Die zulässige Verfassungsbeschwerde führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen. Diese verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln. Demgemäß ist dieser Grundsatz vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 58, 369 ≪373 f.≫; 60, 123 ≪133 f.≫; 64, 229 ≪239≫). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine Grundrechtsverletzung nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen Grund verschieden behandelt, sondern ebenfalls dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung gelangen (vgl. BVerfGE 58, 369 ≪374≫).
b) Mit diesen Grundsätzen ist die in der angegriffenen Entscheidung vorgenommene ungleiche Behandlung von Rechtsanwälten und den Rechtsbeiständen alten Rechts, die Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind, bei der Entscheidung über die Aktenüberlassung in die Geschäfts- oder Wohnräume nicht vereinbar.
aa) Die Aktenüberlassung in die Geschäfts- oder Wohnräume hat in Verwaltungsstreitverfahren vor allem den Zweck, Chancengleichheit zwischen dem Prozeßbevollmächtigten und der beteiligten staatlichen Stelle – ursprünglich zwischen Verteidiger und Staatsanwaltschaft in der als Vorbild dienenden Regelung von § 147 Abs. 4 StPO – herzustellen. Denn die Durchsicht der Akten auf der Geschäftsstelle kann nur bei sehr einfach gelagerten Sachverhalten zur Vorbereitung weiterer prozessualer Schritte genügen. Weitere Zwecke sind Arbeitserleichterung, Ermöglichung des Einsatzes von Hilfskräften und eigener bürotechnischer Hilfsmittel sowie Zeit- und Kostenersparnis.
Das Recht auf ungestörte Akteneinsicht dient zugleich der Rechtspflege, in deren Interesse eine gute Vorbereitung des Verfahrens durch die Prozeßbevollmächtigten liegt. Bei der grundsätzlichen Beschränkung der Akteneinsicht auf den Ort “Gericht” handelt es sich daher um eine Ausnahmeregelung: Eine Gefährdung der Gerichtsakten nach äußerem Bestand und Inhalt durch Beschädigung, Verlust oder Verfälschung soll ebenso verhindert werden, wie ein Mißbrauch der Kenntnis des Akteninhaltes. Daneben soll die gerichtsinterne Verfügbarkeit der Akten einen reibungslosen Ablauf des Verfahrens gewährleisten, was jedoch im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten der Vervielfältigung nur noch von geringerer Bedeutung ist.
Der Gesetzgeber hat daher von dieser generellen Beschränkung die Rechtsanwälte ausgenommen. Er geht davon aus, daß die Rechtsanwälte aufgrund ihrer von gesetzlichen Pflichten geprägten Stellung innerhalb der Rechtspflege wegen des für sie geltenden Disziplinarrechts sowie der Aufsicht durch die Rechtsanwaltskammer im Umgang mit überlassenen Akten besonders zuverlässig sind.
bb) Auf den Personenkreis, dem der Beschwerdeführer angehört, treffen diese Ausnahmegründe uneingeschränkt zu. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, einem Kammerrechtsbeistand lediglich mit der Begründung, er sei kein Rechtsanwalt oder Rechtslehrer, die Aktenüberlassung in seine Geschäftsräume zu versagen, enthält somit eine ungerechtfertigte Differenzierung.
Durch die Möglichkeit der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gemäß § 209 BRAO ist seit dem Fünften Gesetz zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1503) die Stellung der aufgenommenen Rechtsbeistände weitgehend der des Rechtsanwalts angeglichen (vgl. BVerfGE 80, 269 ≪282 ff.≫), da wesentliche Teile der Bundesrechtsanwaltsordnung für anwendbar erklärt wurden, indem die “verkammerten” Rechtsbeistände den für Rechtsanwälte geltenden standesrechtlichen Pflichten unterworfen sowie der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer und der Anwaltsgerichte unterstellt wurden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Kammer sind dieselben Versagungsgründe wie für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu beachten. Für die Rechtsstellung nach Aufnahme in die Kammer sowie für die Aufhebung oder für das Erlöschen der Erlaubnis gelten nach § 209 Satz 2 BRAO sinngemäß die Vorschriften dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 4 bis 6, § 12, §§ 18 bis 27, §§ 29 bis 36. Der Kammerrechtsbeistand unterscheidet sich danach hinsichtlich seiner Unabhängigkeit nicht vom Rechtsanwalt.
Allerdings verfügen Kammerrechtsbeistände regelmäßig über eine weniger fundierte fachliche Qualifikation als Rechtsanwälte. Das ist indessen für die Frage der Akteneinsicht unerheblich. Es gibt keinen Grund für die Annahme, daß sie deswegen ihre beruflichen Pflichten weniger ernst nehmen. Schon in der Entscheidung zur Sozietätsfähigkeit von Kammerrechtsbeiständen und Anwaltsnotaren hat der Senat ausgeführt (BVerfGE 80, 269 ≪283 f.≫), daß aus der geringeren Qualifikation nicht auf ein geringeres Maß an Pflichtbewußtsein geschlossen werden könne. Ein “Mißtrauensvorschuß” für den verkammerten Rechtsbeistand lasse sich mit seiner Stellung nicht vereinbaren.
c) Dies ist in den angegriffenen Entscheidungen nicht hinlänglich beachtet worden. Wie in den Stellungnahmen der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Anwaltvereins ausgeführt, läßt sich § 100 Abs. 2 Satz 3 VwGO dahin verfassungskonform auslegen, daß nach dem Ermessen des Vorsitzenden die Akten auch dem bevollmächtigten Kammerrechtsbeistand zur Mitnahme in seine Wohnung oder in seine Geschäftsräume übergeben werden können. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung werden dabei nicht überschritten. Weder aus dem Wortlaut von § 100 VwGO noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung läßt sich ableiten, daß ausschließlich Rechtsanwälte in den Vorzug der Aktenüberlassung kommen sollten. Auch den Gesetzesmaterialien läßt sich nicht entnehmen, daß hier eine abschließende Regelung lediglich für Rechtsanwälte getroffen werden sollte. Im Gegenteil weist die ausdrückliche Bezugnahme auf den Vorschlag des Anwaltvereins (Protokoll der 178. Sitzung des BT-Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht vom 14. Januar 1957, S. 12, 13 und Protokoll der 48. Sitzung des BT-Rechtsausschusses vom 5. Februar 1959, S. 19 jeweils unter Hinweis auf § 147 Abs. 4 StPO) darauf hin, daß neben den Rechtsanwälten Personen vergleichbarer Zuverlässigkeit bevorzugt werden sollten.
Ob im Einzelfall Gründe vorliegen, die bei einem Rechtsanwalt oder einem Kammerrechtsbeistand Zweifel an einem zuverlässigen Umgang mit den Akten rechtfertigen, unterliegt der Beurteilung des Vorsitzenden, der hierüber nach § 100 Abs. 2 Satz 3 VwGO entscheidet.