rahmenvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten entsprechen, verpflichtet ist, den in den Vereinbarungen dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, indizielle Bedeutung beizumessen".
In Bezug auf die mit der ersten und der dritten Frage angesprochene Problematik, ob § 7a Abs 1 SGB IV in der am 1.4.2022 in Kraft getretenen Fassung Anwendung findet, legt die Klägerin unter Berücksichtigung von Literatur und Rechtsprechung zum intertemporalen Recht deren Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dar. Denn grundsätzlich gelten Vorschriften ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens ohne Rückwirkung in die Vergangenheit. Demnach wäre aufzuzeigen gewesen, weshalb sich die aufgeworfenen Fragen auch hinsichtlich solcher Tätigkeiten stellen sollen, die sich nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift hinaus erstrecken. Die Beschwerdebegründung enthält aber weder Ausführungen dazu, dass der Neureglung des § 7a SGB IV eine Rückwirkung zukommen müsste, noch wird dargelegt, dass einer der Beigeladenen seit dem 1.4.2022 noch für die Klägerin tätig geworden wäre oder dies auch nur beabsichtigt hätte. Allein die Behauptung, "die Anwendung des neuen Rechts würde sich vielmehr zugunsten der Klägerin auswirken", genügt den Darlegungsanforderungen nicht. Diesen wird die Klägerin auch nicht durch die Bezugnahme auf die Ausführungen des LSG gerecht, wonach die Anwendung der Neufassung des § 7a SGB IV im Rahmen offener Klageverfahren zur Konsequenz hätte, "dass sämtliche bereits erlassenen Bescheide aufgehoben werden müssten, da diesen ein unzutreffender Prüfungsmaßstab zugrunde läge." Allein mit dem Hinweis auf die rechtlichen Folgen für den Fall der Anwendbarkeit des § 7a SGB IV neuer Fassung ist nicht hinreichend aufgezeigt, weshalb sich die Frage der Anwendbarkeit auf abgeschlossene Tätigkeiten überhaupt stellen soll.
Soweit die Klägerin mit ihrer zweiten und dritten Frage die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes bei Statusfeststellungsentscheidungen mit Einzelaufträgen für grundsätzlich bedeutsam hält, ist schon keine abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern nach der Subsumtion im Einzelfall unter § 33 Abs 1 SGB X gefragt worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist aber unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Ungeachtet dessen fehlt es an einer hinreichenden Darlegung, inwiefern trotz der von der Klägerin selbst zitierten Urteile des Senats vom 19.10.2021 (B 12 KR 29/19 R - BSGE 133, 49 = SozR 4-2400 § 7 Nr 62, RdNr 18; B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 19) noch Klärungsbedarf bestehen soll. Der Senat hält nach diesen Entscheidungen grundsätzlich eine Feststellung im Statusfeststellungsverfahren schon dann für hinreichend bestimmt, wenn sie ausreichend erkennen lässt, dass sie sich auf die Durchführung von Einzelaufträgen zwischen den Beteiligten unter gleichbleibenden Bedingungen bezieht und kein Dauerschuldverhältnis vorliegt. Die Clearingstelle muss im Statusfeststellungsverfahren zu erkennen geben, dass sie die jeweiligen Einzelaufträge zugrunde gelegt hat. Die Klägerin hätte ausführen müssen, inwiefern nach Maßgabe dieser Grundsätze ihre Fragen unbeantwortet bleiben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin auch mit ihrer vierten Frage keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung oder Anwendbarkeit einer konkreten revisiblen Norm aufgeworfen hat. Jedenfalls fehlt es insoweit an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur (fehlenden) Maßgeblichkeit des Willens der Parteien eines Arbeitsvertrags oder Auftragsverhältnisses, die Sozialversicherungspflicht auszuschließen (stRspr; vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R - juris RdNr 17 f; BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 14 jeweils mwN).
2. Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht hinreichend bezeichnet. Sie rügt einen Verstoß gegen § 75 Abs 2 bzw Abs 2b SGG, weil das LSG zu Unrecht keine weiteren Sozialversicherungsträger beigeladen habe. Die Klägerin legt aber nicht hinreichend dar, inwieweit das angefochtene Urteil auf einer fehlenden Beiladung weiterer Sozialversicherungsträger iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG beruhen kann. Allein die Behauptung, andere Sozialversicherungsträger könnten eine andere Meinung zur anwendbaren Fassung des § 7a SGB IV vertreten, stellt - schon weil die Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens nicht hinreichend dargelegt ist - den notwendigen Bezug des gerügten Verfahrensfehlers zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung nicht her (vgl zu einer entsprechenden Anforderung BSG Beschluss vom 7.2.2017 - B 12 KR 50/16 B - juris RdNr 20; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 3 P 6/17 B - juris RdNr 8 f). Auch legt die Klägerin nicht dar, aus welchen Gründen eine fehlende Beiladung der Sozialversicherungsträger oder deren vom LSG abweichende Rechtsmeinung sie in ihren eigenen Rechten beeinträchtigen könnte.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und berücksichtigt, dass die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status in drei verschiedenen Rechtsverhältnissen streitig ist.
Fundstellen
Dokument-Index HI15796762 |