Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidung im Kostenpunkt. Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidung des Kammergerichts (Berlin)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine gerichtliche Entscheidung kann im Kostenpunkt selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, wenn sich der behauptete Verfassungsverstoß ausschließlich auf die Kostenentscheidung bezieht und die Entscheidung in der Hauptsache davon nicht berührt wird.
2. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen § 77 Satz 1 darf im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht dahin ausgelegt werden, daß ein Beschwerdeführer auch dann, wenn er eine Verletzung in seinen Rechten geltend gemacht und im Verfahren obsiegt hat, im Normalfall seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.
Leitsatz (redaktionell)
Der Vorbehalt in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 enthält kein generelles Verbot jeder Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts in allen Berlin unmittelbar oder mittelbar berührenden Sachen. Insbesondere steht er nicht Verfassungsbeschwerden gegen Hoheitsakte des Bundeskartellamts, das seinen Sitz in Berlin hat, entgegen, und zwar auch dann nicht, wenn das Kammergericht gemäß § 62 Abs. 4 GWB über den Rechtsbehelf der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundeskartellamts entschieden hat. Die Funktion des Kammergerichts beruht insoweit auf Bundesrecht und berührt nicht in politisch bedeutsamer Weise die Landeshoheit Berlins, auch wenn es als Gericht des Landes Berlin tätig wird und daher Landesgewalt ausübt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; WettbewG § 77 S. 1; MilGovGGSchr Nr. 4
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 03.05.1982; Aktenzeichen Kart 12/82) |
KG Berlin (Beschluss vom 12.03.1982; Aktenzeichen Kart 5/82) |
Tenor
1. Die Beschlüsse des Kammergerichts vom 12. März 1982 – Kart 4/82 und Kart 5/82 – und vom 3. Mai 1982 – Kart 12/82 – verletzen in ihren Aussprüchen zur Erstattung außergerichtlicher Kosten Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sachen werden an das Kammergericht zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführerinnen die notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, wie die Billigkeitsvorschrift über die Erstattung außergerichtlicher Kosten im kartellrechtlichen Beschwerdeverfahren sowie deren Auslegung durch die Gerichte verfassungsrechtlich zu beurteilen sind.
I.
1. Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1980 (BGBl. I S. 1761) sind den Kartellbehörden im einzelnen geregelte Befugnisse zur Verhinderung gesetzlich mißbilligter Beschränkungen des Wettbewerbs eingeräumt worden. So können sie gegen marktbeherrschende Unternehmen einschreiten, die ihre marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzen; die Kartellbehörden können solches Verhalten untersagen und Verträge für unwirksam erklären (§ 22 Abs. 4 und 5 GWB). Soweit es zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist, können sie von Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen Auskunft über deren wirtschaftliche Verhältnisse verlangen sowie geschäftliche Unterlagen einsehen und prüfen (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB). Die Kartellbehörden werden von Amts wegen oder auf Antrag in einem förmlich geregelten Verwaltungsverfahren tätig, an dem außer dem (etwaigen) Antragsteller des Verfahrens und den von der (beabsichtigten) behördlichen Maßnahme unmittelbar Betroffenen auch Dritte beteiligt sind, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen worden sind (§ 51 Abs. 2 GWB).
Gegen Verfügungen der Kartellbehörde steht den am Verwaltungsverfahren Beteiligten die Beschwerde zum Oberlandesgericht zu (Anfechtungsbeschwerde, § 62 Abs. 1 und 2 GWB). Ferner ist die Beschwerde gegen die Unterlassung einer beantragten Verfügung zulässig, auf deren Vornahme der Antragsteller ein Recht zu haben behauptet (Verpflichtungsbeschwerde, § 62 Abs. 3 GWB). Diese Rechtsbehelfe werden allgemein als Mittel verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes aufgefaßt. Bei der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens hat der Gesetzgeber auf Grundsätze des Verfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der freiwilligen Gerichtsbarkeit zurückgegriffen; durch die Konzentration aller Rechtssachen aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bei den Zivilgerichten wollte er die einheitliche Anwendung des Gesetzes sicherstellen.
Die kartellverwaltungsrechtliche Beschwerde ist ihrem Wesen nach kein Rechtsmittel, sondern leitet ein erstinstanzliches gerichtliches Verfahren ein. An ihm sind nach § 66 Abs. 1 GWB außer dem Beschwerdeführer die Kartellbehörde, deren Verfügung angefochten wird, sowie die schon erwähnten Dritten beteiligt, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden und die die Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen hat (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 GWB). Die Beteiligten unterliegen vor dem Beschwerdegericht einem Anwaltszwang (§ 67 Abs. 1 Satz 1 GWB). Die Kartellbehörde kann sich allerdings gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 GWB durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen.
