Rz. 300
Gem. § 2 Abs. 4 AStG sind bei der Anwendung der Abs. 1 und 3 bei einer Person Gewerbebetriebe, Beteiligungen, Einkünfte und Vermögen einer ausländischen Gesellschaft i. S. v. § 5 AStG, an der die Person unter den dort genannten Voraussetzungen beteiligt ist, entsprechend ihrer Beteiligung zu berücksichtigen. Die Norm zielt auf Umgehungsgestaltungen durch Übertragung von inländischen Wirtschaftsinteressen auf ausländische Gesellschaften, weil in solchen Fällen die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 S. 2 AStG auf Ebene des Steuerpflichtigen nicht mehr erfüllt wäre. Gleichermaßen könnte die Freigrenzenregelung in § 2 Abs. 1 S. 3 AStG durch Übertragung von Einkunftsquellen auf eine ausländische Gesellschaft umgangen werden. Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 AStG ist erforderlich, weil § 5 AStG lediglich die Zurechnung bestimmter Einkünfte beim Steuerpflichtigen regelt (s. § 5 Rz. 65ff.).
Rz. 301
Die von § 2 Abs. 4 AStG angeordnete Zurechnung gilt für die Anwendung der Abs. 1 und 3. Der Verweis auf § 2 Abs. 3 AStG ist umfassend, d. h. die dortigen Tatbestandsvoraussetzungen sind durchweg unter Berücksichtigung der zugerechneten Einkünfte und Beteiligungen bzw. Vermögen zu prüfen. Anders verhält es sich mit dem Verweis auf § 2 Abs. 1 AStG. Keine Bedeutung hat die in § 2 Abs. 4 AStG angeordnete Zurechnung für die in § 2 Abs. 1 S. 1 AStG angeordnete Rechtsfolge der Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht, weil insoweit § 5 AStG eine abschließende Regelung über die Zurechnung nicht-ausländischer Einkünfte zum Steuerpflichtigen darstellt. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die in § 5 AStG vorgesehene "Zurechnung" mit der von § 2 Abs. 4 AStG angeordneten "Berücksichtigung" gleichzusetzen ist, denn eine Steuerpflicht der nach § 2 Abs. 4 AStG "berücksichtigten" Einkünfte scheitert nicht an der Technik der ausbleibenden Zurechnung, sondern an besagtem Vorrang des § 5 AStG. Der Verweis auf Abs. 1 AStG bezieht sich insb. auf die Freigrenzenregelung in § 2 Abs. 1 S. 3 AStG. Für die Bestimmung der Niedrigbesteuerung nach § 2 Abs. 2 AStG entfaltet die Vorschrift in Abs. 4 jedenfalls keine Bedeutung.
Rz. 302
Ob auch die Fiktion einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte gem. § 2 Abs. 1 S. 2 AStG von § 2 Abs. 4 AStG erfasst wird, ist nicht geklärt. Baßler verneint dies, weil gem. § 2 Abs. 4 AStG zwar eine Betriebsstätte der Gesellschaft dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden, etwaige gewerbliche Einkünfte aber nicht durch diese erzielt würden. Dies betrifft die Frage, ob die Zurechnung einer Betriebsstätte der Anwendung des § 2 Abs. 1 S. 2 AStG entgegenstehen kann. Abseits dessen stellt sich aber die Frage, ob infolge der Zurechnung eines von der ausländischen Gesellschaft unterhaltenen substanzarmen Gewerbebetriebs zum Steuerpflichtigen bei diesem die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 2 AStG anwendbar sein kann. Richtigerweise wird dies davon abhängen, ob man § 2 Abs. 1 S. 2 AStG Bedeutung auch auf Tatbestands- oder nur auf Rechtsfolgenebene beimisst (zur Diskussion Rz. 177). § 2 Abs. 4 AStG hat Bedeutung für die Anwendung des § 2 AStG, betrifft also insb. die Tatbestandsebene, ohne rechtsfolgenseitig den Besteuerungsumfang zu erweitern. Wenn § 2 Abs. 1 S. 2 AStG nur die Rechtsfolgenebene betrifft, sollte die Norm von Abs. 4 nicht betroffen sein.
Rz. 303
Wenngleich § 2 Abs. 4 AStG eine Vorschrift zur Versagung von Umgehungsgestaltungen ist, zieht sie nicht zwangsläufig negative Konsequenzen nach sich. Da Rechtsfolge der Norm die Zurechnung sämtlicher Einkünfte und sämtlicher Gewerbebetriebe, Beteiligungen und sämtlichen Vermögens ist, kann es durch die Zurechnung ausländischer Einkünfte oder ausländischen Vermögens zur Nicht-Erfüllung der Tatbestände in § 2 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AStG kommen.
Die beschränkt steuerpflichtige natürliche Person A erzielt Zinseinkünfte von einer inländischen Bank in Höhe von 50.000 Euro. Die gesamten Einkünfte des A belaufen sich im Vz auf 100.000 Euro. A hält sämtliche Anteile an einer Gesellschaft i. S. v. § 5 AStG. Die Gesellschaft erzielt ausländische Zinserträge in Höhe von 100.000 Euro.
Auf Ebene von A ist § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG zunächst erfüllt, weil die nichtausländischen Einkünfte 50 % der gesamten Einkünfte ausmachen. Berücksichtigt man indes die nach § 2 Abs. 4 AStG einzubeziehenden Einkünfte der ausländischen Gesellschaft, so reduziert sich diese Quote auf 25 %. Der Tatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG ist nicht (mehr) erfüllt.
Rz. 304
Eine Zurechnung von Einkünften oder Vermögen einer Familienstiftung i. S. v. § 15 AStG zum Steuerpflichtigen erfolgt nicht.
Es fehlt insoweit an einer Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 4 AStG.
Rz. 305
einstweilen frei