1. Vollrisikozertifikate – sonstige Kapitalforderungen (Rz. 105)
Die Ausführungen in Rz. 105 wurden durch Zeitablauf im Vergleich zur bisherigen Fassung gekürzt. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass die Regelungen in § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auch auf Vollrisikozertifikate Anwendung finden, sofern die Andienung nach dem 31.12.2009 erfolgt und diese Zertifikate nach dem 14.3.2007 angeschafft wurden. Definition von Vollrisikozertifikaten: Vollrisikozertifikate sind Schuldverschreibungen, bei denen die Wertentwicklung von der Entwicklung eines Basiswerts, z.B. eines Indexes oder eines Aktienkorbs, abhängig ist und bei denen sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch die Erzielung von Erträgen unsicher sind.
2. Behandlung eines Barausgleichs von Bruchteilen (Rz. 106)
Durch das JStG 2020 (BGBl. I 2020, 3096) wurde der Anwendungsbereich der Regelung in § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auf angediente Wertpapiere i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, insb. Aktien, eingeschränkt. Die Ausführungen in Rz. 106 wurden entspr. angepasst. Werden bei der Tilgung von sonstigen Kapitalforderungen mittels Andienung von Wertpapieren im o.g. Sinne Bruchteile nicht geliefert, sondern in Geld ausgeglichen, handelt es sich bei den Zahlungen um einen laufenden Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, es sei denn, die Abfindung der Bruchteile stellt eine teilweise Tilgung der Kapitalforderung in bar dar. In solchen Fällen, stellt der Barausgleich Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG dar. Insofern wird auf die Ausführung in Rz. 107 des Anwendungsschreibens verwiesen.
Beispiel – Behandlung von Bruchteilen mit Barausgleich
Anleger K erwirbt 10.000 EUR Nominal einer Aktienanleihe mit einem Basispreis von 22 EUR. Da der Kurs des Basiswertes am Bewertungstag unter der maßgeblichen Schwelle liegt (z.B. 21 EUR), bekommt er pro 1.000 EUR nominal Aktienanleihe rechnerisch 45,4545 Aktien (1.000 EUR/22 EUR) geliefert. Weil die Lieferung von Bruchstücken nicht möglich ist, bekommt der Anleger im Ergebnis 450 Aktien. Bruchstücke i.H.v. 4,545 "Aktien" werden dem Anleger stattdessen zum Kurs – in Abhängigkeit der Emissionsbedingungen – am Tag der Fälligkeit der Anleihe ausgezahlt.
Lösung
Die Anschaffungskosten der 450 Aktien betragen 10.000 EUR. Bei einem am Fälligkeitstag unterstellten Kurs von 20 EUR fließen dem Anleger 90,90 EUR (4,545 x 20 EUR) als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu.
3. Teilweise Tilgung der Kapitalforderung in bar (Rz. 107a)
Die Rz. 107a wurde neu in das Anwendungsschreiben eingefügt und dient der Erläuterung von Fallkonstellationen, die nicht von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG erfasst werden, wenn es sich nicht um Wertpapiere i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt. In diesen Fällen sind die Regelungen für den Tausch von Wertpapieren analog anzuwenden; diesbezügliche Ausführungen befinden sich in den Rz. 64 bis 66. Wenn es dabei zu einem Barausgleich von Bruchteilen kommt oder zusätzliche Barkomponenten gezahlt werden, so sind diese Barbeträge als Bestandteil des Veräußerungserlöses für die hingegebenen Wertpapiere anzusehen.
4. Zuteilung von Anteilen ohne Gegenleistung gem. § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG (Rz. 111 bis 112)
Bonusanteile/Freianteile: Durch das JStG 2020 (BGBl. I 2020, 3096) wurde die gesetzliche Regelung zur ertragsteuerrechtlichen Würdigung der Zuteilung von Anteilen ohne Gegenleistung gem. § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG modifiziert. Werden einem Stpfl. von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat, Anteile i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt, ohne dass der Stpfl. eine Gegenleistung zu erbringen hat, sind sowohl der Ertrag als auch die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile mit 0 EUR anzusetzen, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 3, 4 und 7 EStG nicht vorliegen. Anwendungszeitraum: Die Anschaffungskosten der die Zuteilung begründenden Anteile bleiben unverändert. Diese Neuregelung findet gem. § 52 Abs. 28 Satz 20 EStG für die Zuteilung von Anteilen Anwendung, wenn diese nach dem 31.12.2020 erfolgt und die die Zuteilung begründenden Anteile nach dem 31.12.2008 angeschafft worden sind.
Ausnahmen: § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG findet gem. den Ausführungen in Rz. 111 keine Anwendung, wenn
- dem Anteilseigner nach ausländischem Recht (z.B. Frankreich, Niederlande oder Spanien) ein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen zusteht,
- dem Anteilseigner mit ausländischer Quellensteuer belastete Anteile eingebucht wurden,
- es sich um Doppelmaßnahmen handelt (Ausschüttung und Reinvestition in neue Aktien),
- neben der Einbuchung von Aktien auch andere Wirtschaftsgüter gewährt werden (sog. gemischte Maßnahmen),
- Nachbesserungsrechte, die zu einem Bezug neuer Aktien führen können, gewährt werden.
Beraterhinweis Die gesetzliche Neuregelung ist so ausgestaltet, dass sie ausschließlich auf ausländische Maßnahmen anzuwenden ist. Das ging aus dem bisherigen Wortlaut des Gesetzes nicht hervor, obwohl die Finanzverwaltung auch in der Vergangenheit die Auffassung vertreten hat, dass die Regelungen des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG i.d.R. nur auf ausländische Vorgänge anzuwenden sind. Die Ausführungen in der neu gefassten Rz. 112 weisen explizit darauf hin, dass § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG ab 2021 bei inländischen Sachverhalt...