2. Zur Erstattung außergerichtlicher Kosten im Beschwerdeverfahren findet sich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen folgende Regelung, die seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1958 (vgl. § 109 Abs. 1 GWB vom 27. Juli 1957, BGBl. I S. 1081) unverändert geblieben ist:
§ 77
Im Beschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren kann
das Gericht anordnen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden
Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten
ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit
entspricht. Hat ein Beteiligter Kosten durch ein unbegründetes
Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden veranlaßt, so sind ihm
die Kosten aufzuerlegen. Im übrigen gelten die Vorschriften der
Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die
Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.
Diese Regelung wurde während der Ausschußberatungen zunächst als § 60 b in den Gesetzesentwurf eingefügt. Im Bericht des federführenden Bundestagsausschusses für Wirtschaftspolitik war dazu bemerkt worden, die Kostentragungspflicht richte sich nicht automatisch nach dem Ausgang der Rechtsbeschwerde, sondern könne vom Gericht nach Billigkeitsgrundsätzen einem Beteiligten auferlegt werden (zu BTDrucks. II/3644, S. 37). Im Rechtsausschuß wurde auf die Frage, es sei also nicht beabsichtigt, dem im Prozeß Obsiegenden unter allen Umständen die Kostenerstattung durch den unterlegenen Gegner zu verschaffen, seitens der Vertreter des Bundesministers der Justiz ausgeführt: Man habe sich mit der Vorschrift an das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit angelehnt; es dürfte eine Parallele gegeben sein, weil es sich um ein entsprechendes Verfahren handele und es auch hier richtig sein dürfte, auf die Billigkeit abzustellen (Protokoll der 219. Sitzung des Rechtsausschusses vom 31. Mai 1957, S. 20 f.). Die vorgeschlagene Regelung wurde sodann im weiteren Gesetzgebungsverfahren beschlossen, ohne daß es darüber noch zu einer weiteren Erörterung gekommen ist.
3. Der Bundesgerichtshof versteht in seiner Rechtsprechung die Vorschrift des § 77 Satz 1 GWB seit jeher so, daß jeder Beteiligte im Normalfall die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, ohne daß es auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ankommt (WuW/E BGH 472, 476; 852, 856; 1435, 1443; 1604, 1607; 1824, 1828). Zur Begründung führt er aus, der Gesetzgeber hätte nicht ausdrücklich auf die Billigkeit abgestellt, sondern beispielsweise eine dem § 91 ZPO entsprechende Regelung getroffen, wenn es für die Billigkeitsentscheidung regelmäßig auf den Verfahrensausgang hätte ankommen sollen; auch der Schluß aus der Ausnahmeregelung des § 77 Satz 2 GWB ergebe, daß nicht etwa eine Kostentragung durch den unterlegenen Beteiligten als grundsätzlich der Billigkeit entsprechend angesehen werden könne (so etwa: WuW/E BGH 1604, 1607). Auch das Kammergericht entschied ursprünglich in ständiger Rechtsprechung, es entspreche der Tendenz des Gesetzes, daß im Regelfall jeder Beteiligte seine eigenen Kosten selbst dann tragen solle, wenn sein Sachantrag Erfolg gehabt habe (KG WuW/E OLG 936, 937; 1321, 1323; 1429, 1440; 1443, 1445; 1722, 1723). Später vertrat es indessen die Auffassung, daß es jedenfalls für die Verfahren, in denen die Kartellbehörde von Amts wegen in die Rechte von Unternehmen eingegriffen habe, nicht mehr haltbar sei, bei den Billigkeitserwägungen gemäß § 77 Satz 1 GWB den Verfahrensausgang grundsätzlich außer Betracht zu lassen (KG WuW/E OLG 1776, 1777; 1745, 1757 f.; 1983, 1988; 2120, 2125 f.; 2411, 2419). In neuerer Zeit ist das Kammergericht davon wieder abgerückt und – wie auch in den angegriffenen Entscheidungen – zu einer der Auffassung des Bundesgerichtshofes entsprechenden Auslegung des § 77 Satz 1 GWB zurückgekehrt (vgl. KG WuW/E OLG 2607, 2612; 2617, 2620).
In der Rechtslehre werden vereinzelt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsprechung geäußert, den Verfahrensausgang nicht in die Billigkeitserwägungen nach § 77 Satz 1 GWB einzubeziehen (vgl. Ipsen, BB 1976, S. 954 (958 f.); von Renthe gen. Fink, in: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Europäisches Kartellrecht, Gemeinschaftskommentar, 4. Aufl., 7. Lieferung 1984, Rdnrn. 2, 4 und 7 zu § 77).
II.
In den Ausgangsverfahren hatten sich die Beschwerdeführerinnen – inländische Mineralölunternehmen – mit (Anfechtungs-) Beschwerden gemäß § 62 Abs. 1 GWB gegen Beschlüsse des Bundeskartellamts gewandt, in denen ihnen aufgegeben worden war, umfangreiche Fragen zur Preisentwicklung für Vergaserkraftstoff an ihren Selbstbedienungstankstellen zu beantworten. Die auf § 46 GWB gestützten Beschlüsse waren in Verwaltungsverfahren ergangen, die das Bundeskartellamt gegen die Beschwerdeführerinnen wegen Verdachts des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eingeleitet hatte. Die Beschwerden waren erfolgreich; das Kammergericht hob die angefochtenen Beschlüsse auf, weil kein Anfangsverdacht bestehe, daß die Beschwerdeführerinnen eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 22 Abs. 4 GWB mißbräuchlich ausgenutzt hätten. In allen drei Entscheidungen heißt es:
Die Gerichtskosten werden dem Bundeskartellamt auferlegt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Verfahrenswert wird auf 200 000 DM festgesetzt.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Senat habe seine bisherige Rechtsprechung, den Verfahrensausgang bei den Billigkeitserwägungen nach § 77 GWB einzubeziehen, angesichts entgegenstehender Entscheidungen des Bundesgerichtshofes aufgegeben. Das bloße, auch vorhersehbare, Unterliegen (der Kartellbehörde) lasse eine Erstattungsanordnung noch nicht als durch die Billigkeit geboten erscheinen.
III.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die Beschlüsse des Kammergerichts, soweit dort über die außergerichtlichen Kosten entschieden worden ist, und mittelbar gegen die Vorschrift des § 77 Satz 1 GWB.
Die Beschwerdeführerinnen rügen in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie halten die Verfassungsbeschwerden für zulässig und führen zur Begründung im wesentlichen aus:
Der in § 77 Satz 1 GWB verwendete Begriff der Billigkeit werde im Rechtsleben und in der Gesetzgebungspraxis durchgehend im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit verstanden und verwendet. Für einen abweichenden Sprachgebrauch in § 77 Satz 1 GWB bestehe kein Anhalt. Danach sei es unzulässig, die Vorschrift so zu interpretieren, daß die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten auch bei Obsiegen des Beschwerdeführers zum gesetzlichen Regelfall, die Erstattung dagegen zum Sonderfall erklärt werde. Es müsse vielmehr in jedem Einzelfall anhand aller Umstände geprüft werden, was gerecht sei. Es treffe nicht zu, daß der Gesetzeswortlaut die Auffassung des Gesetzgebers zum Ausdruck bringe, jeder Beteiligte habe im Normalfall seine Kosten selbst zu tragen. Diese Schlußfolgerung lasse sich auch nicht aus dem Zusammenhang der Sätze 1 und 2 des § 77 GWB ableiten. Aus der Entstehungsgeschichte des Satzes 1 ergebe sich lediglich, daß der Gesetzgeber keine Kostenregelung habe beschließen wollen, nach welcher der im Prozeß Obsiegende unter allen Umständen eine Kostenerstattung von dem unterlegenen Gegner beanspruchen könne.
Das Kammergericht verkenne die Einwirkungen der Grundrechte, insbesondere des Art. 3 GG, auf die Billigkeitsvorschrift. Bei der Normierung der Grundsätze der Kostenverteilung sei der Gesetzgeber an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. Das Bundesverfassungsgericht habe es wiederholt als einen in allen verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren verwirklichten Grundsatz angesehen, daß der unterliegende Teil dem obsiegenden die notwendigen Auslagen, insbesondere die Anwaltskosten, zu erstatten habe; abweichende Sonderregelungen müßten durch einleuchtende Gründe hinreichend gerechtfertigt sein. Rein fiskalische Gesichtspunkte reichten dafür nicht aus. Einiges spreche dafür, daß die von der üblichen Kostenverteilung in Verwaltungsstreitsachen abweichende Sonderregelung des § 77 Satz 1 GWB in jeder Auslegung verfassungswidrig sei. Insbesondere lege die verfehlte Anlehnung der Vorschrift an § 13 a FGG diesen Schluß nahe. Mittlerweile habe sich die Auffassung durchgesetzt, daß das Verfahren nach §§ 62 ff. GWB kein dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechendes Beschwerdeverfahren, sondern ein Verwaltungsstreitverfahren sei. Die unterschiedliche Behandlung des kartellrechtlichen Verwaltungsstreitverfahrens gegenüber den sonstigen Verwaltungsstreitverfahren in kostenrechtlicher Hinsicht sei sachlich nicht gerechtfertigt. Der Verstoß der angegriffenen Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG entfalle nicht deshalb, weil der Grundsatz der Selbsttragung der außergerichtlichen Kosten nicht nur für die Beschwerdeführer, sondern auch für die Kartellbehörde gelte. Wie schon in der Rechtsprechung des Kammergerichts (WuW/E OLG 1776, 1779) ausführlich dargelegt worden sei, entspreche § 77 Satz 1 GWB der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Waffen- und Chancengleichheit in bezug auf den Auslagenersatz nur in äußerlich formaler, nicht aber in materieller Weise.
Sollte § 77 Satz 1 GWB einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sein, müsse diese dahin gehen, daß eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten durch die öffentliche Hand immer dort zwingend geboten sei, wo diese Kosten aus der erfolgreichen Bekämpfung rechtswidriger Verfügungen im Bereich der kartellbehördlichen Eingriffsverwaltung notwendig erwachsen seien. Mit der Verfassung unvereinbar sei in jedem Falle eine Interpretation der Vorschrift, die unter völliger Außerachtlassung des Verfahrensausgangs die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten zum gesetzlich geforderten Regelfall, die Erstattung dagegen zum Ausnahmefall mache.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben der Bundesminister für Wirtschaft namens der Bundesregierung, der Präsident des Bundesgerichtshofes, der Präsident des Bundeskartellamtes sowie der Bayerische Ministerpräsident Stellung genommen.
1. Der Bundesminister vertritt den Standpunkt, daß die angegriffenen Kostenentscheidungen Grundrechte der Beschwerdeführerinnen nicht verletzten. Es sei nicht geboten, den Verfahrensausgang im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 77 Satz 1 GWB zu berücksichtigen. Dagegen spreche schon der Wortlaut der Vorschrift, die sich insoweit bewußt von den Regelungen der § 91 ZPO, § 154 VwGO unterscheide. Aus dem Zusammenhang der Regelungen in § 77 Sätze 1 und 2 GWB ergebe sich, daß jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst trage. Nach der gesetzlichen Regelung gelange die Behörde als Verfahrensbeteiligte in eine mit dem anderen Beteiligten vergleichbare Kostensituation; dies genüge, um einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen. Auch das Kartellamt erhalte im Falle des Obsiegens grundsätzlich vom Beschwerdeführer keinen Ersatz für seine außergerichtlichen Kosten. Es existiere kein umfassendes System des Inhalts, daß der unterliegende Teil der obsiegenden Partei auch die außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe. Vielmehr gebe es eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen, nach denen außergerichtliche Kosten nicht zwingend zu erstatten seien; diese erfaßten zum Teil auch kontradiktorische Verfahren.
2. Der Bayerische Ministerpräsident sieht gleichfalls keine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerinnen durch § 77 Satz 1 GWB oder dessen Auslegung in den angegriffenen Beschlüssen. Unterschiedliche Prozeßordnungen und besondere Gerichte für die Entscheidungsfindung charakterisierten die kartellverwaltungsgerichtlichen Verfahren als nicht dem – allgemeinen – Verwaltungsgerichtsverfahren zugehörig. Der Ausschluß der Kostenerstattung für beide Seiten sei sachgerecht. Dies folge bereits aus der Vertretungsregelung nach § 67 Abs. 1 Satz 2 GWB. Kartellverwaltungsgerichtliche Verfahren würden in der Regel als Musterverfahren im Interesse nicht nur des betroffenen Unternehmens, sondern des von gleichgelagerten Sachverhalten betroffenen Wirtschaftsbereichs und im Interesse des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts „Freiheit des Wettbewerbs” durchgeführt. Der besondere Charakter dieser Verfahren rechtfertige das Motiv des Gesetzgebers, das Kostenrisiko zu begrenzen und bei der Entscheidung über die Kostenerstattung nicht automatisch an den Ausgang des Rechtsstreits anzuknüpfen, sondern von einer Erstattung außergerichtlicher Kosten für den Regelfall abzusehen. Es sei sachgerecht, die Kostenlast durch die Ausklammerung der gegnerischen außergerichtlichen Kosten niedriger und das Prozeßkostenrisiko so kalkulierbar zu halten.
3. Auch nach Meinung des Präsidenten des Bundesgerichtshofes verletzen die angegriffenen Entscheidungen keine Grundrechte der Beschwerdeführerinnen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, nach der jeder Beteiligte unabhängig vom Verfahrensausgang die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen habe, gehe von der Verfassungsmäßigkeit des § 77 Satz 1 GWB aus. Es gebe keinen in allen Verfahrensordnungen ausnahmslos verwirklichten Grundsatz, daß stets der Unterliegende die Kosten zu tragen habe und der Obsiegende seine notwendigen Auslagen erstattet erhalte. Ein besonderer sachlicher Grund für die Regelung des § 77 Satz 1 GWB bestehe darin, daß die Gerichte in Kartellverwaltungssachen regelmäßig mit Rechtsfragen grundsätzlicher Art befaßt seien und rechtsfortbildend tätig würden; die Klärung derartiger Fragen liege nicht nur im Interesse der am Verfahren Beteiligten, sondern auch im Interesse der Öffentlichkeit.
4. Der Präsident des Bundeskartellamts gelangt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß weder § 77 Satz 1 GWB selbst noch dessen Auslegung durch die angegriffenen Beschlüsse des Kammergerichts Grundrechte der Beschwerdeführerinnen verletzten. Insbesondere werde das Gebot der Waffengleichheit der Verfahrensbeteiligten durch die Vorschrift in der angegriffenen Auslegung nicht angetastet. Der Grundsatz der Selbsttragung der außergerichtlichen Kosten gelte auch für die beteiligte Kartellbehörde. Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht daraus, daß die Beschwerdeführerinnen einem Anwaltszwang unterlägen, während die Kartellbehörden sich in allen Instanzen selbst vertreten könnten. Denn das Bundeskartellamt verfüge über eine besonders aufwendige personelle Ausstattung, deren Kosten den Anwaltskosten des jeweiligen Beschwerdeführers entsprächen. Die Regelung des § 77 Satz 1 GWB in der angegriffenen Auslegung sei im Ergebnis für die Betroffenen nicht nachteiliger als andere Regelungen, die regelmäßig eine Kostenerstattung vorsähen. Sie wirke sich im Falle des Obsiegens zwar zum Nachteil des Betroffenen aus, weil er seine Anwaltskosten nicht ersetzt erhalte. Im Falle seines Unterliegens brauche er aber auch die außergerichtlichen Kosten seines Gegners nicht zu tragen. Das habe den Vorteil, daß das Kostenrisiko überschaubar sei. Der Betroffene wisse von vornherein, daß er an außergerichtlichen Kosten äußerstenfalls nur das zu tragen habe, was er selbst aufwende. Es sei fraglich, ob das kartellrechtliche Beschwerdeverfahren ohne weiteres mit dem Verwaltungsprozeß gleichgesetzt werden könne. Der Gesetzgeber habe eine den Besonderheiten des Kartellrechts entsprechende eigenständige Form des Rechtsschutzes geschaffen und sich dabei sowohl an der Beschwerde nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als auch am Verwaltungsprozeß orientiert. Das geltende Recht kenne zahlreiche kontradiktorische Verfahren, in denen sich die Beteiligten mit materiell entgegengesetzten Interessen gegenüberständen, ohne daß dem obsiegenden Teil ein jederzeit gültiger Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten eingeräumt sei. Daher ständen Erstattungspflicht und Selbsttragung außergerichtlicher Kosten im geltenden Recht nicht in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, sondern gleichberechtigt nebeneinander.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden steht nicht entgegen, daß sie sich gegen Entscheidungen des Kammergerichts in Berlin richten.
Der Vorbehalt in Nr. 4 des Genehmigungsschreibens der Militärgouverneure zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 enthält kein generelles Verbot jeder Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts in allen Berlin unmittelbar oder mittelbar berührenden Sachen (BVerfGE 20, 257 (266); 37, 57 (62)). Insbesondere steht er nicht Verfassungsbeschwerden gegen Hoheitsakte des Bundeskartellamts, das seinen Sitz in Berlin hat (§ 48 Abs. 1 GWB), entgegen, und zwar auch dann nicht, wenn das Kammergericht gemäß § 62 Abs. 4 GWB über den Rechtsbehelf der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundeskartellamts entschieden hat (BVerfGE 20, 257 (267)). Die Funktion des Kammergerichts beruht insoweit auf Bundesrecht und berührt nicht in politisch bedeutsamer Weise die Landeshoheit Berlins, auch wenn es als Gericht des Landes Berlin tätig wird und daher Landesgewalt ausübt (BVerfGE 20, 257 (267 f.)). Ein prinzipieller Unterschied zu dem im Beschluß vom 11. Oktober 1966 (BVerfGE 20, 257) entschiedenen Sachverhalt ergibt sich nicht daraus, daß sich die Beschwerdeführerinnen ausschließlich gegen Kostenentscheidungen des Kammergerichts wenden. Diese stehen als Nebenentscheidungen im Zusammenhang mit einem Ausspruch in der Hauptsache, der seinerseits vom Berlin-Vorbehalt nicht betroffen wird.
2. Die Verfassungsbeschwerden sind auch nicht deshalb unzulässig, weil sie sich (lediglich) gegen Kostenentscheidungen richten und nicht (auch) gegen die damit verbundenen Entscheidungen in der Hauptsache.
Allerdings ist es nach fast allen Verfahrensordnungen unzulässig, die Entscheidungen über die Kosten anzufechten, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird (§ 99 Abs. 1 ZPO; § 158 Abs. 1 VwGO; § 144 Abs. 3 SGG; § 145 Abs. 1 FGO). Auf diese Verfahrensregelungen hat das Bundesverfassungsgericht auch für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zurückgegriffen und den Grundsatz aufgestellt, daß eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung im allgemeinen unzulässig ist, wenn der Beschwerdeführer nicht (mehr) durch die Entscheidung in der Hauptsache, sondern nur noch durch die Nebenentscheidung über die Kosten belastet wird (BVerfGE 33, 247 (256 ff.)).
Dieser Grundsatz steht indessen den vorliegenden Verfassungsbeschwerden nicht entgegen. Er ist für Fälle entwickelt worden, in denen der Beschwerdeangriff die Entscheidung in der Hauptsache betraf, als Angriffsziel aber nur noch die Kostenentscheidung verblieben war, weil die in der Hauptsacheentscheidung enthaltene Beschwer durch Erledigung nachträglich weggefallen war. Für solche Fälle findet der genannte Grundsatz seine Rechtfertigung in der Erwägung, daß nicht allein wegen der Kostenentscheidung das Verfahren fortgesetzt und Überlegungen zur Hauptsache angestellt werden sollen (BVerfGE 33, 247 (261 f.) m. w. N.). Für das Verfassungsbeschwerdeverfahren bedeutet dies, daß eine allein aus der Kostenentscheidung herrührende Beschwer nicht ausreicht, um ein Rechtsschutzbedürfnis für die verfassungsrechtliche Überprüfung der gesamten Gerichtsentscheidung zu begründen (BVerfGE, a.a.O., S. 256; BVerfGE 39, 276 (292)).
Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor. Die Beschwerdeführerinnen machen nicht einen Verfassungsverstoß geltend, der in der Entscheidung zur Hauptsache enthalten ist und sich lediglich auf die Kostenentscheidung mit ausgewirkt hat. Der behauptete Verfassungsverstoß bezieht sich vielmehr ausschließlich auf die Kostenentscheidung, genauer: auf den im Rahmen der Kostenentscheidung getroffenen Ausspruch, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Die verfassungsrechtliche Überprüfung ist danach auf diesen Ausspruch beschränkt und erstreckt sich nicht auf die damit verbundene Entscheidung in der Hauptsache. In der Rechtsprechung ist bisher offen geblieben, ob in einem solchen Fall ein Rechtsschutzbedürfnis für die verfassungsgerichtliche Überprüfung der Kostenentscheidung besteht, auch wenn der Beschwerdeführer durch die Entscheidung zur Hauptsache nicht beschwert ist und diese nicht angreift (BVerfGE 33, 247 (256)). Diese Frage muß bejaht werden, weil anderenfalls der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz lückenhaft wäre; denn der Betroffene hätte dann keine Möglichkeit, sich gegen eine selbständig in der Kostenentscheidung enthaltene Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte zur Wehr zu setzen. Für die Geltendmachung der selbständig in einer Kostenentscheidung enthaltenen verfassungsrechtlichen Beschwer kann es im übrigen unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses keinen Unterschied machen, ob die Kostenentscheidung im Zusammenhang mit einer Entscheidung zur Hauptsache oder isoliert ergangen ist. Für den letzteren Fall steht aber die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit jeher außer Frage (vgl. etwa BVerfGE 15, 214 (217 f.); 22, 254 (258); 27, 175 (178)).
Das Ausmaß der Beschwer durch eine Kostenentscheidung kann auch nicht generell als so geringfügig angesehen werden, daß es unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt wäre, Kostenentscheidungen von der verfassungsgerichtlichen Überprüfung auszuschließen. Die Beschwer durch eine Kostenentscheidung wird zwar regelmäßig hinter derjenigen durch die Hauptsacheentscheidung in demselben Verfahren zurückbleiben. Absolut gesehen gibt es jedoch keinen Wesensunterschied zwischen der wirtschaftlichen Belastung durch eine Kostenentscheidung und derjenigen durch eine Hauptsacheentscheidung. Sofern im Einzelfall die Belastung durch eine Kostenentscheidung für den Beschwerdeführer hinnehmbar erscheint, kann dies nach Maßgabe der § 93 b Abs. 1 Nr. 3, § 93 c Satz 2 BVerfGG zur Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde führen. In den vorliegenden Fällen scheidet dies jedoch schon deshalb aus, weil von der Entscheidung die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen zu erwarten ist (§ 93 c Satz 2 BVerfGG).
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
I.
1. Nach der Vorschrift des § 77 Satz 1 GWB, auf die sich die angegriffenen Entscheidungen stützen, hängt die Anordnung der Kostenerstattung davon ab, ob sie der Billigkeit entspricht. Sie richtet sich daher nicht ausschließlich nach dem Ausgang des Verfahrens, und das Obsiegen eines Beteiligten muß nicht in jedem Fall dazu führen, daß ihm seine Verfahrenskosten zu erstatten sind.
Diese Regelung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Für sich allein gesehen verstößt sie insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das darin enthaltene Willkürverbot. Daß die unterlegene Partei die Verfahrenskosten tragen und dem obsiegenden Teil seine Kosten erstatten soll, ist zwar – jedenfalls in kontradiktorisch ausgestalteten Verfahren, in denen eine Partei eine Verletzung in ihren Rechten durch die Gegenpartei geltend macht – naheliegend (vgl. BVerfGE 22, 254 (264); 27, 175 (178)); dieser Grundsatz ist auch in verschiedenen Verfahrensordnungen verwirklicht (§ 91 ZPO, § 154 Abs. 1, § 162 VwGO, § 135 Abs. 1, § 139 FGO). Ein allgemeingültiges Prinzip der Kostenerstattung zugunsten des Obsiegenden hat der Gesetzgeber mit den genannten Regelungen einzelner Verfahrensordnungen jedoch nicht festgeschrieben (vgl. etwa § 13 a FGG). Dazu ist er von Verfassungs wegen auch nicht verpflichtet.
Soweit das kartellverwaltungsrechtliche Beschwerdeverfahren in einem materiellen Sinn dem Verwaltungsrechtsschutz dient, kann daraus nicht geschlossen werden, daß es dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG von vornherein verwehrt ist, die Kostenerstattung für dieses Verfahren abweichend von § 154 Abs. 1, § 162 VwGO zu regeln. Entsprechendes hat das Bundesverfassungsgericht bereits für das Verhältnis der Arbeitsgerichtsprozesse zu den allgemeinen Zivilprozessen ausgesprochen (vgl. BVerfGE 31, 306 (308)). Die kartellverwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren unterliegen einer besonderen Verfahrensordnung, nach der sie von den jeweils zuständigen Zivilgerichten entschieden werden. Von den allgemeinen Verwaltungsprozessen unterscheiden sie sich ferner durch die Art der Verfahrensgegenstände und durch den Kreis der möglichen Beteiligten (vgl. § 66 GWB). Dem Gesetzgeber stand es daher grundsätzlich frei, auch die Kostenerstattung im kartellrechtlichen Beschwerdeverfahren abweichend vom allgemeinen Verwaltungsprozeß zu regeln.
Die Vorschrift des § 77 Satz 1 GWB ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit zu beanstanden. Zwar soll im Rahmen eines Prozeß- oder Verwaltungsverfahrens Waffen- und Chancengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten in bezug auf den Auslagenersatz herrschen. Insoweit genügt es aber, daß sowohl die Kartellbehörde als auch der Beschwerdeführer im Falle des Obsiegens einen Kostenerstattungsanspruch nicht zwingend, sondern nur nach Maßgabe einer Billigkeitsentscheidung erhalten und sich damit beide in einer vergleichbaren Kostensituation befinden (vgl. BVerfGE 35, 283 (295)).
2. Die Regelung des § 77 Satz 1 GWB ist auch nicht in ihrem Zusammenwirken mit § 67 Abs. 1 GWB von Verfassungs wegen zu beanstanden.
Die Vorschrift des § 67 Abs. 1 GWB, welche die Verfahrensbeteiligten dem Anwaltszwang unterwirft, für die Kartellbehörde aber die Vertretung durch ein Mitglied der Behörde zuläßt, ist für sich allein betrachtet ebenso wie § 77 Satz 1 GWB verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber konnte im Interesse einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung den Anwaltszwang für das Verfahren einführen; andererseits konnte er davon ausgehen, daß die Kartellbehörde mit qualifizierten Bediensteten ausgestattet ist, die in gleicher Weise wie ein Rechtsanwalt eine sachgerechte und verfahrensfördernde Vertretung der Behörde vor Gericht gewährleisten.
Das Zusammenwirken der Regelungen in § 67 Abs. 1 und § 77 Satz 1 GWB kann allerdings zu einer unterschiedlichen Kostenbelastung der Verfahrensbeteiligten führen. Läßt sich die Kartellbehörde, wie es in der Praxis die Regel ist, durch ein Mitglied der Behörde vertreten, entstehen nur auf der Seite des Beschwerdeführers (und etwaiger sonstiger Beteiligter) Anwaltskosten. Dieser Umstand wirkt sich für den Beschwerdeführer vorteilhaft aus, wenn er kostenpflichtig unterliegt. Bei seiner einseitigen Belastung mit Anwaltskosten verbleibt es aber auch in Fällen seines Obsiegens dann, wenn keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten angeordnet wird. Diese Belastung des Beschwerdeführers und etwaiger sonstiger Beteiligter wird nicht dadurch ausgeglichen, daß der Kartellbehörde, die sich durch ein Behördenmitglied vertreten läßt, hierfür ebenfalls ein Aufwand, etwa wegen eines zusätzlichen Personalbedarfs, entstehen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß allgemeine Geschäftsunkosten sowie der Aufwand an Zeit und Mühe, der für die Bearbeitung des Verfahrens neben der Vertretung vor Gericht erforderlich wird, außer Betracht bleiben müssen. Ein derartiger Aufwand entsteht jedem Verfahrensbeteiligten, auch dem beschwerdeführenden Unternehmen, das sich vor Gericht durch einen Anwalt vertreten läßt. Berücksichtigungsfähig ist bei dem Vergleich der Kostenbelastung auf seiten der Kartellbehörde daher nur der über die interne Verfahrensbearbeitung hinausgehende Mehraufwand für die eigentliche Vertretung vor Gericht. Dieser wird regelmäßig kaum meßbar sein und in Anbetracht der in Kartellsachen häufig hohen Streitwerte in aller Regel weit hinter den Kosten einer anwaltlichen Vertretung zurückbleiben.
Die unterschiedliche Kostenbelastung der Verfahrensbeteiligten, zu der das Zusammenwirken von § 67 Abs. 1 und § 77 Satz 1 GWB führen kann, ist jedoch nicht von vornherein und in jedem Falle unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu beanstanden. Sie ist als Folge des Ineinandergreifens zweier jeweils für sich verfassungskonformer Regelungen grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings darf sie nicht dazu führen, daß im konkreten Fall die Waffengleichheit der einander gegenüberstehenden Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt wird. Das läßt sich indessen durch eine sachgerechte Anwendung der Kostenerstattungsregelung des § 77 Satz 1 GWB vermeiden. Die genannte Vorschrift ermöglicht es, im Rahmen der Billigkeitsentscheidung dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit hinreichend Rechnung zu tragen.
II.
1. Mit Art. 3 Abs. 1 GG ist es jedoch unvereinbar, die Vorschrift des § 77 Satz 1 GWB dahin auszulegen, daß auch einem Beschwerdeführer, der eine Verletzung in seinen Rechten geltend gemacht und im Verfahren obsiegt hat, im Normalfall ein Kostenerstattungsanspruch zu versagen ist. Eine solche Auslegung würde dazu führen, daß die aus dem einseitigen Anwaltszwang herrührende ungleiche Kostenbelastung für den obsiegenden Beschwerdeführer in aller Regel bestehen bliebe. Damit wäre dem aus dem Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsgebot folgenden Grundsatz, daß für die Verfahrensbeteiligten eine vergleichbare Kostensituation geschaffen und das Risiko am Verfahrensausgang gleichmäßig verteilt werden soll (vgl. BVerfGE 35, 283 (289); 52, 131 (144)), nicht genügt.
Das kartellrechtliche Beschwerdeverfahren weist – jedenfalls soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinen Rechten geltend macht – keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit insoweit einzuschränken. Der Beschwerdeführer, der Rechtsschutz wegen Verletzung seiner Rechte sucht, steht der Kartellbehörde als Verfahrensgegner in einem echten Streitverfahren gegenüber (Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht – Kartellverwaltungsrecht – Bürgerliches Recht, 1977, S. 536; Ipsen, BB 1976, S. 954, 959). Die kartellrechtliche Beschwerde entspricht insoweit ihrer Funktion nach im wesentlichen einer verwaltungsrechtlichen (Anfechtungs- oder Verpflichtungs-)Klage. Ob dies hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten, die durch die Entscheidung lediglich in ihren Interessen berührt werden und von der Kartellbehörde auf ihren Antrag zu dem Verfahren beigeladen worden sind (§ 51 Abs. 2 Nr. 4, § 62 Abs. 2, § 66 GWB), anders zu beurteilen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.
Die Versagung der Kostenerstattung als Regel kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß der Bereich des Kartellrechts durch eine gesteigerte Rechtsunsicherheit gekennzeichnet sei, wie es die Stellungnahmen annehmen. Sollte es auf diesem Gebiet tatsächlich – was dahingestellt bleiben kann – aus einer gewissen Rechtsunsicherheit heraus in erhöhtem Maße zur einvernehmlichen Durchführung sogenannter Musterverfahren kommen, wäre dies eher ein Grund für als ein solcher gegen eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Kostenlast, da das Verfahren dann auch der allgemeinen Rechtsfortbildung diente und nicht nur dem Interesse des beschwerdeführenden Unternehmens (vgl. dazu etwa Pawlowski, JZ 1975, S. 197 ff.).
2. Zur Schaffung einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechenden Kostensituation ist es nicht erforderlich, dem Beschwerdeführer im Falle des Obsiegens stets einen Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen oder den Ausschluß des Kostenerstattungsanspruchs auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken. Ein sachgerechter Ausgleich der unterschiedlichen Kostenvorbelastung der Verfahrensgegner wird bereits dadurch erreicht, daß über die Frage der Kostenerstattung die im Gesetz ermöglichte Billigkeitsentscheidung unter Abwägung der Umstände des konkreten Falles (einschließlich des Verfahrensausgangs) getroffen wird. Einer solchen Entscheidung stehen weder der Wortlaut des § 77 Satz 1 GWB noch der Zusammenhang dieser Vorschrift mit der Regelung in § 77 Satz 2 GWB zwingend entgegen.
III.
Den angegriffenen Entscheidungen liegt die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Auffassung zugrunde, daß nach § 77 Satz 1 GWB jeder Beteiligte im Normalfall die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten auch im Falle des Obsiegens selbst zu tragen habe. Weitere Erwägungen zu der Frage, ob eine Kostenerstattung nach den Umständen des konkreten Falles – auch im Hinblick auf den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit – der Billigkeit entspricht, hat das Gericht nicht angestellt. Den Verfassungsbeschwerden ist danach stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 1566278 |
BVerfGE, 78 |
BB 1987, 990 |
NJW 1987, 2569 |